In Windeck ist Busfahren bei den Menschen beliebt. Fahrer und Fahrgäste kennen sich, die Stimmung ist freundlich. Eine Reportage.
Stressfreies FahrenReportage in Windeck – Ausgebautes Busnetz bei Gästen und Fahrern beliebt

Windecker Linienbusnetz John Donsu begrüßt an einem Am Engpass am Ortsausgang von Alsen begrüßt John Donsu seinen Kollegen (gerne Name eintragen)
Copyright: Sylvia Schmidt
Im August 2023 wurde das Windecker Busnetz umgestaltet, Schulbus- und Linienverkehr wurden zusammengelegt und deutlich ausgebaut. Ewald Baum, ÖPNV-Fachmann der Mobilitätsgruppe in der Klimainitiative Windeck, war drei Monate lang als Fahrgastzähler für die RSVG auf den sieben neuen Windecker Linien unterwegs.
„Die Verkehrswende für den Busbetrieb auf dem Land ist genial geplant“, sagt er bewundernd. „Alle Ortschaften über 200 Einwohner werden angefahren. Es ist eine überaus freundliche Atmosphäre in den Bussen. Die Busfahrer werden gegrüßt, Fahrgäste bedanken sich. Viele Busfahrer fahren auch deshalb am liebsten in Windeck.“
Alle Ortschaften über 200 Einwohner werden von Bussen angefahren
Na, dann fahre ich doch selbst mal mit, beschließe ich als Zeitungsreporterin. Ewald Baum begleitet mich. Heute fahren wir mit einem der drei Kleinbusse, Dieter Niederhausen sitzt am Steuer. Seine „zweite Karriere“ begann, nachdem er als Schulamtsleiter der Gemeinde in den Ruhestand gegangen war. „Kannst du nicht helfen?“, hatte Guido Oettershagen ihn gebeten. „Geplant war ein Tag in der Woche, ich machte den Personenbeförderungsschein und die ärztliche Untersuchung. Heute fahre ich zwei oder drei Tage die Woche“, erzählt Niederhausen. „Mir gibt es Erfüllung, ich komme bestens mit allen zurecht.“
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Wir stehen am Hauptknotenpunkt Bahnhof Rosbach, hier starten zur vollen Stunde die Busse aller sieben Windecker Linien. Ein weiterer Knotenpunkt ist zur halben Stunde der Bahnhof Herchen, damit man auf andere Linien oder die Bahn umsteigen kann. „Die ist leider nicht immer pünktlich. Wir dürfen nicht lange warten, weil unser komplettes System aus dem Takt kommen würde. Wir haben ein Leitsystem mit Steuerung in den Bussen, deshalb sind wir außerordentlich pünktlich“, erläutert Niederhausen.
Der Bus ist genauso schnell wie das Auto, die Fahrer sind megafreundlich.
Punkt 12 Uhr, wir fahren die Grundschule in Obernau an. Kein Kind wartet, es scheint ein langer Schultag zu sein. Weiter geht es über Loch zur Wendestelle in Distelshausen. Ein großer Bus hätte hier keine Chance zur Umkehr. In Hurst steigen Christian und Natalia zu, die mit dem Bus zur Arbeit fahren. „Der ist genauso schnell wie das Auto, die Fahrer sind megafreundlich“, berichtet Natalia. „Wenn jemand zum Bus läuft, wird nicht durchgefahren, sondern angehalten.“ Ibrahim, der ebenso wie die anderen beiden nur den Vornamen nennen möchte nutzt den Bus täglich, um zum Sprachkurs zu fahren.
Dieter Niederhausen fährt besonders gern Hurst an, wo er lange gewohnt hat. Um 6.30 Uhr hat sein Tag begonnen, dann holt er entlang der Strecke Schüler ab, die mit dem Zug weiterfahren. „Bevor der Schülerverkehr integriert wurde, haben die Schulen gezählt, wer wohin muss. Das ist alles in die Planung eingeflossen. Das Schöne ist, die Schüler können kommen, wann sie wollen, es gibt nie lange Wartezeiten“, erläutert er.
Digitale Anzeigen für Haltestellen in Windeck sind zum Teil beantragt
Schon sind wir in Rosbach. In Trauben stehen Schüler beisammen, ein Bus nach dem anderen rollt vor. Unsere nächste Station ist die Grundschule in Schladern, wo wir Gierzhagener Kinder abholen. Als die Tür sich öffnet, hält das pralle Leben Einzug. „Dieter ist lieb“, johlen sie zur Begrüßung.

Windecker Linienbusnetz Der ehemalige Schulamtsleiter der Gemeinde Dieter Niederhausen und Ewald Baum, ÖPNV-Fachmann der Mobilitätsgruppe der Klimainitiative Windeck
Copyright: Sylvia Schmidt
Niederhausen fährt außerordentlich vorsichtig und sagt zum Abschluss meiner Mitfahrt: „Windeck ist perfekt ausgebaut, ideal wären digitale Anzeigen an den 60 bis 70 Haltestellen. Zum Teil sind sie schon beantragt.“ Ewald Baum, der auch als Haltestellen-Pate nach dem Rechten sieht, vermutet, es werde ein paar Jahre dauern, bis die Verkehrswende mit diesem außerordentlichen Busangebot sich richtig durchsetze.
Am nächsten Tag erwartet mich John Donsu zur Fahrt mit dem großen Bus. Ich bin gespannt, wer sich hinter dem Namen verbirgt, er soll neun Sprachen sprechen. Da steht die Linie 548, er winkt. Es wird eine freudige Begrüßung. John Donsu kam einst aus Indonesien zum Medizinstudium nach Deutschland. Als er zwei kleine Töchter bekam, musste er Geld verdienen. Jetzt fährt er seit mehr als drei Jahrzehnten Bus. „Ich bin zehn Jahre lang als Reisebusfahrer überall in Europa gewesen. Danach bin ich in Köln Schul- und Linienbus gefahren.“ Vor sechs Jahren kaufte er ein Haus in Windeck und fährt seither für die Firma Oettershagen.
Busfahrer in Windeck kennt die Fahrgäste und ihre Geschichten
Die Fahrgäste sind eingestiegen. Neben mir hat Anke Besser, begeisterte Busfahrerin, Platz genommen. „Obwohl ich ein Auto habe, fahre ich oft aus Kosten- und Klimaschutzgründen mit dem Bus. Ich habe ein Deutschlandticket und arbeite in Eitorf. Es wäre blöd, das nicht zu nutzen“, findet sie. John Donsu kennt viele Fahrgäste und ihre Geschichten. Er berichtet von einer über 90-Jährigen, die bei der Fahrt immer vorn sitze und einwandfrei Gedichte aufsage. „Ich habe versprochen, dass wir zu ihrem 100. Geburtstag eine gemeinsame Fahrt machen.“
Donsu liebt seinen Beruf, und er liebt es, auf dem Land zu fahren. Ewald Baum bestätigt aus den Gesprächen mit den Fahrern, dass vielen die abwechslungsreiche Streckenführung und das stressfreie Fahren im Vergleich zu urbanen Bereichen gefalle. Es gebe kaum Konflikte mit Fahrgästen, viele seien den Busfahrern persönlich bekannt und umgekehrt. Das Betriebsklima bei Oettershagen werde gelobt.
In Herchen steigt ein junger Mann zu. Frederik Kreymborg erzählt, dass er Busse liebe und seit zehn Jahren überwiegend Richtung Obere Sieg fahre. „Das ist meine Heimat, dort ist es gemütlicher. Ein nettes Lächeln, Kinder winken, man trifft sich zufällig mit Leuten, mit denen man ins Gespräch kommt.“

Windecker Linienbusnetz Fahrgast Frederik Kreymborg liebt Busse und fährt regelmäßig
Copyright: Sylvia Schmidt
Wir sind mittlerweile in Obernau, wo gerade eine Baustelle die Durchfahrt schwierig macht. Souverän lenkt John Donsu seinen „Fahruntersatz“, öffnet das Fenster und ruft zum Bauarbeiter: „Ist alles gut, mein Freund!“ Kein Wunder, dass der Chef damals Donsu fünf Tage die Woche fahren lassen wollte.
Wir sind in Rosbach angekommen. Es waren zwei wunderschöne Fahrten mit Dieter Niederhausen und John Donsu über Land. Donsu lädt mich ein, bei der Fahrt zum 100. Geburtstag des wahrscheinlich ältesten weiblichen ÖPNV-Fahrgastes in der Gemeinde mitzufahren. Ich wäre bereit!
Die Nahverkehrsplanung in Windeck ist unter Projektleitung von Dr. Christoph Groneck vom Rhein-Sieg-Kreis in Zusammenarbeit mit dem aus Windeck stammendem damaligen RSVG-Planer Torben Sasse entwickelt worden. Im Auftrag der RSVG fährt das Windecker Busunternehmen Oettershagen die Busse. (sys)