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ArbeitnehmerempfangLeverkusener Oberbürgermeister und Gewerkschafter bekunden Solidarität

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Arbeitnehmerempfang im Industriemuseum Freudenthaler Sensenhammer. Oberbürgermeister Uwe Richrath steht auf der Bühne.

Arbeitnehmerempfang im Industriemuseum Freudenthaler Sensenhammer.

Die Redner im Industriemuseum Freudenthaler Sensenhammer erinnerten an die Besetzung der Gewerkschaftshäuser durch Nazis am 2. Mai 1933.

Als Leverkusens Oberbürgermeister Uwe Richrath langsam zum Ende seiner Rede kommt, schaut er eindringlich in die Menge der Besucherinnen und Besucher im Freudenthaler Sensenhammer: „Europa steht vor einer Zeitenwende. Es gibt einen Angriff auf die europäischen Werte. Wir müssen zusammenstehen und Arbeitskämpfe nicht als Beeinträchtigung sehen. Tiefe, echte Demokraten sind in dieser Welt wichtig.“

Zusammenhalt, Solidarität und die klare Abgrenzung von anti-demokratischen oder totalitären Tendenzen waren die großen Schlagworte, die allen Rednern beim Arbeitnehmerempfang im Industriemuseum Freudenthaler Sensenhammer gemein waren. Schließlich traf man sich nicht an irgendeinem Tag, sondern am 2. Mai. An diesem Tag vor 90 Jahren besetzten SA- und SS-Männer in Deutschland die Häuser der Gewerkschaften.

„Gewerkschaften gehören zum essenziellen Kern einer sozialen Demokratie“, zitierte der Oberbürgermeister den britischen Soziologen Colin Crouch. Die zuletzt abgeschlossenen Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst seien ein Beispiel dafür, dass sich gewerkschaftlicher Kampf lohne: „Es geht auch um Wertschätzung. Gute Arbeit will bezahlt sein.“

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Zwar stelle der Abschluss die Stadt vor eine große finanzielle Herausforderung, die man in diesem Jahr durch eine vorausschauende Haushaltsplanung habe auffangen können. Aber es sei wichtig und richtig, die steigenden Personalkosten als eine notwendige Investition in die Zukunft zu sehen, kommentierte Uwe Richrath.

Eines der größten Probleme derzeit sieht Richrath darin, dass Vermögen „zugunsten einer kleinen Gemeinschaft, deren Vermögen stetig steigt, zulasten einer kontinuierlich wachsenden Gruppe, die sich durch ihr Gehalt ein unabhängiges Leben nicht mehr leisten kann“, umverteilt werde. Das berge Konfliktpotenzial, das die Stabilität der Demokratie gefährde und die Fachkräfteproblematik zuspitze.

Leverkusen ist eine Stadt der Zugezogenen

Der Oberbürgermeister stellte klar: „Zugleich heißt es, zu erkennen, dass Leverkusen eine Stadt der Zugezogenen ist.“ Anwohnerinnen und Anwohner mit Migrationshintergrund, die teilweise in nachfolgenden Generationen in Leverkusen lebten, seien noch viel zu wenig in Kommunalpolitik, Vereinsarbeit und oberer Verwaltungsebene vertreten. „Dabei benötigen wir gerade in den Entscheidungsebenen ein breites gesellschaftliches Abbild.“

Sehr kurz fasste sich Jens Scheuner, der Vorsitzende des DGB-Stadtverbands in Leverkusen. Es sei wichtig, sich solidarisch mit Kolleginnen und Kollegen zu verbinden. „Und es ist auch wichtig, dass Tarifverhandlungen gut ausgehandelt werden“, sagte er, bevor er das Wort an Wolfgang Uellenberg-van Dawen, Gewerkschafter und von 2001 bis 2008 Vorsitzender der DGB-Region Köln, weitergab.

Uellenberg-van-Dawn erinnerte kenntnisreich und eindrücklich an den 2. Mai 1933, den „schwärzesten Tag der deutschen Gewerkschaftsgeschichte“. Gewerkschaften seien aus ihren Büros von den Nazis herausgetrieben, beschimpft, geschlagen und in Kellern eingesperrt worden. In Duisburg waren Jean Schlösser, Julius Birck, Michael Rodenstock und Julius Rentmeister, alle Angestellte des Deutschen Metallarbeiterverbandes, im Keller des Gewerkschaftshauses von den Nazis erschlagen worden.

„Die Demokratie ist heute weltweit und auch in Europa bedroht“, mahnte der Gewerkschafter mit Blick auf Erdogan, Orban, Trump und Meloni. Er erinnerte an rechtsextreme Anschläge in der Bundesrepublik und pflichtete NRW-Innenminister Herbert Reul bei, der sagte, dass der Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die Demokratie in Deutschland sei.

Mit Blick auf die heutigen Arbeitskämpfe und die Inflation forderte Uellenberg-van-Dawn von den Arbeitnehmern „klare Kante“, um die Politik und damit die Konzerne zu bewegen. Für „faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen“. Im sozialen Erziehungsdienst fehlten 120.000 Leute, in der Pflege mehr als 160.000. „Das war schon vor zehn Jahren bekannt und es ist viel zu wenig passiert.“

„Die Gewerkschaften brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen“ lautete der Titel seiner Rede, die er mit der Parole abschloss: „Es ist unsere Aufgabe, für unsere Demokratie zu kämpfen. Denn sie ist bedrohter als wir denken.“

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