Der Angeklagte aus Rheindorf war als Junge selbst Opfer von Missbrauch. Und drogenabhängig.
ProzessLeverkusener Kinderporno-Konsument zeigt tiefe Reue
Die Anklage lässt schaudern. 443 Bilder und kurze Filme, die Mädchen zwischen fünf und 13 Jahren zeigen. In sexuellen Posen, bei sexuellen Handlungen. Dieses Material wurde bei einem 42 Jahre alten Rheindorfer gefunden. Auf zwei Handys und einer Festplatte. Angeschaut hat er die Kinderpornos zwischen Januar 2019 und September vor zwei Jahren.
Fast genauso schaudern lässt aber die Lebensgeschichte des Mannes, der am Freitag in Opladen vor Gericht steht. Als er drei Jahre alt ist, trennen sich seine Eltern. Seine Schwester stirbt im Kindesalter, sein Bruder auch. Als er nach dem Aufenthalt in einer Pflegefamilie zum Vater zurückkehrt, wird er immer wieder misshandelt. Tagelang eingesperrt. Und zwei Mal sexuell missbraucht. „Das erste Mal mit sechs. Beim zweiten Mal war ich so sieben, acht Jahre alt“, berichtet der Angeklagte.
Mit 15 ins Heim – freiwillig
Mit 15 geht er freiwillig ins Heim. Kaum volljährig, rutscht er in die Obdachlosigkeit. Als ihn später ein deutlich älterer Mann in seine Obhut nimmt, geschieht das nur gegen Sex. Dann lernt er seine spätere Frau kennen. Das Paar bekommt drei eigene Kinder. Vier weitere bringt sie mit in die Ehe. Auch die verläuft nicht gut. Es kommt zu körperlichen Übergriffen – von beiden Seiten. Nebenbei unterhält die Ehefrau eine Affäre mit einem Mitbewohner des Hauses. Man trennt sich.
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All die Jahre trinkt der Mann, mal mehr, mal weniger. Und konsumiert Amphetamin. Mal mehr – bis zu zehn Gramm am Tag – mal weniger. Inzwischen lebt er allein. Seine Kinder darf er nur unter strengen Auflagen sehen: „Alle 14 Tage eine Stunde lang unter Aufsicht. Und nicht zu Hause“, berichtet er.
Was seine Sucht nach Kinderpornos angeht, ist der Rheindorfer ganz offen: „Ich habe ein Problem.“ Das er angeht, berichtet sein Anwalt Ingo Lindemann. Eine Therapie bei dem auf solche Patienten spezialisierten Kölner Psychologen Peter Karthaus sei angelaufen. Aber im Moment stocke die Sache.
Denn der Angeklagte verfällt immer wieder in Depressionen. Gerade sei er medikamentös gut eingestellt, erklärt er ebenfalls ganz freimütig. Das stimmt ihn hoffnungsfroh, weiterzukommen. Aber er weiß, was sein Anwalt ausspricht: „Er hat viele Schritte zu gehen, nicht nur einen. Er muss sich seinen Dämonen stellen.“
Nie wieder Drogen
Und clean bleiben. Der Wille dazu scheint da zu sein: „Ich will nie wieder Amphetamin nehmen“, sagt er. Auch, weil der Konsum seine krankhafte Neigung befeuert hat, glaubt er. Dass er damit auffiel, sei eigentlich ein Segen. „Ich war froh, dass man mich erwischt hat.“ Genauso deutlich sagt der 42-Jährige, dass er mit dem Kinderporno-Konsum ein kriminelles System unterstützt hat. Und was das bedeutet: „Ich habe ja selber Kinder."
Doch wie soll es jetzt weitergehen? Richter Dietmar Adam und die beiden Schöffen folgen in vielem den Anregungen von Anwalt Lindemann. Aber auch dem Antrag des Staatsanwalts, was die Bestrafung angeht. Der hat 22 Monate gefordert, die zur Bewährung ausgesetzt werden. Dem Beschuldigten wird natürlich ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt.
Es soll auch fünf Drogen-Screenings geben während der dreijährigen Bewährungszeit. „Wir brauchen da einen Mechanismus, sicherheitshalber“, erläutert Dietmar Adam, bevor er dem Angeklagten einen Rat gibt: Obwohl er bestenfalls sechs Stunden am Tag arbeiten kann und ohne Ausbildung nicht viele Möglichkeiten auf dem regulären Arbeitsmarkt hat: Ein Job – vielleicht auch in einer Werkstatt für Behinderte – könne auch ihm guttun: Helfen hilft.
Auch in diesem Punkt ist der Angeklagte einsichtig. Wie mit Blick auf die Anklage: „Ich bin schuldig.“