Interview„Unserem Anliegen geholfen“

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Antje Grothus aus Kerpen-Buir ist Fachjournalistin und unterstützt das Team der Buirer für Buir ehrenamtlich im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Antje Grothus aus Kerpen-Buir ist Fachjournalistin und unterstützt das Team der Buirer für Buir ehrenamtlich im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Rhein-Erft-Kreis – Wie bewerten Sie die Aktion der Waldbesetzer im Hambacher Forst?

Antje Grothus: Die Waldbesetzer sind von vielen Menschen aus der Region unterstützt worden, mit Baumaterialien und Werkzeugen, Kleidung und Essen. Im Waldcamp habe ich oft Besucher getroffen, die sich nicht in einer Bürgerinitiative engagieren würden. Viele Menschen, die nicht unbedingt zum Spektrum der RWE-kritischen Bürger gehören, waren das erste Mal seit langer Zeit wieder bewusst im Wald und haben sich, auch durch viele Gespräche mit den Waldbesetzer mit dieser einschneidenden Situation tiefer beschäftigt. Dies wäre uns als Initiative so nie gelungen. Uns Buirern haben Sie unseren Wald wieder näher gebracht. Nun ist vorerst niemand mehr da, der uns hilft die Bagger aufzuhalten. Daher sind wir dankbar für das Engagement der Waldbesetzer.

Ist der Kampf gegen die Braunkohle in dieser Art legitim?

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Antje Grothus (48) hat drei Töchter und lebt in Kerpen-Buir. Sie gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Initiative „Buirer für Buir“. Die als Fachjournalistin in den Bereichen Ernährung, Umwelt und Energie tätig. (rj)

Grothus: Unser Dorf ist zum einem durch seine Randlage zum näher rückenden Tagebau Hambach besonderen natur- und umweltschädigenden Belastungen ausgesetzt, zum anderen durch die ebenfalls tagebaubedingte Verlegung der Hambach- und Autobahn 4 an den unmittelbaren Ortsrand. Wir haben uns fachlich informiert, demonstriert und durch kreative Aktionen versucht, auf uns aufmerksam zu machen. Doch erst die Klimacamps in den letzten beiden Jahren und die Waldbesetzung haben dafür gesorgt, dass eine breite und überregionale Öffentlichkeit genauer hinschaut, was die RWE Power AG hier in der Region anrichtet. Dass in unserem Jahrtausend in Deutschland ein Energiekonzern zur Energiegewinnung noch einen so wertvollen alten Wald abholzen darf ist ein Skandal. Wenn wir also legitim mit „vertretbar“ oder „moralisch begründet“ übersetzen, dann ist der Widerstand gegen die Braunkohle sehr wohl legitim.

Wie bewerten Sie ganz konkret das Verhalten des Aktivisten? Kann man das denn noch bürgerlichen Ungehorsam nennen?

Grothus: Die Grubenwehr Herne soll laut Medienberichten gegenüber der Staatsanwaltschaft ausgesagt haben, dass der Aktivist bei seiner Flucht aus der Kammer in den Schacht die Stützstempel nicht weggetreten hat. Man sieht also, dass man jetzt ganz genau die Ermittlungen abwarten muss, um den Fall differenziert bewerten zu können. Ich war selbst dabei, als der Polizeisprecher gesagt hat, der Aktivist hätte die Stempel weggetreten. Ich frage mich jetzt, ob das eine Fehlkommunikation oder eine gezielte Aktion war, um den Aktivisten in Misskredit zu bringen. Bevor ich mir dazu eine Meinung bilde, möchte ich auch einmal persönlich mit dem Aktivisten sprechen.

Aber es wurden auch rechtliche Grenzen überschritten.

Grothus: Uns war und ist bewusst, dass durch Aktionen des zivilen Ungehorsams Grenzen verletzt werden können, manchmal auch gesetzliche. Doch solche Grenzüberschreitungen waren schon immer wichtige Faktoren des sozialen Wandels und damit des gesellschaftlichen Fortschritts. Uns persönlich ist viel stärker bewusst geworden, dass wir mit unseren Anliegen nicht nur isoliert Buirer oder eigene Interessen vertreten. Wir sind mehr und mehr Teil einer Gesellschaft, die Fragen stellt und nicht zufrieden ist mit ausweichenden Antworten. Wir wollen Veränderung, Glaubwürdigkeit, Transparenz. Wir wollen, dass unsere Vorstellungen gehört und berücksichtigt werden. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung, ob Beschlüsse, Pläne und Gesetze, die vor Jahrzehnten getroffen wurden, noch richtig sind.

Haben die Aktionen Ihrem Anliegen eher genützt oder geschadet?

Grothus: Mit einfachen Botschaften wie „Wald statt Kohle“ oder „Bäume statt Bagger“ haben die Waldschützer unseren Anliegen in vielfacher Weise geholfen. Geholfen hat uns die große Sympathie der Bevölkerung für die Waldbesetzer und die damit verbundene Auseinandersetzung. Geholfen hat uns die Plattform, die mitten im Wald entstanden ist und viele Initiativen und Menschen zusammengebracht hat.

Wie geht der Kampf gegen die Braunkohle jetzt weiter?

Grothus: Wir werden die Vernetzung aller braunkohlekritischen Initiativen rund um die Tagebaue, von Umweltverbänden und Kampagnen weiter optimieren. Aber es braucht neben mutigen und entschlossenen Aktivisten auch politisch Aktive, die sich für die Abschaffung des antiquierten Bergrechts einsetzen. Wir sehen es als unsere Bürgerpflicht, dass die durch die Braunkohlegewinnung und -verstromung regional und weltweit verursachten Probleme publik werden. Das Gespräch führte Ralph Jansen

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