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Kommentar zur Corona-PolitikScholz muss die Koalition und die Gesellschaft kitten

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Bundeskanzler Olaf Scholz hat einen schwierigen Amtsstart.

Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz sagt, Corona habe die Gesellschaft nicht gespalten. Das stimmt insofern, wenn er einen Riss mitten durch die Mitte meint. Die gut 58 Millionen zweifach Geimpften sind die große Mehrheit. Sie lassen sich impfen und boostern und werden auch die neuen Kontaktbeschränkungen, die Bund und Länder an diesem Dienstag beschließen werden, wieder mittragen. Vielfach erschöpft und frustriert zwar, aber vom unbedingten Willen geleitet, dass diese Pandemie ein Ende nimmt.

Das Problem ist: Die große Mehrheit reicht nicht aus, um Corona in den Griff zu bekommen. Scholz, der mit seiner Ampel-Regierung in einer Hochphase der Inzidenzen die pandemische Lage und mit ihr die Möglichkeit eines flächendeckenden Lockdowns auslaufen ließ, braucht dafür auch die Minderheit. Die ist aber dabei, sich weiter abzuspalten. Seine eigene Koalition bietet ihm genügend Anschauungsunterricht, wie groß das Aggressionspotenzial geworden ist.

Gespaltene Ampel?

Wolfgang Kubicki, FDP-Politiker und Bundestagsvizepräsident (!), schwadroniert, Impfpflichtbefürwortern scheine es um „Rache und Vergeltung“ an Ungeimpften zu gehen. Ihre „Freude“ an Impfpflicht und 2G-Regeln sei nicht mehr rational. Auch wenn man sich an Kubickis neulich offen geäußerte Freude an einem Glas Wein nach 10 Uhr erinnert, dürfte ihm bewusst sein, wie viele Millionen Menschen er verhöhnt.

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Jene zum Beispiel, die sich aus Sorge um ihre verletzlichen Eltern oder Menschen mit Behinderungen in Heimen einen Schutz durch eine hohe Impfquote wünschen. Oder jene, die es ziemlich satt haben, an jedem Geschäft ihren Impfstatus oder überstandene Infektion mit Zertifikat und Personalausweis zu dokumentieren – und es trotzdem machen, damit der Laden und das ganze Land am Laufen gehalten werden. Ebenso spricht Bände, dass nun Politiker wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) an Kundgebungen gegen „Querdenker“-Demos teilnehmen. Der Staat braucht die Hilfe seiner Bürgerinnen und Bürger gegen eine sich radikalisierende Minderheit, die von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern aufgehetzt wird.

Das Virus hat die alte Spaltung zurückgeholt

Es stimmt, dass dieselben Gruppen schon 2015 gegen Flüchtlinge auf die Straße gingen. Aber es stimmt auch, dass Corona die Spaltung vorangetrieben hat, weil das Virus alle betrifft und eine persönliche Positionierung zu Impfung, Testung und Einhaltung der Regeln verlangt.  Scholz’ Ampel-Regierung hat es in ihren ersten Amtstagen noch nicht geschafft, für Ruhe zu sorgen. Das gefühlte Chaos, dass in der Corona-Politik kaum etwas von 12 Uhr bis mittags gilt, besteht fort.

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Nach dem Auslaufen der pandemischen Lage muss sie kurz vor den Feiertagen eine Notbremse ziehen. Für 2022 ist das für Kanzler Scholz die wahrscheinlich größte Herausforderung: Für den Kitt zu sorgen, der die Spaltung der Gesellschaft verhindert, die er jetzt schon nicht sieht.

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