So war der „Polizeiruf 110“Beim nächsten Mal gerne mehr Tempo

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Bessie im Verhör mit Jonas.

Der Fall

In „Bis Mitternacht“ verhört die neu zur Münchener Mordkommission gewechselte Elisabeth „Bessie“ Eyckhoff (Verena Altenberger) Jonas (Thomas Schubert), der des Serienmordes verdächtigt wird. Seine mutmaßlich begangenen Angriffe auf junge Frauen werden rückblickend verzopft mit der Verhörsituation gezeigt.

Die Rückblicke bewegen sich dabei in einem theoretischen Rahmen, also Elisabeth und ihr Team erzählen die Tathergänge so, wie sie meinen, dass es passiert sei. So kann an dieser Stelle ein Stück weit die Spannung aufrechterhalten werden.

Gleich zu Beginn der Folge springt der Zeiger einer digitalen Uhr auf die zehn, um ganz deutlich zu zeigen, dass die Zeit knapp wird. Falls der Verdächtige bis Mitternacht nicht gestehen sollte, muss die Polizei ihn wieder laufen lassen. Das ist bereits vor drei Jahren passiert. Hier war der damalige Verhörspezialist der Mordkommission (Thomas Schubert) nicht in der Lage, Jonas zum Gestehen zu bringen, was ihm immer noch nachhängt.

Jetzt dreht sich vieles darum, ob Bessie in der Lage ist, dem enormen Druck der Situation standzuhalten und Jonas zu überführen. Im Verlauf der Handlung flüchtet sie mehrfach aus dem Verhörraum und übergibt sich einmal auf der Toilette.

Damit der Zeitdruck nicht in Vergessenheit gerät, sind im Verlauf der Folge häufiger Einstellungen mit Uhrzeiten zu sehen. Das ist ähnlich überdeutlich, wie die sich stapelnden Zuschreibungen, dass Jonas hochintelligent sei, mit ihm aber etwas nicht stimme, oder das Kommentieren des Verhörs seitens der Kollegen von Bessie, die den Zuschauenden die Meinung vorkauen. Dem Publikum hätte ruhig etwas mehr Eigenbeteiligung zugestanden werden können.

Die Auflösung

Die Idee, Jonas Angriffe aus Sicht der Mordkommission nachzuerzählen, ist narrativ stimmig, aber schwächelt formal. Ein- und Ausblenden in einem negativen Bildfilter, um eine Art Sichtweise von und auf Jonas anzudeuten, wirken unzeitgemäß. Das zeitliche Nebeneinander des Verhörs und der Rekonstruktion der Ereignisse funktioniert ganz gut, aber müsste nicht so explizit durch bildliche Überlagerungen visualisiert werden. Bei vielen formalen Entscheidungen wäre in diesem Polizeiruf weniger mehr gewesen.

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Mehrere Fährten, die nicht einschlägig sind, sind genauso konventionell wie das Ende, an dem Bessie dem Verdächtigen doch noch ein Geständnis entlocken kann. Es reicht dabei nicht als Plot-Twist, dass Jonas nicht bis, sondern erst nach Mitternacht einknickt. Hiermit löst sich auch der letzte Zweifel an Jonas Schuld auf.

Und auch die Begründung, warum Jonas nicht möchte, dass Bessie und der Verhörspezialist gehen, da sie ihm als einzige zugehört hätten, überzeugt nicht völlig. Eine Tiefe der Figur Jonas entsteht nicht, da er in seinem gestörten Verhalten nicht genug gezeigt wird und stattdessen mit Zuschreibungen versehen wird.

Um die Abgründe der Psyche des Täters nachvollziehbarer zu vermitteln, ist eine Sendezeit von etwas weniger als anderthalb Stunden zugegebenermaßen knapp bemessen, gerade in Zeiten des Überflusses an Serien, die sich reichlich Zeit nehmen können. Das Resultat ist leider etwas oberflächlich.

Das Fazit

Wiederholt werden Fragen zu Bessies Eignung und Fähigkeiten aufgestellt, aber recht müde und mit absehbarem Ende verhandelt. Auch das Gespräch von Bessie und der Staatsanwältin über Frauen in männerdominierten Berufsfeldern, unter vier Augen und einer Zigarette, kommt etwas lieblos daher.

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Die schauspielerische Leistung ist insgesamt nicht schlecht. Ein paar Kamerazooms weniger und das Weglassen von Aufnahmen in Negativoptik hätten sicher geholfen. Die Verhörsituation im Wettlauf mit der Zeit enthält ein hohes Spannungspotenzial, aber büßt leider durch das An-die-Hand-nehmen der Zuschauer an Tempo und Nuancierung ein.

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