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Was geschah wirklich im Fall Lemperle?FC-Stürmer hatte mehr als 2 Promille – Mann, der ihm die Nase brach, spricht von Notwehr

Lesezeit 5 Minuten
ARCHIV - 03.05.2025, Nordrhein-Westfalen, Köln: Fußball: 2. Bundesliga, 1. FC Köln - Jahn Regensburg, 32. Spieltag, RheinEnergieStadion. Kölns Tim Lemperle reagiert während der Partie. (zu dpa: «Gesichtsverletzung nach Streit: Kölns Lemperle droht Ausfall») Foto: Marius Becker/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Kölns Tim Lemperle ist nach einem Streit im Gesicht verletzt worden und kann beim Finale nicht spielen.

Der 1. FC Köln steht vor dem wichtigsten Spiel des Jahres. Ausgerechnet ein FC-Fan bricht dem sturzbetrunkenen Topstürmer Tim Lemperle die Nase.

Wieder einmal steht dem 1. FC Köln und seinen 150.000 Mitgliedern ein schicksalhafter Nachmittag bevor. Am Sonntag wird sich entscheiden, ob der dreimalige Deutsche Meister ein Jahr nach dem Sturz aus der Bundesliga den direkten Wiederaufstieg schafft. Im ausverkauften Kölner Stadion braucht die Mannschaft einen letzten Punkt, um die Mission ihres Trainers Friedhelm Funkel zu einem glücklichen Abschluss zu bringen.

Ihr wichtigster Angreifer fehlt derzeit allerdings auf dem Trainingsplatz. Tim Lemperle kam vor acht Jahren als Teenager aus Frankfurt nach Köln. In diesem Sommer wird er den Verein verlassen, um bei der TSG Hoffenheim reich und berühmt zu werden. Wobei das mit der Berühmtheit in Hoffenheim leichter gesagt als getan ist. Andererseits muss sich Lemperle vorerst keine Gedanken mehr über seinen Bekanntheitsgrad machen. Denn seit er am Sonntagabend auf dem Eventschiff „Rhein Roxy“ am Rodenkirchener Rheinufer volltrunken in eine Schlägerei geriet, spricht die ganze Stadt über den 23-Jährigen.

Polizei ermittelt wegen Körperverletzung

Lemperles Verletzungen, so ist aus dem Geißbockheim zu hören, sollen allerdings weniger gravierend sein als zunächst befürchtet. Der Stürmer war am Dienstag beim Arzt, am trainingsfreien Donnerstag steht eine weitere Untersuchung an. Der Profi absolviert individuelles Training. Friedhelm Funkel bleibt gewohnt gelassen. Der Vorfall werde „keinen Einfluss auf unser Spiel am Sonntag haben. Die Stimmung in der Mannschaft ist weiterhin intakt und sehr gut“, sagte der Trainer am Dienstag dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

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Funkels Zuversicht ist ungebrochen. „Ich gehe fest davon aus, dass uns am Sonntag der Aufstieg gelingen wird“, sagt er. Über disziplinarische Maßnahmen werde der Verein noch entscheiden, Lemperles Kollegen hegten allerdings keinen Groll auf ihren Mitspieler. „Ich habe die Mannschaft als echte Einheit wahrgenommen, die Tim jetzt auch nicht verurteilt. Tim wiederum weiß, dass er einen Fehler gemacht hat.“Was genau sich am Sonntag auf dem Partyschiff zutrug, wie und warum die Situation gegen 21 Uhr am Ufer vor dem Schiff schließlich eskalierte, ist noch unklar. Fest steht nur: Die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung gegen einen mutmaßlichen Schläger. Lemperle und seine Begleiter – der eine ein langjähriger Freund des FC-Stürmers, der andere ein Profifußballer und Ex-FC-Spieler – werden als Geschädigte geführt.

FC-Stürmer Tim Lemperle hatte 2,4 Promille

Lemperle selbst soll noch nicht vernommen worden sein, am Dienstag soll die Polizei aber zum zweiten Mal seine beiden Begleiter befragt haben. Vom Geschehen auf und vor dem Schiff kursieren unterschiedliche Versionen. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat mit dem Anwalt des Beschuldigten gesprochen, mit Augenzeugen, Ermittlern und Vereinsvertretern des 1. FC Köln. Anhand ihrer Angaben versuchen wir, eine Partynacht zu rekonstruieren, die völlig aus dem Ruder lief.Als Polizisten am Sonntag gegen 21 Uhr am Rheinufer in Rodenkirchen eintrafen, fanden sie Tim Lemperle wie ausgeknockt vor.

Er soll geblutet haben, nicht in der Lage, einen Atemalkoholtest zu absolvieren. Mit einem Rettungswagen wurde der 23-Jährige in die Uniklinik gebracht. Die Ärzte diagnostizieren eine Gesichtsverletzung und Anzeichen einer Gehirnerschütterung. Die Blutprobe ergab 2,4 Promille Alkohol.

Lemperle Torjubel 0-1 und Verletzung , 2.Bundesliga , Jahn Regensburg-1.FC Köln , Fußball , in der Jahn Stadion , Regensburg , Bayern , Deutschland . Dezember 08, 2024 . Photo by: Davide Elias / Ipa Photo Pressefoto DENL Copyright: xDavidexEliasx

Tim Lemperle ist 23 Jahre alt und Offensivspieler beim 1. FC Köln.

Angefangen hatte alles am Samstagmittag, als sich Trainer Friedhelm Funkel, Spieler sowie deren Familien am Geißbockheim einfanden, um gemeinsam die Partien des 33. Zweitliga-Spieltags zu verfolgen. Bierfässer waren herangeschafft worden, doch die lagen auch am Dienstag noch in der Kühlung: Weil die Kölner Konkurrenten ihre Spiele gewonnen hatten, hatte es nichts zu feiern gegeben.

Teile der Mannschaft hatten sich am Samstagabend in einer Kölner Bar getroffen, um den 30. Geburtstag ihres Torhüters Marvin Schwäbe zu feiern. Außerdem gab es Berichte, mehrere FC-Spieler seien wie schon in der Woche zuvor bis in den frühen Morgen in einem Nachtcafé im Kölner Studentenviertel gewesen. Doch das ist umstritten.

„Daydrinking“ auf dem „Rhein Roxy“: Lemperle soll in Streits geraten sein

Am Sonntag tauchte Lemperle dann auf dem „Rhein Roxy“ auf, zu einer „Daydrinking“-Veranstaltung, die um 12 Uhr begonnen hatte. Ein Foto, das auf Social-Media-Plattformen kursiert, zeigt den FC-Stürmer auf dem Schiff, entspannt im Kreis mehrerer junger Männer. Auf dem Schnappschuss lächelt Lemperle, ein Bekannter schenkt sich aus einer Flasche nach.

Glaubt man Augenzeugen, war die Situation nicht den ganzen Tag über so entspannt. Mehrfach habe sich Lemperle Wortgefechte mit Gästen geliefert, heißt es. Es soll dabei mehrmals um die mangelnde Einstellung des Fußballprofis gegangen sein, der eine Woche vor dem wichtigsten Spiel der jüngeren Vereinsgeschichte so offensichtlich alkoholisiert war. Lemperle soll mit abfälligen Bemerkungen über den 1. FC Köln gekontert haben.

Vor allem ein Gast soll sich intensiver mit Lemperle angelegt haben – oder umgekehrt, das ist nicht ganz klar. Der Mann ist ein Dachdeckermeister aus Köln, laut Firmenauskunft im Internet zudem Betreiber einer „Prostitutionsvermittlung“, und: FC-Fan mit besten Plätzen auf der Westtribüne des Stadions.

Martin Bücher aus der Kanzlei Birkenstock ist der Anwalt des Dachdeckers. Bücher sagt: Lemperle soll sich auf dem Schiff auch zwei Begleiterinnen des Dachdeckers gegenüber „verbal und körperlich unangemessen verhalten“ haben. Das habe seinen Mandanten veranlasst, „Herrn Lemperle daraufhin aufzufordern, dies zu unterlassen“. Mehr noch: Er habe dem Stürmer „empfohlen“, die Veranstaltung zu verlassen, sich schlafen zu legen und sich auf das Saisonfinale zu konzentrieren. „Diesen Ratschlag befolgte Herr Lemperle hingegen nicht, stattdessen sprach er weiterhin dem Alkohol zu und provozierte fortan wiederholt meinen Mandanten .“

Zeugen schildern: Ein Schlag, dann geht Lemperle k.o.

Gegen 21 Uhr verließ Lemperle mit seinen Begleitern das Schiff. Auf der Straße trafen sie erneut auf den Dachdecker, der auf ein Taxi wartete. Lemperle, so sagten es Zeugen bei der Polizei aus, soll sich zum Urinieren an eine Mauer gestellt haben, plötzlich soll der Dachdecker zugeschlagen haben.

Dessen Anwalt Martin Bücher dagegen spricht von Notwehr. Lemperle habe seine „verbalen Provokationen von der Veranstaltung fortgesetzt“ und „ein Verhalten an den Tag gelegt, das meinen Mandanten in eine Notwehrsituation versetzte, aus der er sich mit einem einzigen Schlag befreit hat“. Sein Mandant sei ebenfalls verletzt worden und habe zudem einen Sachschaden erlitten.

Ein Zeuge schilderte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ die Situation so: Der Fußballprofi habe sich dem Handwerker noch auf dem Schiff mit obszönen Gesten genähert sowie den Mann am Hinterteil berührt.Außerdem habe er versucht, die Frau des Dachdeckers zu küssen. Als der Dachdecker an der Rheinuferstraße Lemperle beim Urinieren gesehen habe, habe er den Fußballer mit Anzüglichkeiten überzogen. Lemperle habe sich daraufhin umgedreht und den Dachdecker geschubst. Woraufhin der Dachdecker, so der Augenzeuge, Lemperle „eine gepfeffert“ habe.