Kupfer, Alu oder HolzWarum in der Corona-Krise auf einmal viele Rohstoffe knapp sind

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Fahrräder Händler

Fahrräder sind auf dem deutschen Markt knapp.

Frankfurt – Als die Pandemie im Frühjahr 2020 auch in Deutschland ankam, wurden schnell die ersten Dinge knapp. Viele Menschen begannen zu hamstern und deckten sich mit allerhand Gegenständen des alltäglichen Bedarfs ein. So wurden Nudeln genauso wie Mehl, Seife und Toilettenpapier Mangelware. Diese erste Phase ist vorbei – doch Mangel besteht weiter. Nun fehlen aber weniger Nudeln und Klopapier als Holz, Computerchips, Kunststoff, Kupfer, Aluminium und Stahl. Damit werden auf dem deutschen Markt Fahrräder, Autos und Computer entweder knapp oder teurer.

Das hat mehrere Gründe: Die weltweite Pandemie ist genauso eine Ursache wie die Erholung der globalen Wirtschaft. Aber auch verstärkte Anstrengungen für den Klimaschutz spielen eine Rolle.

Die Analysten der Bank of America haben gerade einen neuen „Superzyklus” für Grund- und Rohstoffe ausgerufen. Sie meinen damit, dass bei einer ganzen Reihe von wichtigen Materialien über Jahre Knappheit herrschen wird. Das Musterbeispiel ist Kupfer.

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Der Preis des rötlichen Metalls hat sich in den vergangenen zwölf Monaten nahezu verdoppelt. Er notiert aktuell mit umgerechnet rund 8500 Euro pro Tonne nahe am historischen Höchstwert. Und das alles trotz einer globalen Pandemie, die die wirtschaftlichen Aktivitäten zeitweise heftig gebremst hat. Doch Kupfer wurde auch – oder gerade – in den Zeiten der härtesten Lockdowns benötigt. Denn das Metall wird in allen elektrischen und elektronischen Geräten benötigt. Und weil überall auf der Welt Angestellte Homeoffices eingerichtet haben, ist in den vergangenen Monaten die Nachfrage nach Laptops, Smartphones, Routern oder Bildschirmen stark gestiegen.

Jim Currie, Rohstoffexperte der US-Bank Goldman Sachs, prognostizierte gerade in einem Interview mit Bloomberg-TV: „Kupfer ist das neue Öl”. Also ein Stoff, ohne den künftig gar nichts mehr geht.

Currie prognostiziert, dass das Ungleichgewicht bei Angebot und Nachfrage von dauerhafter Natur sein könnte. Die Bank of America erwartet, dass der Preis sich in den kommenden drei Jahren noch einmal auf dann rund 17 000 Euro verdoppeln wird. Allerlei Gerätschaften könnten für die Kunden teurer werden. Oder die Gewinne in der Elektro- und Hightechindustrie schrumpfen spürbar. Oder beides.

„Ein ernsthaftes Problem“

Mehr noch: Eine aktuelle Umfrage des Münchener Ifo-Instituts hat ergeben, dass Knappheit bei einer ganzen Reihe von sogenannten Vorprodukten „zu einem ernsthaften Problem” geworden sei. Fast jeder zweite Industriebetrieb berichtete jüngst von Engpässen. Das sei der mit Abstand höchste Wert seit Januar 1991. „Dieser neue Flaschenhals könnte die Erholung der Industrie gefährden“, sagt Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.

Sehr eng ist es bei Computerchips. Knapp waren zunächst nur die simplen unter den Halbleitern, doch inzwischen herrscht auch bei komplexen Logikchips Mangel. Auch hier wurde die Entwicklung nach dem Beginn der Pandemie zunächst von vielen Akteuren unterschätzt.

Das ist fatal, weil die Unternehmen in diesem Bereich nicht sonderlich flexibel reagieren können. Die Fertigungsprozesse sind extrem komplex, und die Produktionsstätten müssen stetig ausgelastet sein, um rentabel zu sein. Kurzfristig kann der Output nicht hochgefahren werden. Durch den Halbleitermangel würden Lieferketten zerstört, und die Produktion zahlreicher elektronischer Geräte werde in diesem Jahr „stark beeinträchtigt”, sagt Kanishka Chauhan vom US-Marktforscher Gartner. Er erwartet, dass sich die Lage erst im zweiten Quartal 2022 wieder normalisiert.

Das trifft Computer- und Smartphonehersteller, und ist hierzulande vor allem für die Autoindustrie eine Hiobsbotschaft. In einem Pkw werden heutzutage Hunderte von Chips verbaut. Fehlen sie, stockt die Montage. Schon jetzt wird in vielen Fabriken in Deutschland die Produktion immer wieder unterbrochen. Bei Ford in Köln läuft bis Mitte August gar nichts.

Auch Kunststoff fehlt

Doch der Flaschenhals macht sich laut Ifo derzeit auch bei den Herstellern von Gummi- und Kunststoffwaren heftig bemerkbar. Laut Branchenverband GKV mangelt es an so gut wie allen Rohstoffen. Es werde zu wenig Material geliefert.

Das bekommen selbst Branchen wie die Süßwarenindustrie zu spüren, wo es an Verpackungsmaterial fehlt. Auch die Produktion von Barbiepuppen könnte problematisch werden. Die Gründe: In den USA sind wegen des heftigen Wintereinbruchs vor einigen Wochen große Kunststoffwerke ausgefallen – und es kann noch Monate dauern, bis sie wieder mit Volllast produzieren können. In normalen Zeiten wäre das zu verschmerzen. Aber es kommt hinzu, dass vor allem in China die Konjunktur heftig anzieht. Deshalb werden Schiffe, die mit Basismaterialen für die Kunststoffindustrie beladen sind, gen Asien umgesteuert. Und: Das Transportieren hat sich in den vergangenen Monaten verteuert – teilweise um das Zehnfache.

Bei solchen Aufschlägen ist es bei vielen Produkten kaum noch rentabel, sie um die halbe Welt zu schicken. Die Konsequenzen haben viele Verbraucher zu spüren bekommen, die sich in den vergangenen Wochen beispielsweise Fahrräder kaufen wollten. Die Rahmen und Komponenten, die zum allergrößten Teil in Asien gefertigt werden, sind zu echter Mangelware geworden.

Preistreibend wirkt ferner, dass Stahl und Aluminium – die wichtigsten Vorprodukte für die Fertigung von Fahrrädern – ebenfalls mehr kosten. Da kommt ins Spiel, was eigentlich fürs Radeln spricht: der Klimaschutz. Goldman-Sachs-Experte Currie hat darauf aufmerksam gemacht, dass China als weltweit wichtigster Produzent von Stahl und Aluminium die Produktion trotz steigender Nachfrage drosselt. Grund dafür sei, dass die Regierung die CO2 -Emissionen schnell drücken wolle – und die Gewinnung der beiden wichtigsten Industriemetalle gehört nun mal zu den energieaufwendigsten Verfahren in der Industrie.

Holzpreis steigt ums Fünffache

Neben China spielen bei all dem die USA eine zentrale Rolle: Präsident Joe Biden hat mehrere Konjunkturprogramme mit einem Volumen von mehreren Tausend Milliarden Dollar auf den Weg gebracht, die regenerative Energie voranbringen, Infrastruktur erneuern und private Nachfrage ankurbeln sollen.

Und schon ist der Preis für einen eher profanen Stoff durch die Decke gegangen: Holz. Es ist in den USA das wichtigste Material zum Bauen von Eigenheimen. Normalerweise ist das Angebot groß. Doch die USA sind vom Exporteur zum Importeur geworden, „wegen der immensen Waldbrände im vergangenen Jahr und wegen des Bergkiefernkäfers in Kanada, der dort riesige Wälder befallen hat”, so die DZ Bank in einer aktuellen Studie. An der Chicagoer Rohstoffbörse wird Bauholz gerade zu einem Preis gehandelt, der fünfmal so hoch wie vor einem Jahr ist.

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