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Knallgeräusche„Präventionsmaßnahme“ der DB frustriert die Nachbarn der Schienen in Bergheim

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Das Bild zeigt Schienen einer Bahn, im Hintergrund sind Büsche und Bäume zu sehen

Die Bahn hat die Schienen aufgetrennt, um im Sommer wegen der Hitze Schäden zu vermeiden.

Friedel Reinartz lebt seit seiner Geburt als Nachbar der Schienen in Kenten. Eine Präventionsmaßnahme sorgt nun vermehrt für Lärm.

Eigentlich ist Friedel Reinartz ein Zugfreund. Der 72-Jährige lebt seit seiner Geburt in direkter Nachbarschaft zu Schienen, wie er erzählt. Von seinem Wohnzimmer in Kenten aus kann er sehen, wie Züge direkt hinter seinem Garten in Richtung Bedburg oder in Richtung Köln fahren.

Das Bild zeigt den Garten, hinter der Mauer sieht man den roten Zug zwischen Büschen entlangfahren.

Von seinem Garten aus sieht Friedel Reinartz den Zug, der zwischen Bedburg und Köln fährt.

Für Reinartz war das lange kein Problem. Zumindest bis zu diesem Sommer: Dann hat die Deutsche Bahn an zwei Stellen die Schienen aufgetrennt. Etwa drei bis vier Zentimeter große Lücken klaffen da, eine Apparatur hält die Schienen zusammen. Sobald der Zug über den Bereich fährt, sacken die Schienen leicht ein und lassen Donnerschläge ertönen, wenn die Räder aufsetzen.

Bergheim: Anwohner sprechen von explosionsartigen Geräuschen

„Jetzt haben wir hier richtige Explosionen“, sagt Reinartz. Alle dreißig Minuten kommen zwei Züge, insgesamt sind es vier Züge pro Stunde. „Wenn die schnell vorbeifahren, wackeln sogar die Schränke“, sagt der 72-Jährige. „Im Garten kann ich mich gar nicht mehr aufhalten.“

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Das Bild zeigt die beiden Anwohner. Sie stehen neben dem Gleisbett, hinter ihnen eine Reihe von Bäumen.

Friedel Reinartz (l.) und Aydin Gökce empfinden den neuen Lärm als belästigend.

Auch Aydin Gökce wohnt neben dem Bahnstreckenabschnitt. Der 39-Jährige arbeitet als Garten- und Landschaftsbauer und bestätigt die Eindrücke von Friedel Reinartz. „Empfindlich sind wir ja nicht, Friedel“, sagt Gökce. „Aber das ist schon belästigend.“ Er habe sein Büro unten im Haus. Wenn die Bahn vorbeifährt, gehe sogar die Smartwatch (eine intelligente, elektronische Armbanduhr) seiner Frau wegen der Vibrationen an.

Deutsche Bahn trennte die Schienen als Vorsichtsmaßnahme auf

Das Anliegen der Anwohner sind der Bahn bekannt, wie die DB InfraGO auf Anfrage bestätigt. Der Grund für die Auftrennung der Schienen sei eine Präventionsmaßnahme, wenn es im Sommer zu hohen Temperaturen kommt und sich die Gleisbereiche mit Schotterbett und Schienen deutlich stärker aufheizen als die Umgebung.

„Um zu vermeiden, dass durch eine zu starke Ausdehnung Schäden an der Infrastruktur entstehen, hat die DB die Schienen im Bereich des Bahnübergangs fachgerecht aufgetrennt“, so die Pressestelle der DB. Diese Maßnahme werde gezielt dort eingesetzt, wo eine besonders hohe Ausdehnung zu erwarten sei oder es die Bauweise der Schienen erforderte.

CDU-Fraktion kritisiert Maßnahmen der DB als unsachgerecht

Die CDU-Fraktion in Bergheim, die von den Anwohnern auf das Problem aufmerksam gemacht wurde, sieht die Maßnahme dagegen nicht als fachgerecht an. „Es erschließt sich uns nicht, weshalb gleich zwei Trennfugen mit einer Länge von 30 bis 40 Millimetern geschaffen wurden. Nach unserer Auffassung hätte es völlig ausgereicht, zwei Schnitte mit einer Stärke von ein bis zwei Zentimetern vorzunehmen“, so die Fraktion in einer Stellungnahme an DB InfraGO.

Das Bild zeigt das Gleisbett in Kenten.

Gleisbereiche mit Schotterbett und Schienen heizen sich im Sommer stärker auf als die Umgebung.

„Die beschriebenen großen Abstände bei beiden Schienenprofilen führen zu den überaus störenden ‚Knallgeräuschen‘ durch das Einsenken der Radreifen. Diese in der Lautstärke und in der Tonhaltigkeit überaus störenden Immissionen führen nicht nur zu erheblichen Beeinträchtigungen der Anwohner, sondern möglicherweise auch zu Schäden an den benachbarten Gebäuden.“

Antiquierte Lösung für das Problem bei Hitze

Auch Friedel Reinartz spricht von entstandenen Schäden an seinem Haus. Ihn und Aydin Gökce frustrieren aber auch Versäumnisse bei der Instandhaltung der Strecken. „Die Leute, die hier arbeiten, kenne ich schon fast persönlich. Die sind hier immer am Basteln“, sagt Reinartz. Er zeigt auch achtlos liegengelassene Schienen, die irgendwann ausgewechselt wurden und nun ihr Dasein neben der Strecke im Gras fristen. Aydin Gökce weist zudem auf modernere Lösungen für Lärmschutz. 

Das Bild zeigt zwei Schienen im Gras neben dem Gleisbett.

Ausgewechselte Schienen liegen laut Friedel Reinartz schon lange neben dem Gleisbett und werden nicht entsorgt.

Das meint auch die CDU-Fraktion: „Nach unserer Kenntnis bedarf es im zeitgemäßen Gleisbau keiner Schienenstöße/Trennfugen mehr. Bei den geschweißten Schienenprofilen werden erhöhte Temperaturen über Profile, Schwellen und Gleiskörper sicher abgeleitet“, so die Partei in der Stellungnahme an die DB. „Hinter all dem steht wahrscheinlich, dass da keine müde Mark vor dem S-Bahn-Ausbau investiert wird“, meint CDU-Politiker Helmut Paul. Dieser werde aber wohl noch Jahre auf sich warten lassen. 

Deutsche Bahn will Schienen Ende September zusammenschweißen

Auf Anfrage erklärte die Pressestelle der DB, dass grundsätzlich regelmäßige Inspektionen an der Infrastruktur stattfinden. „Wenn sich daraus Instandhaltungsarbeiten ergeben, priorisieren, planen und führen die Fachleute der DB die notwendigen Arbeiten nach geltenden Regeln aus.“ Auf die Frage, wann zuletzt im betreffenden Bereich Mittel investiert oder Verbesserungen durchgeführt wurden, antwortete die Pressestelle der Bahn nicht. 

Die Leidenszeit von Aydin Gökce und Friedel Reinartz könnte schon bald zu Ende gehen: Die Bahn plant, Ende September die Schienen wieder zusammenzuschweißen. Vielleicht kehrt dann bei den Nachbarn der Schienen etwas Ruhe ein. Zumindest bis zum nächsten Sommer. Helmut Paul sagt: „Wenn die jetzt aneinandergeschweißt werden, kann nächstes Jahr wieder dasselbe passieren.“