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Chaos vor den FerienNicht alle Grundschulen werden vollen Unterricht leisten können

Lesezeit 4 Minuten

Schulkinder gehen nach langer Pause zum ersten Mal wieder in eine Grundschule in Köln-Ehrenfeld.

  1. Es ist in den NRW-Schulen der Endspurt vor den Sommerferien. Doch anstatt Vorfreude auf die Auszeit herrscht Unruhe und Verunsicherung.
  2. Besonders bei den Grundschulen: Das Schulministerium teilte am Freitag mit, ab dem 15. Juni alle Grundschulen wieder zu öffnen. Doch für viele Schulen ist ein Vollbetrieb gar nicht möglich, so die Vorsitzende der Landeselternkonferenz.
  3. Auch an weiterführenden Schulen kommt es für manche Schüler zu besonders wenig Präsenzzeit. Ein Überblick.

Köln – Nicht alle Grundschulen in NRW werden ab dem 15. Juni wieder den Vollbetrieb aufnehmen können. Das sagte die Vorsitzende der Landeselternkonferenz (LEK) Anke Staar. „Es herrscht viel Unruhe und Verunsicherung an den Grundschulen.“

Der Öffentlichkeit werde suggeriert, dass alle wieder öffnen. „Doch es ist mitnichten so, dass alle Schulen die gleichen Grundvoraussetzungen haben.“ Während an manchen Schulen ausreichend Lehrpersonal vorhanden sei, fehle an anderen im Extremfall bis zu 50 Prozent.

„Wenn dann gleichzeitig die Notbetreuung wegfällt, die OGS aufgrund von Raum- und Personalkapazitäten nicht allen Schülern einen Betreuungsplatz garantieren kann, stehen Eltern wieder ohne Betreuung ihrer Kinder da“, sagt Staar. Das bringe Familien an existenzielle Grenzen.

„Wir hätten ein verlässliches Konzept benötigt“

„Wir hätten ein verlässliches Konzept benötigt, das die Sorgen und Nöte aller berücksichtigt.“ Hinzu komme, dass die letzten Wochen vor den Ferien für Konferenzen und Planungen des neuen Schuljahrs genutzt würden.

Genau darauf solle man sich dem Vorsitzenden der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE), Stefan Behlau, zufolge nun auch konzentrieren. Schulen seien zurzeit dabei, sich für die Zeit nach den Sommerferien aufzustellen. Konzepte von der Landesregierung für das kommende Schuljahr fehlen bislang. Behlau stellte sich bereits am Freitag gegen die Pläne des Ministeriums: „Mal wieder wird die Praxis ignoriert.“ Der Aufwand für wenige Tage „die hart erarbeiteten Pläne erneut umzuschmeißen und sich neu zu organisieren, steht in keinem Verhältnis zum Nutzen“.

„Die Möglichkeit der Teilhabe an Bildung“

Der Vorsitzende der Landeselternschaft der Grundschulen NRW, Sebastian Sdrenka, begrüßt, „dass dieser Weg allen Schülern wieder die Möglichkeit der Teilhabe an Bildung gibt sowie die Chance, wieder miteinander in Kontakt zu sein“. Dennoch sei die Entscheidung sehr kurzfristig getroffen worden und habe Eltern, Schulleitungen, Lehrkräfte und das OGS-Personal überrascht.

Aus dem Schulministerium hieß es auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Wenn Kinder und Jugendliche über viele Wochen hinweg außerhalb der gewohnten Ferienzeiten nicht in die Schule dürfen, um gemeinsam mit ihren Freunden zu lernen, dann ist das ein ganz erheblicher Eingriff in das Recht auf Bildung und Erziehung.“ Die Anstrengungen des Schulministeriums seien daher darauf ausgerichtet, den Infektions- und Gesundheitsschutz mit dem verfassungsrechtlich garantierten Recht auf Bildung für die rund 2,5 Millionen Schüler in NRW in Einklang zu bringen. Die ersten Schulöffnungen  seien weitestgehend reibungslos und ohne größere Schwierigkeiten verlaufen. Die derzeitige Entwicklung des Infektionsgeschehens erlaube nun „den nächsten Schritt hin zu einem verantwortungsvollen Normalbetrieb an den Grundschulen“.

Schulen in NRW: Weniger Präsenzzeit für ältere Jahrgänge

An weiterführenden Schulen bleibt es bei einem Mix aus Präsenzunterricht und Lernen auf Distanz. Bei höheren Jahrgängen kommt allerdings nicht viel Präsenzzeit zusammen. „Das liegt daran, dass zu Beginn der schrittweisen Öffnung eine Priorität auf Prüfungen und die zukünftigen Absolventen gelegt wurde“, sagt Staar. Nun würden jüngere Schüler verstärkt in die Schule zurückgeholt, um das Verhältnis auszugleichen.

Besonders benachteiligt seien Schüler mit Förderbedarf, so Staar. In einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierten LEK NRW und zahlreiche weitere Vereine: „Wir erfahren von immer mehr Fällen, in denen Schulen einzeln oder gruppenweise ihren Schülern mit geistigen, aber auch körperlichen Behinderungen den Zutritt zur Schule verweigern.“ Die Landesregierung überlasse betroffene Schüler „einer willkürlichen Ausgrenzung“. Die Schulen begründeten die Ausschlüsse mit der „zutiefst diskriminierenden Behauptung, Schüler mit geistigen Behinderungen seien pauschal unfähig zum Einhalten der Hygiene- und Abstandsregeln“, hieß es in dem am Montag veröffentlichten Schreiben. Familien seien durch den „Wegfall sämtlicher Unterstützungssysteme“ schon seit über zwei Monaten auf sich allein gestellt.

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Neben Konzepten fürs kommende Schuljahr fehlten hochwertige Bildungsangebote und eine verlässliche Betreuung für die Sommerferien, mahnte Staar. Viele Kommunen erarbeiteten dazu bereits seit längerem Pläne. „Dafür braucht es auch die entsprechenden Mittel des Landes, auf die aber wohl viele noch warten.“

Einer Betreuung in den Ferien komme ganz neue Bedeutung zu, betonte auch der VBE-Vorsitzende Behlau. Man werde wohl auf außerschulische Träger wie Kommunen, Sport- und Musikvereine bauen. Ferienkurse zum Nachholen von Unterrichtsstoff hält der VBE hingegen für eher schwierig umzusetzen.