Der Trainer führt Gespräche und arbeitet am Spiel mit dem Ball – und will dem HSV die Meisterschaft entreißen
Kennenlernphase abgeschlossenFunkel vertreibt die Sorgen

Friedhelm Funkel beaufsichtigt das Training der FC-Profis im Franz-Kremer-Stadion.
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Wer unter Sorgen und Versagensängsten leidet, dem sei ein Vormittag mit Friedhelm Funkel ans Herz gelegt. Der 71-Jährige gilt seit Jahren als der Mann für scheinbar aussichtslose Fälle – in Köln erinnert man sich etwa ans das Frühjahr 2021. Damals gelang ihm das Kunststück, mit dem FC in der 86. Minute des letzten Saisonspiels den nötigen 1:0-Sieg gegen Schalke 04 zu erringen, um die Relegation zu erreichen. Um anschließend nach einer 0:1-Niederlage in Köln das Rückspiel in Kiel 5:1 zu gewinnen.
Derart knapp war all das damals, dass den direkt Beteiligten noch heute schwindelig wird, wenn sie daran zurückdenken. Doch Funkel nahm den Abschluss seiner Mission schon damals eher stoisch hin. Als habe er nur etwas geschehen lassen, das vom Schicksal ohnehin angelegt gewesen war.
Vier Jahre später ist er zurück am Geißbockheim, diesmal ist seine Aufgabe etwas anders angelegt. Nur zwei Spiele bleiben dem Trainer, um den 1. FC Köln zurück in die Bundesliga zu führen. Ein verpasster Aufstieg ist etwas weniger schlimm, als es der Abstieg in der Corona-Saison 2020/21 gewesen wäre. Außerdem steht die Kölner Mannschaft auf einem Aufstiegsplatz, den sie grundsätzlich nur behaupten muss: Platz 2, drei Punkte vor dem Relegationsplatz. Doch Funkel weiß um die Dynamik einer Fußballmannschaft. Etwas verteidigen zu wollen – darin steckt auch die Furcht, es am Ende doch zu verlieren. Darum rief er am Mittwoch, gleich nach dem Ende seiner zweiten Trainingseinheit mit den Kölner Profis, zum Angriff auf die Spitze: „Wir wollen beide Spiele gewinnen. Vielleicht können wir ja noch einmal Druck auf den HSV ausüben. Alle sprechen von Platz drei oder vier. Wir können aber auch noch Erster werden. Das wollen wir versuchen.“
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Funkels Spezialdisziplin ist die sagenhafte Geschwindigkeit, mit der er Strömungen in der Kabine erkennt, aufnimmt und verändert. Er habe viele Gespräche geführt und sei noch nicht fertig damit. Zwölf, 13 waren es schon, weitere sollen folgen. Doch der erste Teil seiner Arbeit sei nun abgeschlossen, meldete er keine 48 Stunden nach seiner Präsentation. „Die Eingewöhnungsphase musste schnell verlaufen, das ist mir gelungen. Ich glaube, das passt jetzt zwischen Mannschaft und mir. Das ist reibungslos verlaufen.“
Die Kölner Mannschaft ist erst vor einem Jahr aus der Bundesliga abgestiegen, seitdem hatte sie Schwierigkeiten, so etwas wie Freude bei der Arbeit zu zeigen. Gerhard Struber hatte in einem letzten Versuch, eine Stimmung herbeizureden, von der weit und breit nichts zu spüren war, vor der Partie gegen Regensburg davon gesprochen, dass aus „Last eine Lust werden“ müsse. Das war nett gesagt, doch gefolgt war eine Partie gegen Regensburg, in der das Publikum nacheinander über Mannschaft, Trainer und Sportchef hergefallen war.
Wir haben versucht, ein paar Spielszenen nachzustellen und der Mannschaft Abläufe mitzugeben für den Fall, in dem wir selbst am Ball sind. Wir wollen nach vorn spielen, wir wollen Tore schießen, wir wollen gewinnen. Da muss man auch mit dem Ball einige gute Ideen haben
Die Mannschaft ist geblieben, die Last ebenso. Für Funkel bedeuten derartige Konstellationen das ideale Arbeitsumfeld. Statt zur Freude aufzurufen, wie es Christian Keller in seiner seltsamen Ansprache nach dem Desaster gegen Regensburg in Richtung Publikum getan hatte, teilte Funkel schlicht mit, man auf dem Trainingsplatz nun „ein bisschen Lockerheit, ein bisschen Spaß“ reingebracht habe: „Der Eindruck ist gut.“
Funkel strahlte dabei etwas Unerschütterliches aus, und man erinnerte sich an den ungleich dramatischeren Abstiegskampf 2021, als etwa nach dem scheinbar fatalen 0:0 bei Hertha BSC FC-Manager Horst Heldt kalkweiß durch das leere Olympiastadion schlich, während Funkel kerzengerade dastand, Pal Dardai und seinen Berlinern zum Klassenerhalt gratulierte und wissen ließ, der 1. FC Köln werde nun also bald folgen – man brauche ja nur noch den einen Sieg über Schalke.

Friedhelm Funkel im Gespräch mit Mittelfeldspieler Denis Huseinbasic
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Mit guter Stimmung allein wird der FC aber am Freitagabend (18.30 Uhr, Sky) in Nürnberg nicht gewinnen, daher hat Funkel auch ein paar taktische Dinge angesprochen. Auch da war seine Analyse klar. Die Kölner Mannschaft habe zuletzt überwiegend versucht, „gegen den Ball gut auszusehen. Das haben sie auch gut gemacht“, sagte Funkel freundlich. Allerdings wurde nicht zuletzt gegen Regensburg deutlich, dass es den Kölnern an einem Offensivkonzept fehlte. „Wir haben versucht, ein paar Spielszenen nachzustellen und der Mannschaft Abläufe mitzugeben für den Fall, in dem wir selbst am Ball sind. Wir wollen nach vorn spielen, wir wollen Tore schießen, wir wollen gewinnen. Da muss man auch mit dem Ball einige gute Ideen haben.“
Keine schlechte Idee. Trotz vieler mäßiger Auftritte sind die Kölner die Mannschaft mit dem viertmeisten Ballbesitz der Liga. Durchschnittlich 53 Prozent der Zeit ist der FC am Ball, was bedeutet, dass Köln den überwiegenden Teil des Spiels damit verbringt, ohne funktionierenden Plan zu agieren.
Allein aus Zeitnot wird Funkel in den kommenden Tagen nicht versuchen, den Fußball am Geißbockheim neu zu erfinden. Doch selbst wenn er gerade mit einer neu formierten Mannschaft in die Sommervorbereitung startete, Wochen vor dem ersten von 34 Meisterschaftsspielen, würde er wohl verfahren, wie er es derzeit tut. „Taktik wird meiner Meinung nach oftmals überschätzt. Ich versuche, Einfachheit, Klarheit in die Abläufe zu bekommen.“ Das System sei nachrangig. Er habe in den Gesprächen herausgefunden, dass die Spieler sich mehrere taktische Varianten zutrauen, „gar kein Thema“ sei das, sagte Funkel. Er habe sich auch deshalb noch nicht festgelegt, wie man in Nürnberg auftreten werde. Wichtig sei ohnehin vor allem, die Spieler von seinem Plan zu überzeugen, denn „dann sagen die mit Sicherheit nicht nein“.
Winterzugänge „können mich ja eines Besseren belehren“
Allenfalls die Gruppe der Kölner Winterzugänge könnte dem neuen Chef noch etwas reservierter begegnen. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte Funkel vor eineinhalb Monaten erklärt, Imad Rondic, Joel Schmied und Jusuf Gazibegovic seien „keine Verstärkungen“. Auch dieses Thema erledigte Funkel wie im Vorbeigehen. „Die Spieler können mich ja jetzt eines Besseren belehren“, sagte er zunächst, schob aber rasch nach: „Die Kritik war auch nicht auf die Spieler persönlich bezogen. Man hat Spieler geholt, die eine gewisse Eingewöhnungszeit brauchen. Da ist es natürlich schwierig, wenn man Spieler im Winter holt, die eigentlich sofort funktionieren müssen.“
Abgeschrieben habe er die drei Neuen allerdings nicht. „Im Training machen sie einen guten Eindruck, wirklich“, sagte Funkel. Und fügte an, was nur jemand sagen kann, der sich keine großen Sorgen macht: „Ich kann mich ja auch mal täuschen. Also: mit den Aussagen von früher. Nicht mit dem, was ich jetzt sage.“