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PallottinerinnenHelferinnen mit Leib und Seele

Lesezeit 5 Minuten

Schwester Nicola, Schwester Dominica, Schwester Reginata (v.l.) stöbern in ihren Erinnerungen.

Bergisch Gladbach – Annemarie war sieben Jahre alt, da trat die große, weite Welt in Gestalt einer Ordensschwester aus Belize in ihr beschauliches Leben im Paderborner Land. Die Nonne aus der ehemaligen Kolonie Britisch-Honduras befeuerte mit ihren Geschichten die Fantasie des Mädchens: „Das hat mich fasziniert. Für mich war es von da an klar: Ich wollte auch Nonne werden.“ Und so wurde Jahre später aus Annemarie Rose Schwester Dominica, Ordensschwester der Pallottinerinnen.

Die heute 84-Jährige ist eine der zwölf verbliebenen Ordensfrauen im Vinzenz Pallotti Hospital in Bensberg. Unter ihnen ist auch Schwester Nicola Schuberth, die 1964, direkt nach ihrer Profess, der Ablegung des Gelübdes, nach Bensberg kam und lange in der Verwaltung arbeitete. Schwester Reginata Nühlen leitete zunächst die Krankenpflege der Intensivstation und ist seit 1980 in der Seelsorge tätig. Am Pfingstmontag feiern die Pallottinerinnen das 175-jährige Bestehen ihres Ordens mit einem Pontifikalamt.

1837 wütete die Cholera in Rom. Viele Kinder hatten durch die Epidemie ihre Eltern verloren, zogen bettelnd durch die Straßen oder prostituierten sich, um zu überleben. Um diese Not zu lindern, gründete der katholische Priester Vinzenz Pallotti ein Waisenhaus für Mädchen und suchte Frauen, die sich um die Waisenkinder kümmern konnten. „Aus diesen Frauen sind später die Pallottinerinnen geworden“, erklärt Schwester Dominica.

Der Orden, der 1895 in Limburg an der Lahn einen deutschen Zweig gründete, engagiert sich besonders für die Mission. In Nord-und Mittelamerika, in Afrika und Polen baute der Orden Schulen, Internate und Krankenhäuser. „Die Pallottinerinnen versuchten vor allem die Bildung von Kindern zu verbessern, ihnen das Lesen, Schreiben oder Nähen beizubringen“, erklärt Schwester Dominica, die selbst als Lehrerin auf Visitationsreisen etliche Länder bereist hat. Im Gepäck der ersten Missionsschwestern fanden sich nicht nur das Gebetbuch und erbauliche Lektüre, sondern auch Fibeln, Schnittmuster und Stoffe. Und im Frachtraum der Schiffe reisten – sorgsam in Kisten verpackt – schwere Nähmaschinen mit.

1890 übernahmen Pallottinerinnen das Missionsgebiet Kamerun, damals noch deutsche Kolonie. „Als wir kamen, gab es im ganzen Land genau fünf Christen“, sagt Schwester Reginata. Die Arbeit der ersten Jahre war hart und nicht ungefährlich. So wurden die Missionshäuser, wegen des Ungeziefers auf Pfählen errichtet, einmal Ziel eines Anschlags. „Weil ein kleiner Junge am Tag zuvor beim Haareschneiden verletzt worden war, versuchten die Eingeborenen, Rache zu nehmen, sägten die Pfähle an, um die Schwestern in die Tiefe stürzen zu lassen“, erzählt Schwester Dominica.

1835 Der Priester Vinzenz Pallotti gründet in Rom die Vereinigung des Katholischen Apostolats

1838 Gründung der Gemeinschaft der Pallottinerinnen, die ein Heim für Mädchen führen

1886 Die kirchliche Approbation wird erteilt

1890 Beginn der Missionierung in Kamerun

1895 Gründung des deutschen Zweigs der Pallottinerinnen in Limburg/Lahn

1934 Neugründung in Polen

1935 Neugründung in Refrath

1941 Die Wehrmacht beschlagnahmt das Mutterhaus in Limburg und nutzt es als Lazarett

1948 Missionsarbeit in Südafrika

1954 Bau des Altenheims St. Joseph in Refrath

1958 Einweihung des Vinzenz-Pallotti-Hospitals

1963 Heiligsprechung des Gründers Vinzenz Pallotti

1964 Die Missions-Pallottinerinnen werden eine Kongregation päpstlichen Rechtes

1977 Missionsaufgaben in Zentralafrika

1980 Gründung eine Niederlassung in Brasilien

1926 Die Pallottinerinnen lassen sich in der Schweiz nieder

1986 erste Niederlassung in Indien

1989 Gründung einer Niederlassung in der Ukraine

1991 Mission in Tansania

2003 Gründung der St. Vinzenz Pallotti Stiftung durch die deutschen Pallottinerinnen

20. Mai 2013 Feier zum 175-jährigen Bestehen, Pontifikalamt mit Weihbischof Manfred Melzer; , 10.30 Uhr, Kapelle (spe)

Dieser Anschlag konnte aber ebenso vereitelt werden wie der Plan eines Häuptlings, seinem Sohn eine Ordensschwester als Braut zu beschaffen. Schwester Sabina hatte, in Unkenntnis der Stammessprache stets freundlich „Yes, yes“, geantwortet, wenn sie mit den Einheimischen sprach, bis der Häuptling mit mehreren Kühen anrückte, um sie abzuholen. Nur durch die beherzte Intervention eines Pallottiner-Bruders konnte der Tauschhandel verhindert werden.

Die Schwestern in Bensberg lachen. Ihr Arbeitsalltag in der Klink sieht natürlich anders aus – leichter ist er nicht unbedingt. Vier Nächte hat Schwester Reginata wöchentlich immer noch Rufbereitschaft – mit 74 Jahren. Sie kümmert sich im Hospiz um Sterbende. Wenn sie gebraucht wird, wirft sie die graue Arbeitstracht über. Die strenge schwarze Sonntagstracht vermeidet sie: „Das macht vielen Angst.“ Obwohl die Schwestern inzwischen auch zivile Kleidung tragen dürfen, ist die Tracht im Krankenhaus ein wichtiges Erkennungsmerkmal: „Dann werde ich immer sofort angesprochen“, sagt Schwester Dominica und strahlt dabei so viel Güte aus, dass man ahnt, warum.

Mit der Zeit ist es still geworden im Schwesternhaus. Der Nachwuchs fehlt. In den vergangenen zehn Jahren trat nur eine Novizin ein. Gleichzeitig wünschen sich viele Patienten Krankenhäuser, die von Ordensschwestern geleitet werden. Diese können aus Altersgründen ihre Aufgaben nur noch begrenzt leisten, dies aber mit ganzem Herzen. „Wenn ich noch einmal wählen dürfte, würde ich morgen wieder antreten“, sagt Schwester Reginata. Und setzt nach kurzer Pause hinzu: „Nein, eigentlich heute schon.“ In anderen Gegenden der Welt ist ihr Lebensmodell noch gefragt. „Es tröstet mich“, sagt Schwester Nicola, „dass es in anderen Ländern weitergeht, zum Beispiel in Tansania oder in Indien.“

Vieles hat sich verändert, seit die Ordensfrau aus Belize unwissentlich die Weichen für das Leben eines kleinen Mädchens namens Annemarie stellte. Doch die Entscheidung des Kindes hat ein Leben lang getragen.