KommentarDie Wohnraumoffensive der Bundesregierung ist ein Armutszeugnis

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Wohnungsbau 230221

In Deutschland wird Wohnraum benötigt.

Was Wohnen wert ist, hat sich im Corona-Jahr besonders bewiesen. Wer das Glück eines großzügigen Heims hat, wer zwischen Homeoffice und Homeschooling den anderen Familienmitgliedern aus dem Weg gehen kann, wer sich an einem Garten erfreut, gehört noch stärker als zu früheren Zeiten zu den Glücklichen.

Und wer das alles nicht hat, geht auf die Suche: Kleingärten mit Bruchbude werden auf den Immobilienportalen bereits zu Preisen inseriert, für die es vor zehn Jahren noch eine großzügige Wohnung gegeben hätte. Die Bundesregierung lobt sich für 1,5 Millionen neue Wohnungen, auch wenn 300.000 davon bisher nur auf dem Papier oder im Rohbau existieren. Die Bundeskanzlerin lobt die Mietpreisbremse, die ihre Partei, die Union, lange bekämpfte. Die Mietpreisdynamik flache ab, gibt Merkel als Erfolgsmeldung aus.

Das ist richtig, doch das könnte auch nur eine Momentaufnahme sein - oder ein Beispiel für einen völlig zerstörten Wohnungsmarkt in den Metropolen. Wer wohnt, klammert sich an seinen Altvertrag, auch wenn das Zuhause nicht mehr den Bedürfnissen entspricht. Alles andere - auch eine kleinere Wohnung, wenn die Kinder ausgeflogen sind - käme teurer.

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Völlig ungebremst steigen unterdessen die Preise für Wohneigentum. Die Regierung feiert sich für das Baukindergeld (310.000 Familien hätten es in Anspruch genommen, mit einem Durchschnitts-Jahreseinkommen von 45.000 Euro bei weitem nicht nur gut verdienende), doch die staatlichen Zuschüsse heizen den Markt weiter an und verpuffen dann.

Es gibt viel zu wenig Sozialwohnungen

Noch schlimmer ist es bei den Sozialwohnungen: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) feiern sich für die Milliardensummen, die der Bund in die Hand nimmt. Doch diese Rekordsummen stehen in direktem Zusammenhang mit Rekordmieten. Und auch wenn neue geförderte Wohnungen fertiggestellt werden, sinkt die Zahl der Sozialwohnungen, weil ältere Wohnungen aus der Förderung fallen.

Das einzig Positive an der Bilanz der “Wohnraumoffensive” ist das Eingeständnis der Regierungsspitze, noch längst nicht fertig zu sein. Es muss weiter und mehr gebaut, weiter und mehr gefördert - und die Mieten weiter und stärker gebremst werden.

Doch das ist noch nicht alles. Die “Wohnraumoffensive” ist zugleich ein Armutszeugnis, weil sie sich mit Symptomen beschäftigt, nicht mit den Ursachen der Preisexplosion. Immer noch können Konzerne steuerfrei per Share-Deal Wohnungspakete kaufen und verkaufen.

Immer noch veröden historische Zentren von Kleinstädten, während in den Metropolen der Markt irre wird und das Umland zersiedelt wird. Immer noch lohnt sich Spekulation mit Boden und Leerstand zu sehr. Immer noch weichen Eigenheimsucher notgedrungen in den entfernten Speckgürtel aus, obwohl sie lieber in der Stadt blieben.

Gegen alles gibt es Rezepte. Eine Förderung von Genossenschaften gäbe Wohnungssuchenden Sicherheit bei geringem Kapitaleinsatz. Eine Bodenwertsteuer würde Landspekulation weniger attraktiv machen - doch in der Grundsteuerreform ist sie bisher nicht vorgesehen. Ein Handel mit Flächenzertifikaten würde die Interessen wachsender und schrumpfender Kommunen ausgleichen - und einen Anreiz zur innerstädtischen Nachverdichtung geben.

Baugebote, Vorkaufsrechte und als letzten Schritt Enteignungen von spekulativ leerstehenden Gebäuden würden Schandflecken beseitigen und für Wohnraum sorgen. Dass nicht etwa ein Grüner, sondern Vizekanzler Scholz auf dem Wohngipfel Baugebote und Vorkaufsrechte lobend erwähnte, ist ein zartes Pflänzchen der Hoffnung.

Denn Wohnen ist zu viel wert, um es politisch weiter zu vernachlässigen.

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