Drohende Schließungen in Rhein-BergPersonalmangel in der Gastronomie ist verheerend

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Claudius Vucina sucht für sein Lokal „Kaisersch Baach“ in Bergisch Gladbach dringend einen zweiten Koch.

Claudius Vucina sucht für sein Lokal „Kaisersch Baach“ in Bergisch Gladbach dringend einen zweiten Koch.

Rhein-Berg – Wenn nicht bald Verstärkung kommt, bleibt die Küche im Gasthaus „Kaisersch Baach“ in Bergisch Gladbach kalt. Große Sorge treibt den Inhaber Claudius Vucina um: „Unser Koch geht Ende Juli in den Urlaub. Schon vor der Corona-Pandemie haben wir einen zweiten Koch oder Köchin gesucht. Wenn wir kein Personal finden, werden wir den Betrieb mitten in der Sommerzeit für einige Wochen schließen müssen.“

Der Mangel an Fachkräften in Küche und Service des Gastgewerbes ist im Rheinisch-Bergischen Kreis eklatant. „80 Prozent der Betriebe im Kreisgebiet haben Probleme, richtig in die Saison zu starten“, weiß Udo Güldenberg, Kreisvorsitzender für Rhein-Berg des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga).

Großzügiges Gehalt und Prämie für neues Personal

Als Gastronom kann er die Not der Restaurantbetreiberinnen und -betreiber gut nachvollziehen. „Ich bin selbst ausgebildeter Koch, meine Familie unterstützt mich, wir konnten unsere festangestellten Kräfte während des Lockdowns halten – diese Situation haben viele meiner Kollegen nicht“, erläutert Güldenberg. Deshalb sucht Vucina Unterstützung für die Küche auf allen Kanälen.

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Er stehe mit der Arbeitsagentur in Verbindung, habe Anzeigen geschaltet, schreibe in den sozialen Medien, erzählt er. „Wir haben sogar eine Prämie ausgesetzt.“ Auch beim Gehalt sei er großzügig. Vucina ist klar, dass es für einen Koch allein viel Arbeit in seinem Lokal sei. „Wir haben einfach Angst, unseren einzigen Koch nun auch noch zu verlieren.“

Motiviertes Personal zu finden sei derzeit schwierig

Was der Verlust von guten Leuten in der Gastro-Branche bedeutet, hat auch Yvonne Stangier erfahren. Gemeinsam mit ihrem Ehemann André führt sie das Theatercafé im Bergischen Löwen in Bergisch Gladbach. „Meine rechte Hand im Betrieb arbeitet jetzt bei der Deutschen Bahn“, erklärt die Geschäftsfrau. Und diese Kollegin sei kein Einzelfall. Von acht festen Beschäftigten vor der Pandemie habe sie jetzt noch drei. „Das bedeutet, wenn wir das Catering übernehmen für eine große Veranstaltung, muss ich das Café zumachen.“

Vor allem im Service fehlen Yvonne Stangier die Fachkräfte: „Leute zu finden, die richtig Bock auf Gastro haben, ist sehr schwer.“ Dabei hinterfragt die Geschäftsfrau die oft erwähnte Work-Life-Balance. „Ist es wirklich gut, nur darauf zu gucken?“ Sie vermisst gerade bei jüngeren Menschen die Lust am Job.

Mehr Ruhetage durch Mangel an Personal

Rund 900 Köche, Restaurantleiterinnen, Kellner und Hotelangestellte haben innerhalb eines Jahres dem Gastgewerbe den Rücken gekehrt. Das ist fast jeder vierte Beschäftigte der Branche, stellt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fest. 3128 Frauen und Männer in Rhein-Berg haben nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit im Hotel- und Gaststättengewerbe zum Jahreswechsel gearbeitet. Mitte 2020 seien es noch 4027 Mitarbeitende gewesen.

Dass bei vielen durch den Personalmangel der alte Schwung fehlt, spürt auch Güldenberg: „Die Power durchzustarten ist nicht da. Ich persönlich mache im Gronauer Wirtshaus zurzeit einen zweiten Ruhetag. Sonst schaffe ich die anderen Arbeiten nicht.“

Kurzfristige Öffnungen im Gastrogewerbe nicht umsetzbar

Noch längst nicht alles „hochgefahren“ hat auch Kai Forschbach, Betreiber des „Wirtshaus am Bock“ in Bergisch Gladbach. In den Sälen des Wirtshauses laufe noch nichts. „Laut Corona-Schutzverordnung können Clubs und Diskotheken jetzt von heute auf morgen wieder öffnen. So kann man im Gastgewerbe aber nicht planen“, kritisiert der Unternehmer, der auch Wirtshäuser in Brühl und Hennef hat.

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Bei ihm sei die Personalsituation angespannt. „Wir müssen das mit Überstunden kompensieren, was natürlich kein Dauerzustand bleiben kann“, sagt Forschbach. 16 Festangestellte in Voll- und in Teilzeit habe er durch Kurzarbeit während der Pandemie halten können. Forschbach: „Die Minijobber und Aushilfen sind weg. Da wollen wir wieder einen festen Stamm aufbauen.“ Doch das sei nicht die Lösung auf die Frage: Wie geht es im Herbst und Winter weiter? „Keiner kann uns sagen, ob die Karnevalssession starten kann. Oder wie es mit den Feierlichkeiten in der Weihnachtszeit aussieht“, sagt Forschbach. „So wie in 2019 wird es bestimmt nicht.“

Das befürchtet auch Udo Güldenberg. Zumal im Nachbarland Niederlande die Clubszene gerade wieder schließt. „Alle Gastronomen haben Angst, wie es mit den Auflagen weitergeht und wie sich die Pandemie entwickelt. Wir brauchen eine Perspektive für konstante Öffnung.“ So lange diese fehlt, scheuen viele Arbeitnehmer die Rückkehr.

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