Sportchef Keller hat viel erklärt und wenig erreicht. Auch er muss gehen. Endlich ein Aufbruch? Warum beim 1. FC Köln wieder alles auf einmal passiert.
Rückblick auf Kellers LeistungDrei Jahre voller Schwierigkeiten beim 1. FC Köln sind vorbei

Christian Keller am Samstagabend nach seinem letzten TV-Interview als Geschäftsführer des 1. FC Köln.
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Fußballsaison rollt ihrem Ende entgegen, allenthalben werden Ziele erreicht oder verfehlt, wird gejubelt, gehofft und gebangt. Wo Träume zerplatzt sind, tagen die Scherbengerichte. Anderswo bricht Euphorie aus, weil plötzlich Großes erreichbar scheint. Und beim 1. FC Köln passiert mal wieder alles auf einmal.
Der direkte Wiederaufstieg ist möglich, was eine gewaltige Leistung darstellt angesichts des jahrelangen sportlichen Missmanagements. Gleichzeitig aber spielte die Mannschaft in den vergangenen Wochen derart enttäuschend, dass die Fans am Samstag im wie immer ausverkauften Stadion den Aufstand probten. Weil außerdem der Vorsprung dahinschmolz, sah man sich gezwungen, personelle Konsequenzen zu ziehen.
Beim 1. FC Köln geschieht Epochales
Der Trainer sollte gehen – und als daraufhin der eigentlich allmächtige Sportchef Christian Keller erklärte, das würde nur über seine Leiche gehen, teilten die Gremien mit, dass er das gern haben könne. Im übertragenen Sinne, selbstverständlich. Christian Keller geht es den Umständen entsprechend gut, doch seinen Job ist er los. Die Konsequenz war, dass der 1. FC Köln nun an einem Tag Sportchef und Trainer feuerte. Viel mehr geht sogar beim FC nicht.
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Einmal mehr ist also Epochales geschehen beim dreimaligen Deutschen Meister. An diesem Dienstagmorgen wird ein 71-Jähriger für eines der größten Comebacks der jüngeren Kölner Sportgeschichte sorgen. Vier Jahre nach seiner erfolgreichen Rettungsmission und 23 Jahre nach seinem ersten Engagement am Geißbockheim wird Friedhelm Funkel die Verantwortung für die Profis des 1. FC Köln übernehmen.
Am Sonntagmorgen hatte noch Gerhard Struber das Training geleitet, nur eine kurze Nacht war da vergangen nach dem blamablen 1:1 gegen Absteiger Jahn Regensburg. Christian Keller stand am Platz, plauderte mit Journalisten. Die Dinge schienen sortiert, für Keller waren sie das wohl auch. Nach dem Remis hatte der Geschäftsführer ein bizarres TV-Interview gegeben, zu Optimismus und, tatsächlich, zur „Freude“ aufgerufen – und etwa auf die Frage, ob es nach den Rückschlägen mit Struber weitergehen könne, mit einer Gegenfrage geantwortet: „Warum nicht?“
Woher sollte Christian Keller denn auch die Expertise und Erfahrung haben, um bei einem großen Klub wie dem FC auch sportlich die richtigen Entscheidungen zu treffen?
Damit hatte Keller sein Schicksal besiegelt. Keine 24 Stunden später war er abberufen. Offenbar hatte er einmal mehr die Stimmung beim FC falsch eingeschätzt. Die Empörung der Fans, die Ratlosigkeit der Spieler auf dem Platz. Die krampfigen Versuche des Trainers, Lockerheit auszustrahlen. Das alles hätten Signale sein müssen, dass eine Veränderung anstehen könnte. Keller ignorierte alle Zeichen. Indem er glaubte, er könne gegen die Stimmung in Verein, Mannschaft und Gremien postulieren, Struber sei weiter der richtige Mann, begab er sich auf die Planke.
Es ist das Ende einer mehr als dreijährigen Dienstzeit voller Schwierigkeiten. Seit Herbst 2021 stand fest, dass Keller den FC übernehmen würde. Jedoch erst im Frühjahr 2022, nach einem Sabbatical, das ihm der Vorstand zugestand, trat er seinen Dienst an. Der Klub hatte in wichtigen Monaten keinen hauptamtlichen Geschäftsführer Sport – was sich als fatal erwies. Wenngleich es mit Keller nicht viel besser wurde, zumindest im sportlichen Bereich.

Christian Keller im Oktober 2021 bei seinem Abschied aus Regensburg.
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Keller war als Unternehmensberater in den Fußball gekommen und hatte in Regensburg professionelle Strukturen aufgebaut. Wenngleich Regensburg mit Kellers Konzept nicht zum dauerhaften Fußballwunder wurde. 2023 stieg der Klub in die Dritte Liga ab. Am Samstag vollendete sich trotz des 1:1 in Köln der erneute Sturz in die Drittklassigkeit. Personen-unabhängige Strukturen, ein Perpetuum mobile im Profifußball? Auch in Regensburg hat Keller nichts geschaffen, das stärker ist als der Markt.
Christian Keller hatte stets Erklärungen für alles
Dennoch trug Keller seine Vergangenheit beim Jahn vor sich her wie eine Monstranz. Und die Messdiener am Geißbockheim folgten ihm zu gern. Es ist eine fatale Neigung in Köln, vermeintlichen Heilsbringern den Generalschlüssel in die Hand zu drücken, sich anschließend aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen und das als kluge Vereinsführung zu verkaufen. In Kellers Fall kam eine besondere Komponente hinzu: Der 46-Jährige ist ein begnadeter Rhetoriker. Stets hatte er Erklärungen, für alles. Ein Manipulator sei er, sagte einmal einer aus der großen Gruppe jener, die Keller über die Jahre beim FC ausgetauscht hat.
Und es waren einige, mitunter langjährige Klub-Mitarbeiter, die unter Keller gehen mussten und dann teilweise durch Weggefährten aus Regensburger Zeiten ersetzt wurden. Der Vorstand ließ Keller gewähren, der Anfang des Jahres zudem aus einem Machtkampf mit Marketing-Geschäftsführer Markus Rejek als Sieger hervorgegangen war. Das alles sorgte für ein Klima des Misstrauens am Geißbockheim.
Kellers Prokura stieß jedoch auch an Grenzen. Die Gremien sahen seine Arbeit deutlich kritischer als der Vorstand. So sollen Klaus Behrenbeck, der Vorsitzende des Beirats, wie auch Aufsichtsratschef Lionel Souque immer wieder Fragen gehabt haben. Denn obgleich Keller stets Erklärungen hatte, waren die Top-Manager Behrenbeck (McKinsey) und Souque (Rewe) schwierig zu blenden.
Keller wusste um die Kritik, im Dezember kam es zum Eklat: Da soll Keller den FC-Vorstand aufgefordert haben, Behrenbeck und Souque aus dem Beirat zu drängen. Doch die Mitglieder des Gremiums reagierten empört, drohten ihrerseits mit Rücktritten. Dass Keller überhaupt den Versuch unternahm, unter anderem den Vertreter des Hauptsponsors aus der Vereinsspitze entfernen zu lassen, dokumentiert das Selbstverständnis des Sportchefs. Dass Wolf sich darauf einließ, zeigt außerdem, wie sehr sich der Klub Keller ausgeliefert hatte.
Dabei war Kellers sportliche Bilanz, sein eigentliches Kerngeschäft, erschütternd. Als er im April 2022 in Köln übernahm, qualifizierte sich der Verein als Bundesliga-Siebter gerade für die Conference League, war unter Steffen Baumgart Siebter der Bundesliga und beschäftigte Spieler wie Ellyes Skhiri, Jonas Hector und Anthony Modeste. Drei Jahre später stand der Klub zwischenzeitlich auf Rang 12 der Zweiten Liga, hatte nach Kellers verpuffter Rettungsaktion mit Trainer Timo Schultz unter Struber schwierige Zeiten und droht nun, den Wiederaufstieg zu verpassen.
Der Kader ist führungslos, nach dieser Saison beendet Mark Uth seine Laufbahn; Tim Lemperle und Dejan Ljubicic verlassen den Verein – ablösefrei. Viele Hoffnungs- oder Leistungsträger hat der Klub nicht mehr – und wer die Mannschaft führen soll, ist ebenfalls unklar. Die Finanzen des FC sind zwar saniert, Keller und sein Mit-Geschäftsführer Philipp Türoff haben den Verein gesunden lassen. Zudem wurde vor allem auf Kellers Betreiben die marode Infrastruktur für rund 15 Millionen Euro modernisiert.
Führungsloser Kader, in dem keine Werte geschaffen wurden
Doch dann folgte der Abstieg. Drei Jahre nach der Übernahme durch Keller ist der Kaderwert zusammengebrochen. Zwar ist die Kassenlage deutlich verbessert. Doch braucht das Team derart viel neues Personal, dass die zur Verfügung stehenden Mittel kaum reichen dürften, um in der Bundesliga konkurrenzfähig zu sein.
Die Führungslosigkeit fügt sich in Kellers Verständnis einer Fußballmannschaft. Das Prämiensystem krempelte er um, beim FC erhalten alle Spieler die gleichen Bonuszahlungen, wenn ein Spiel gewonnen wird. Dabei war Fußball immer ein Heldensport: Es braucht besondere Spieler, die entscheidende Momente herbeiführen und die Dinge in die Hand nehmen. Doch beim 1. FC Köln der Gegenwart gibt es niemanden mehr, der sich dazu berufen fühlt. Das zeigte sich auch am Freitag gegen Regensburg.

Das Bild zeigt Struber 2024 bei seiner ersten Pressekonferenz beim 1. FC Köln neben Christian Keller (l.), Geschäftsführer Sport.
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Eine schlechte Kaderpolitik, der Abstieg, dazu die vollständige Fehleinschätzung, als es darum ging, die Transfersperre zu verhindern. Als die schließlich abgesessen war, durfte Keller im Januar wieder Spieler verpflichten. Und holte für knapp sechs Millionen Euro Ablöse ein Trio, das bisher alles ist, nur keine Verstärkung. Anschließend musste der langjährige Chefscout Martin Schulz gehen. Für vieles hatte Keller Erklärungen. Opfer der Umstände, Opfer der Vergangenheit, Opfer einer vermeintlich über Jahrzehnte gewachsenen Kultur der Erfolglosigkeit – in einem Verein, der sich im Mai 2017 nach drei Jahren Bundesliga in Folge als Fünfter für die Europa League qualifiziert hatte – mit rund 40 Millionen Euro Eigenkapital in den Büchern.
Am Ende stürzte Keller aber nicht über den sportlichen Niedergang. Es war die Fehleinschätzung, an seinem Trainer festhalten zu können – einem Coach, der ihn nicht einmal selbst begeisterte und bei dessen Wahl er nach Schultz erneut falsch gelegen hatte.
Doch die Uhren sind nun zurückgedreht auf die Zeit vor Keller. Wieder muss das Saisonziel gerettet werden. Von Funkel. Über Keller hatte der Altmeister Ende März im „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt: „Er ist eloquent, kann vieles gut erklären. Ich frage mich nur: Woher sollte Christian Keller denn auch die Expertise und Erfahrung haben, um bei einem großen Klub wie dem FC auch sportlich die richtigen Entscheidungen zu treffen?“
Diese Frage stellten am Sonntag auch andere. Nun ist Friedhelm Funkel zurück. Und Christian Keller beim 1. FC Köln Geschichte.