Jüdische Familie Levy aus MorsbachBahnfahrt in den Tod begann in Morsbach

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Aus der Gastwirtschaft Theile-Ochel in der Ortsmitte beobachteten die Wirtshausbesucher den Marsch der Familie zum Bahnhof.

Aus der Gastwirtschaft Theile-Ochel in der Ortsmitte beobachteten die Wirtshausbesucher den Marsch der Familie zum Bahnhof.

  • 1942 verschwand die jüdische Familie Levy aus Morsbach urplötzlich.
  • Sie wurde nach Minsk deportiert und schließlich in die Tötungsstätte Maly Trostinec ins heutigen Weißrussland gebracht.
  • Bald sollen Stolpersteine vor diesem Haus an der Straße „Zum grünen Siefen“ an das Schicksal dieser Familie erinnern.

Morsbach – Das Verschwinden der jüdischen Familie Levy aus Morsbach war ebenso plötzlich wie mysteriös. An einem Sonntagmorgen im Juli 1942, es muss wohl der 12. Juli gewesen sein, zog die Familie zu Fuß von Niederwarnsbach durch Morsbach zum dortigen Bahnhof. Ein Augenzeuge erinnerte sich: „Die Familie Levy verließ mit Rucksack und Handgepäck die kleine angemietete Zwei-Zimmer-Wohnung in Niederwarnsbach. Alle vier Familienmitglieder trugen den Judenstern.“

Bald sollen Stolpersteine vor diesem Haus an der Straße „Zum grünen Siefen“ an das Schicksal dieser Familie erinnern. Das schlagen alle Fraktionen in einem gemeinsamen Antrag an den Rat der heutigen Gemeinde vor, um in Morsbach 75 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz ein „Zeichen der Erinnerung und gegen das Vergessen zu setzen“. Am 20. Juli 1942 wurde die Familie nach Minsk deportiert und in Maly Trostinec von den Nazis ermordet. Seit 1992 verlegt der Künstler Gunter Demnig aus Elbenrod in Hessen Bronzesteine vor den Häusern von Deportierten, mehr als 75.000 sind es bis heute in ganz Europa. Und jetzt sollen die ersten auch nach Morsbach kommen.

Die Familie hatte ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn

Seit etwa 1937 lebte die jüdische Familie Levy in Morsbach, Fotos sind offenbar keine erhalten. Vater Albert, Jahrgang 1893, und seine Ehefrau Selma, geboren 1899, erschienen 1941 zur polizeilichen Anmeldung, obwohl sie schon vier Jahre vorher in einem gemeindlichen „Verzeichnis der in Morsbach wohnenden Volljuden“ aufgeführt waren. Das Paar hatte zwei Kinder, Sohn Hans Hermann (geboren 1924) und Tochter Brunhilde (1927). Als Beruf gab Albert Levy damals Steinbrucharbeiter an. Er arbeitete im Steinbruch bei Wiehl-Alperbrück und soll sich nebenbei als Fabrikarbeiter, Viehhändler und Metzger betätigt haben. Sohn Hans war Mechaniker von Beruf, zuerst war er bei der Firma Schaumann in Morsbach beschäftigt, später wechselte er zur Firma Baldus nach Friedrichstal im Aggertal.

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In Niederwarnsbach wohnte die Familie. In Erinnerung an sie sollen vor der Haustür „Stolpersteine“ verlegt werden.

In Niederwarnsbach wohnte die Familie. In Erinnerung an sie sollen vor der Haustür „Stolpersteine“ verlegt werden.

Seine Schwester Brunhilde besuchte zunächst die Morsbacher Volksschule an der Waldbröler Straße. Lehrerin Paula Hesse soll aber dafür gesorgt haben, dass sie die „Judenschule“ in Köln besuchen musste. Zuletzt wohnte die Familie Levy in Niederwarnsbach, Zeitzeugen beschrieben sie als rechtschaffende Leute. Ein einstiger Nachbar wusste zu berichten, dass Albert Levy einmal in Morsbach von Mitgliedern der NSDAP oder SA verprügelt worden war, doch konnte das Verhältnis der jüdischen Familie insbesondere zu ihren Nachbarn immer als gut bezeichnet werden.

Auch die Wirtin der Morsbacher Gaststätte Theile-Ochel, konnte sich später gut an jenen Sonntagmorgen im Juli 1942 erinnern: „Die Wirthausbesucher liefen an dem Morgen ans Fenster oder auf die Straßenkreuzung vor dem Gasthaus. Das Ehepaar Levy zog dort mit ihren beiden Kindern von der Crottorfer Straße kommend die Bahnhofstraße hinunter.“ Vom Morsbacher Bahnhof reisten die Levys über Wissen nach Köln.

Ob der Wegzug der Familie Levy mit einem Vermerk des gemeindlichen Polizeiwachtmeisters Beier an Bürgermeister Heinrich Katzenbach (NSDAP) vom 16. Mai 1942 zusammenhing, nach dem „der Jude Levy das vorgeschriebene Wohnungskennzeichen (weißer Judenstern aus Papier) nicht außen angebracht hatte“, ist nicht bekannt. Ebenso unbekannt ist, ob die Familie schriftlich oder vielleicht durch den Beamten mündlich aufgefordert worden war, sich in Köln einzufinden.

Bahnfahrt endete in Deutz

Die Bahnfahrt endete jedenfalls an den Messehallen in Deutz. Diese waren zur damaligen Zeit Sammelpunkt, von dem die Deportationen der „Kölner Zigeuner“ und Juden erfolgten. Auch waren die Hallen Depot für beschlagnahmtes Eigentum, Hilfsgefängnis der Kölner Gestapo, Gefangenenlager und Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald.

Die Melderegisterkarte der Familie Levi(y) aus dem Jahr 1941 mit den später gestrichenen Namenszusätzen „Israel“ und „Sara“.

Die Melderegisterkarte der Familie Levi(y) aus dem Jahr 1941 mit den später gestrichenen Namenszusätzen „Israel“ und „Sara“.

Über das weitere Schicksal der Familie Levy war in Morsbach viele Jahre nichts bekannt. Nach Einträgen im Gedenkbuch des Bundesarchivs sind alle vier Mitglieder mit 1162 weiteren Personen am 20. Juli 1942 von Köln aus mit dem Zug nach Minsk und dann weiter in die Tötungsstätte Maly Trostinec im heutigen Weißrussland gebracht und dort getötet worden. Nach Mitteilung der Stadt Köln sind die Levys in einem Transportverzeichnis aufgeführt.

Dies wiederum stand zunächst in Widerspruch zu einem Schreiben der Morsbacher Gemeindeverwaltung an einen Notar vom 25. Mai 1950 in einem Rückerstattungsverfahren des Erben Philipp Levys, dem wohl damals noch lebenden 86-jährigen Vaters von Albert Levy. Darin ist folgendes vermerkt: „(... dass die Familie Albert Levy nach den hier vorhandenen Unterlagen am 20. Juli 1942 nach Theresienstadt evakuiert worden ist (Mitteilung der Geh. Staatspolizei, Staatspolizeistelle Köln vom 21. Oktober 1942). Ob die Familie Levy umgekommen ist, ist hier nicht bekannt“.

Sohn Hans wurde nur 18, seine Schwester 14 Jahre alt

Das Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt befand sich in dem von Deutschen besetzten Gebiet der damaligen Tschechoslowakei. Ob die Levys vielleicht von Theresienstadt aus dann weiter nach Maly Trostinec deportiert worden sind, konnte nicht mehr recherchiert werden. Jedenfalls ist die Familie Levy später von Amtswegen für tot erklärt worden sind.

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Das Aufgebot zum Zweck der Todeserklärung hatte im Sommer 1953 die damals in New York lebende Schwester des Albert Levy, Betty Johnson, geborene Levy, beantragt. Geht man davon aus, dass die Familie Levy noch im Jahr ihrer Deportation 1942 getötet worden ist, sind die einzelnen Familienmitglieder nur 48 (Albert Levy), 43 (Selma), 18 (Hans) und 14 (Brunhilde) Jahre alt geworden. Nach der plötzlichen Abreise der Familie Levy sollen deren Habe, insbesondere Möbel, unverzüglich versteigert worden sein.

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