Trockene Talsperren in NRWWird bald unser Trinkwasser knapp?

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Biggesee IMAGO

Niedrigwasser am Biggesee

  • Endlich gab es wieder ein wenig Niederschlag. Doch nach zehn Monaten Trockenheit brauchen die Talsperren noch viel mehr Wasser.
  • Die Folgen der Trockenheit sind gravierend. Geht uns bald das Trinkwasser aus?

Seit zehn Monaten hat es in Nordrhein-Westfalen kaum geregnet. Wetterprognosen sagen endlich Niederschläge voraus. Nördlich des Mains aber bleibt es meist sonnig. Damit setzt sich die Tendenz der vergangenen Jahre fort: Es wird trockener. Auch wenn es jetzt ein wenig geregnet hat, nach Einschätzung von Trinkwasser-, Fischerei- und Umweltverbänden sind die Folgen der Trockenheit gravierend: Einer der größten Wasserspeicher des Landes, der Möhnesee, kann nur noch für rund 35 Tage Wasser an die Ruhr abgeben, aus der auch das Trinkwasser vieler Ruhrgebietsstädte wie Dortmund, Essen und Mülheim aufbereitet wird.

„Die Talsperren im Land stellen also eine bedeutende Grundlage für die öffentliche Trinkwasserversorgung in NRW dar“, so das NRW-Umeltministerium. In vielen Teilen des Landes sinken auch die Grundwasserpegel seit Jahren. In den Mittelgebirgen sind viele Bäche und Teiche ausgetrocknet, Kleinstlebewesen und Fischbestände vernichtet. Hier einige Antworten auf drängende Fragen: 

Wie sieht es in den Talsperren aus?

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Die Möhnetalsperre liegt derzeit ebenso wie Sorpe- und Hennetalsperre bei rund 33 Prozent ihrer maximalen Füllmenge. „Wenn es nicht regnet, reichen bei unveränderter Wasserabgabe die Vorräte an der Möhnetalsperre noch rund 35 Tage bis eine aus ökologischen Gründen grob angesetzte Untergrenze von 25 Prozent unterschritten würde“, erklärt Ludger Harder, Betriebsleiterder Möhnetalsperre. Die Edertalsperre, die allein für die Regulierung der Weser genutzt wird, hat noch einen Füllstand von neun bis zehn Prozent.

Agger- und Wupperverband melden unter anderem für Deutschlands zweitgrößte Trinkwassertalsperre, die Große Dhünn-Talsperre, „mittlere Füllwerte“. Die Talsperren sind nur ein Baustein der NRW-Trinkwasserversorgung. Alle Wasserverbände betonen, es gebe keinen Grund zur Sorge. Es gebe nach wie vor ausreichende Wasservorräte, betont Aggerverband-Vorstand Lothar Scheuer.

Wie viele Talsperren gibt es in NRW?

NRW ist ein Wasser- und Gewässerreiches Land. Es gibt 76 Talsperren, überwiegend im Sauerland, Siegerland-Wittgenstein, Bergisches Land und Eifel. Die Rurtalsperre Schwammenauel ist die größte, es folgen Biggetalsperre und Möhnetalsperre auf den Plätzen zwei und drei. Nur ein Teil der Stauwasser dient der direkten Trinkwassergewinnung , ein anderer der Hochwasser- und Flussregulierung oder der Stromerzeugung. Rein statistisch, so der Ruhrverband, könnte die Wasserversorgung durch ihre Talsperren – auch im Klimawandel – nur einmal in 200 Jahren versagen. Talsperren seien generell auf zwei trockene Jahre ausgelegt.

Talsperren

Ein Blick über einen Teil der Okertalsperre (Oderstausee) mit seiner Staumauer im Harz. Der Wasserspiegel liegt viele Meter unter dem Normalstand. (Symbolbild)

Wann füllen sich die Talsperren auf?

Die Füllphase liegt zwischen Oktober und April. Doch in Oktober und November blieb der regen aus. 2018 fielen im Landesschnitt rund 480 Liter Regen pro Quadratmeter – im bislang trockensten Jahr 1959 waren es 550 Liter. Regnet es auch im Dezember nicht, wird 2018 das trockenste Jahr seit Messbeginn. Die Harzwasserwerke, größter Wasserversorger Niedersachsens, bereitet sich auf ein Doppeltrockenjahr vor und prüfen, welche Trinkwasserreserven noch im UNESCO-Weltkulturerbe Oberharz zur Verfügung stehen. „Was passiert, wenn die Trockenphase im nächsten Jahr anhält, kann sich jeder selbst ausmalen. In der Tendenz ist das eine sehr bedenkliche Entwicklung“, so Ludger Hader vom Ruhrverband. Sollte es trocken bleiben, schätzt Paul Kröfges, Wasserspezialist des BUND, werde es Sparmaßnahmen in den aus Talsperren versorgten Gebieten geben müssen. „Derzeit sind keine zusätzlichen regulatorischen Maßnahmen vorgesehen“, so das NRW-Umweltministerium.

Wie kommt es zu den Niedrigständen?

Prognosen sagen, dass die Winter deutlich feuchter, die Sommer deutlich trockener, die Gesamtniederschlagsmenge sich eher erhöhen werden. Aber sie werden – auch im Sauerland – in Starkregen niederkommen, von denen die Stauseen nur bedingt profitieren.

Wie reagieren die Wasserverbände auf die niedrigen Pegelstände?

Der Ruhrverband verständigt sich derzeit – so wie der Aggerverband und der Wupperverband – mit dem NRW-Umweltministerium bzw. den Bezirksregierungen über die Reduzierung der Wasserabgabe aus den Talsperren . Für den Verbraucher habe das keine Konsequenzen. „Wir müssen unsere derzeitigen Wasserinhalte in den Talsperren konservieren“, so Ludger Harder. Man wolle die Auslässe flexibler handhaben. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) warnt indes vor den Folgen für die Flüsse, die partiell trockenfallen könnten. Das hätte auch Folgen für die Belastungen durch Abwässer aus anliegende Klärwerken. Die Kölner Rheinenergie verbindet derzeit die links- und rechtsrheinische Trinkwasserversorgung. Geplant ist auch ein „Rheinischer Wasserverbund“, der die Ressourcen aus Wahnbach-, Aggerverband und Rheinenergie vernetzen soll, um einander mit Wasser auszuhelfen.

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Woher kommt das NRW-Trinkwasser?

Mehr als zwei Drittel (813 Millionen Kubikmeter) werden aus Grundwasser und angereichertem Grundwasser gewonnen. Es folgen See- und Talsperrenwasser (185 Millionen Kubikmeter) sowie Uferfiltrat (146 Millionen Kubikmeter). Quell- (23 Millionen Kubikmeter) und Flusswasser (12 Millionen Kubikmeter) spielen bei der Trinkwassergewinnung in NRW eine untergeordnete Rolle, so das Statistische Landesamt.

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Das Kölner Trinkwasser stammt zu 100 Prozent aus Grundwasservorkommen der Kölner Bucht, so die Rheinenergie. Insofern könne Köln mühelos mehrere trockene Sommer überstehen, ohne negative Folgen für die Trinkwasserversorgung. „Da wir kein Oberflächenwasser fürs Trinkwasser nutzen, haben dessen Wasserstände und -Mengen auf unsere Trinkwasserversorgung keinen Einfluss.“ Doch von der Trockenheit sind vielerorts in NRW auch die Grundwasservorkommen betroffen. Von 29 Grundwasser-Messstellen in NRW zeigen 21 einen signifikant fallenden Trend, so das Landesumweltamt.

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