Aufräumarbeiten beginnenChaos in Hoffnungsthal – Helfer schildern dramatische Szenen

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Aufräumarbeiten Hoffnungsthal 190721

Die Hauptstraße in Hoffnungsthal ist gesäumt von Müllbergen. 

Rösrath – Müll, wohin das Auge blickt. An den Straßenrändern, vor den Häusern. Parkplätze, die gibt es so gut wie nicht mehr. Der Geruch ist, sagen wir, speziell.

Der Rekordwasserstand von 4,02 Metern (24 Stunden vorher betrug der Stand nur 77 Zentimeter) ist längst wieder weg, nachdem die Sülzflut über Hoffnungsthal gekommen war. Doch der Müll ist noch da. Jetzt erst recht. Die Stadtwerke Rösrath sind mit Mann und Maus und Lastwagen und Baggern im Einsatz, um den Sperrmüll abzutransportieren. Containerdienste haben eine Sondernutzungserlaubnis für die gesamte Stadt.

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Das Hochwasser am 14. Juli 2021 war ein historisches Hochwasser. Dimensionen und Schäden werden erst langsam deutlich und klar. Dabei ist – mit Blick auf andere Regionen Westdeutschlands – der Rheinisch-Bergische Kreis vergleichsweise glimpflich davon gekommen. Das ändert nichts daran, dass Familien auch bei uns sehr hart getroffen wurden.

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Unterdessen kämpft die Stadtverwaltung weiter damit, dass sie selbst geflutet und damit weitgehend lahmgelegt ist. In einem Pressegespräch im Bürgerforum Hoffnungsthal geben Bürgermeisterin Bondina Schulze, ihr Vertreter Ulrich Kowalewski und Feuerwehrchef Bastian Eltner einen Überblick.

Aufräumarbeiten Hoffnungsthal Schulze 190721

Bürgermeisterin Bondina Schulze mit Vize Ulrich Kowalewski.

„Am Mittwochnachmittag um 14 Uhr haben wir die ersten Absprachen getroffen. So, wie es der Hochwassereinsatzplan der Stadt Rösrath vorsieht“, sagt Eltner. „Wir haben uns auf die Hochwässer vorbereitet, die man hätte vorbereiten können. Aber im Laufe des Abends stieg die Sülz auf Pegel, auf die sich keiner vorbereiten konnte. “

Pegel, auf die sich keiner vorbereiten konnte

Die Dramatik der Nacht deutet Eltner an, als er über den Todesfall spricht, den die Wehr nicht verhindern kann. Ein Mann, der quasi unter den Augen der Helfer im Keller seines Hauses ertrinkt. Feuerwehrleute, nicht ausgebildet als Taucher, versuchen unter Atemschutz, zu ihm gelangen und ihn zu befreien, während das Wasser rasant immer weiter ansteigt. Vergeblich. Die Kameraden werden jetzt psychologisch betreut.

Es gibt weitere dramatische Szenen. Mehr als 120 Bewohner des Wöllner-Stiftes werden evakuiert und mit drei Bussen in das Geno-Hotel gefahren. Feuerwehrleute tragen Senioren durch das Wasser. Das Gebäude mit Sandsäcken und Pumpen zu „verteidigen“, habe leider nicht funktioniert. Die Stadtverwaltung bringt in einer Notunterkunft am Sandweg hundert Personen unter.

Rathaus und Bürgerforum überspült

Das Rote Kreuz kümmert sich um die Versorgung. Die Freiwillige Feuerwehr übernimmt in dieser Julinacht nur noch Einsätze, bei denen Menschen unmittelbar in Gefahr sind, ABC-Gefahrstoffe auszutreten drohen oder – der Klassiker – bei denen es brennt. Erst nach einer Ruhepause für die rund 60 Freiwilligen beginnen am nächsten Tag die Aufräumarbeiten.

Unter Extrembedingungen arbeitet neben der Feuerwehr auch die Stadtverwaltung: Sowohl das historische Rathaus von 1865 als auch das Bürgerforum gegenüber sind „abgesoffen“, strom- und internetlos. Dank einer Privatfirma gelingt es, auf deren Gelände wenigstens vier Arbeitsplätze einzurichten, damit die Stadt wieder erreichbar ist. Der Krisenstab tagt im alten Feuerwehrgerätehaus in Forsbach.

Solidarität der Bürgerinnen und Bürger beeindruckend

Brücken müssen kontrolliert werden, ob sie noch sicher sind. Straßen NRW und die Stadt übernehmen das. Die Straßen sind teilweise zugeparkt. Andere Autofahrer kümmern sich nicht um Absperrungen, fahren einfach daran vorbei, wie Schulze weiter berichtet. Der Stab arbeitet in zwei Schichten insgesamt zwölf Stunden am Tag, Schulze und Kowalewski wechseln sich bei der Leitung ab. „Wir sind beide viel in der Stadt unterwegs gewesen“, sagt die grüne Bürgermeisterin, „alleine und zusammen.“

Die „Solidarität der Bürger, die gegenseitige Hilfe hat mich tief beeindruckt“. Als sie über die für immer verlorenen fotografischen Erinnerungen vieler Menschen spricht, merkt man, wie nahe ihr die Ereignisse gehen. Der Feuerwehrchef ergänzt, dass es in „Zeiten des Kräftemangels“ - Hilfe von Nachbarfeuerwehren gab es für Rösrath zunächst nicht, weil alle Wehren gefordert waren – Bürger gegeben habe, die sich eingereiht und mitgeholfen hätten. „Danke dafür!“ Auch Polizeibeamte hätten weit mehr als ihren Auftrag erledigt.

Strom fast überall wieder hergestellt

Schulze spricht von den Nachbarn, die einem 80-jährigen Mitbürger beim Ausräumen des Kellers helfen. Und von dem Unternehmer, der geladene Powerbanks (Akkus) verteilt, damit die Hochwassergeschädigten ihre Handys nutzen können. Der Lohmarer Stadtarchivar wiederum hilft der Stadt Rösrath, durchnässte Unterlagen zu sichern, damit sie in Troisdorf weiterbehandelt werden können. Im historischen Rathaus soll ein Mitarbeiter übernachten, damit der Stromgenerator auch über Nacht laufen kann.

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Am Montagvormittag fließt der Strom im Prinzip überall. Nur noch eins statt fünf Notstromaggregate ist laut Stadtwerke-Chef Ralph Hausmann noch in Betrieb. Am Montag um 17 Uhr meldet Hausmann: Der Strom ist netzseitig wieder komplett da.“ Die Stadtwerke haben die letzten Tage bis zu 15 Monteure losgeschickt.

Verstärkt unterwegs ist auch die Polizei. Die Gladbacher Behörde wird verstärkt durch Bereitschaftspolizei, die nicht nur den Verkehr regelt, sondern auch potenzielle Kriminelle abschreckt. Plünderungen? Polizeisprecher Christian Tholl antwortet kurz und präzise: „Hatten wir noch nicht. Wollen wir aber auch nicht.“

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