Kommentar zur US-Reise des KanzlersOlaf Scholz muss endlich in die Offensive gehen

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Bundeskanzler Olaf Scholz 

Berlin – Olaf Scholz hat zur Lösung des Ukraine-Konflikts mit Russland bisher wenig beigetragen. Nun geht er mit Reise­diplomatie in die Offensive. Der Kanzler muss sich als enger Partner der USA erweisen, kommentiert Kristina Dunz, sonst ist Deutschlands Ruf als Stabilitätsanker ruiniert.

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich Zeit gelassen. Weder Angela Merkel noch Gerhard Schröder haben nach ihrer Übernahme des Kanzleramts zwei Monate gebraucht, um ihren Antrittsbesuch beim wichtigsten Verbündeten zu machen. Und Europa war damals nicht wie heute von einem Krieg bedroht.

Druck auf Scholz ist immens hoch

Diese Zurückhaltung von Scholz, seine zögerliche Suche nach einer Haltung im Ukraine-Konflikt mit Russland und die damit einhergehende Unsicht­barkeit Deutschlands haben Nato- und EU-Partner schwer irritiert und der Opposition im Inland eine breite Angriffs­fläche geboten. Der Druck auf den Bundes­kanzler, bei seinem Treffen mit US-Präsident Joe Biden, in die Offensive zu kommen, ist damit immens hoch.

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Andere EU-Staats- und Regierungschefs waren bereits in Kiew und Moskau oder haben mit dem russischen Präsidenten Putin telefoniert. Scholz fliegt erst Mitte Februar dorthin. Dann wird sich zeigen, ob die Welt auf Scholz gewartet hat oder ob Deutschlands internationaler Einfluss gesunken ist.

Neuanfang in Beziehungen

Die Lösung – oder Eskalation – der Ukraine-Krise wird den Neuanfang der deutsch-amerikanischen Beziehungen bestimmen. Es ist ein Neuanfang, weil die in weiten Teilen der amerikanischen Gesellschaft anerkannte Angela Merkel nicht mehr da ist und sich das Verhältnis zwischen Biden und Scholz erst entwickeln muss.

Bei Sanktionen gegen die von den USA – sehr wohl auch aus wirtschaftlichem Eigennutz – schon immer bekämpfte Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland hat Scholz bereits klar gemacht, dass er mitziehen wird. Obwohl damit ein Milliardenprojekt, deutsche Gasversorgung und letzte Drähte zu Russland schwer beeinträchtigt werden dürften.

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Bei den nun auch von der Ukraine selbst von Berlin erbetenen Waffenlieferungen dürfte das anders aussehen. Hier hat Scholz bisher Nein gesagt. Nach den deutschen Rüstungs­export­richt­linien dürfen Waffen nicht in Konfliktgebiete geliefert werden. Die Bundesregierung kann der Ukraine auch deshalb keine Waffen liefern, weil sie grundsätzlich in der Lage ist, mit Diplomatie zu helfen, einen Krieg zu verhindern. Sie muss und will vermitteln und verhandeln.

Russland aus den Augen verloren

Putin hat für seine Aggression gegen die Ukraine die gegenwärtige Schwäche der USA und Europas ausgenutzt, wo sich die neuen Regierungen in Washington und Berlin erst einfinden müssen, die Regierung in Paris vor Wahlen steht oder die in London durch Affären ins Wanken gerät. Dazu noch der skandalöse Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan.

Die G7-Staaten haben Russland, das sie aus ihrer Gruppe wegen der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 rausgeworfen haben, aus den Augen verloren. Auch das war ein Grund für Putins Macht­demonstration mit seinem Truppen­aufmarsch an der Grenze zur Ukraine: Er will gehört und beachtet werden und zudem die Fokussierung des Westens auf China brechen.

Scholz zentrale Figur

Deutschland hat zu Beginn von Scholz’ Amtszeit die G7-Präsident­schaft. Der Bundeskanzler ist damit jetzt eine der zentralen Machtfiguren auf der Weltbühne. Allein in den nächsten zehn Tagen trifft er die Staats- oder Regierungs­chefs der USA, von Frankreich, Polen, Lettland, Litauen, Estland, der Ukraine und von Russland. Dazu wird auf Chef­berater­ebene im Normandie-Format mit Kiew und Moskau verhandelt.

Scholz muss sich bei Biden als vertrauens­würdiger Partner erweisen, Deutschlands Ruf als Stabilitätsanker Europas verteidigen sowie zu Putin ein Verhältnis auf Augenhöhe aufbauen. Schafft er das, ist er der starke Mann Europas. Scheitert er, ist Deutschlands Ruf als Stabilitätsanker ruiniert. Eine harte Bewährungsprobe für den Bundeskanzler nur zwei Monate nach Amtsübernahme.

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