„Das ist so billig“Niedecken rechnet mit der FC-Führung ab – und blickt nach vorn

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Wolfgang Niedecken verfolgt den FC mit Leidenschaft.

  • Die Rückkehr in die Erste Liga ist erreicht. Der „Kölner Stadt-Anzeiger” lässt den Aufstieg des 1. FC Köln in den nächsten Wochen mit der Serie „Aufstieg Nummer Sechs” Revue passieren.
  • Folge 2: BAP-Sänger Wolfgang Niedecken verbindet mit dem 1. FC Köln eine lange und emotionale Geschichte.
  • „Mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen“ hat er die vergangene Saison verfolgt. In einem Gastbeitrag rechnet er mit seinem Lieblings-Verein ab – blickt aber auch positiv nach vorn.

Köln – Natürlich freue ich mich, dass der 1. FC Köln aufsteigt. Aber ohne die Querelen der vergangenen Wochen hätte ich mich noch mehr gefreut.

So ist die Freude ein wenig getrübt. Mehrere verlorene Spiele, die man nicht hätte verlieren dürfen, eine Trainerentlassung kurz vor Saisonende – all das habe ich mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen verfolgt. Was die nächste Saison angeht, bin ich recht optimistisch. Mit dem Potenzial, das momentan vorhanden ist, haben wir die Chance, auch einmal etwas länger in der Ersten Bundesliga zu bleiben als in den vergangenen Jahren. Die Verantwortlichen des Vereins müssen auf jeden Fall noch den einen oder anderen Sechser besorgen und eine vernünftige Außenverteidigung. Damit es endlich ein Ende hat mit diesem ewigen Auf und Ab. Außerdem wünsche ich mir einen gestandenen Trainer, der sich nicht so schnell ins Bockshorn jagen lässt.

Das hat mich in dieser Saison am meisten gestört: Dass Dinge nach außen getragen wurden, die dort nichts zu suchen hatten. Da schickt Präsident Werner Spinner seinen beiden Co-Präsidenten eine Voice-Mail, in der er fordert, entweder den Trainer zu entlassen oder die beiden Geschäftsführer. Dann geht einer der beiden Adressaten mit dieser Nachricht zu Manager Armin Veh, und schon ist der Eklat da, der zum Rücktritt des Präsidenten führt. Das ist so billig. So erschreckend. So eine Nachricht muss doch unter denen bleiben, die gibt man nicht weiter. Was ist das denn für eine Nummer! Oder das Ding mit Armin Veh, der öffentlich den Trainer kritisiert. So etwas muss man intern regeln.

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Wolfgang Niedecken im Rheinenergie-Stadion

Für den FC ist das der mittlerweile sechste Aufstieg in die erste Liga. Ich kann mich noch gut an den ersten Abstieg 1998 erinnern, der hat am meisten wehgetan. Später habe ich nicht mehr mitgezählt. Und ich bin jedes Mal mit in die Zweite Liga gegangen. Ich habe mir den Verein nicht ausgesucht. Es gibt ja die merkwürdigsten Gründe, warum man für einen Verein ist. Da halten in der Schule alle für eine Mannschaft oder man findet ein Trikot schöner als ein anderes. Für mich war es immer der 1. FC Köln. Das ist familienbedingt. Wenn in meiner Kindheit mein Vater und mein 20 Jahre älterer Halbbruder Samstag ein FC-Spiel im Radio hörten, spielte ich auf dem Boden mit Matchbox-Autos und kriegte mit, wie sie sich über jedes Tor freuten. Ich hörte auch die Namen der Spieler, allen voran den von Hans Schäfer. Dass es diesen Mann überhaupt in Fleisch und Blut gab! Hans Schäfer. Wahnsinn.

Als der FC das erste Mal abstieg, war ich mit BAP auf Elba, und wir probten für das Album „Comics & Pin-ups“. Auf der Hinreise hatte mich Toni Polster angerufen und in seinem wunderbaren Wiener Slang gesagt: „Du, Wolferl, mer ham's nimmer packt.“ Am nächsten Wochenende war noch ein Spiel, und ich hoffte irrsinnigerweise, dass noch irgendetwas passiert und wir nicht absteigen.

Ziemlich nah am Wasser gebaut

Als dann definitiv keine Rettung mehr in Sicht war, bin ich den ganzen Tag mit dem Motorrad über die Insel gefahren, habe nicht geprobt, gar nichts. Ich war ziemlich nah am Wasser gebaut und wollte mit niemandem reden. Wir hatten damals zwei Leverkusen-Fans in der Band. Die hätten ohne Ende Häme-Kübel über mich ausschütten können. Aber alle haben sich total zusammengerissen. Keiner hat mit mir über Fußball geredet. Es war unvorstellbar: Der 1. FC Köln steigt ab.

In den Jahren danach entwickelt man so eine Art Galgenhumor. Nach dem Motto: Zweite Liga macht auch Spaß. Und irgendwann sickert natürlich die Erkenntnis durch, dass das Ganze auch etwas mit Sport zu tun hat. Wenn man sich nicht qualifiziert, hat man sportlich nicht die nötige Reife für die Erste Liga. Dann ist man zu Recht in der Zweiten und muss gucken, dass man wieder nach oben kommt.

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Der letzte Abstieg war aus meiner Sicht ein Betriebsunfall, den wir in dieser Variante noch nicht hatten. Sportdirektor und Trainer entzweien sich vor dem Saisonstart so massiv, dass sie nicht mehr miteinander reden. Der Sportdirektor kauft Spieler ein, die der Trainer nicht will und, wie im Fall von Jorge Meré, aus Frackigkeit nicht einsetzt. Aufgrund dieser Differenzen zwischen Jörg Schmadtke und Peter Stöger ist die Mannschaft nicht so verstärkt worden, wie sie hätte verstärkt werden müssen. Dazu kam Verletzungspech ohne Ende. Dann diese internen Querelen, und irgendwann verkrampft die Mannschaft.

Jetzt also werden wir aufsteigen. Ich freue mich vor allen Dingen darauf, im Stadion wieder schönen Fußball zu sehen. Ich gucke mir ja auch die Champions League im Fernsehen an. Wenn eine Mannschaft steht und die Laufwege eintrainiert sind, ist es für mich ein ästhetisches Vergnügen, ihrem Spiel zuzusehen. Ich bin auch ein kleiner verkappter Bayernfan. Meine Frau ist aus Bayern, das gibt mir das Recht dazu. Obwohl sie in erster Linie 1. FC-Köln-Fan ist. Aber ich sehe die Bayern gern spielen. Ich bin kein Bayern-Hasser. Die haben das aus eigener Kraft geschafft, da steht kein Bayer Leverkusen und kein Limonadenhersteller hinter. Das muss man anerkennen. Das ist richtig schöner, ästhetischer Fußball. Andere Leute gehen ins Ballett, ich gucke lieber Fußball.

Aufgezeichnet von Petra Pluwatsch

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