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Ex-1.FC Köln-Profi Martin Lanig im Interview„Ich musste das Lernen wieder lernen“

Lesezeit 5 Minuten

Spielte zwischen 2010 und 2012 für den 1. FC Köln: Martin Lanig

KölnHerr Lanig, im Sommer haben Sie überraschend ihre Laufbahn als Fußball-Profi beendet – mit 31 Jahren. Was waren die Gründe?

Es war in erster Linie wegen meine Knies. Ich hatte damit immer mehr Probleme. Ich habe ja das letzte halbe Jahr auf Zypern gespielt. Das lief so: Spielen, zwei, drei Tage raus zur Behandlung, zwei Tage trainieren, spielen, wieder Behandlung. Da habe ich mir irgendwann gedacht: Das ist es nicht mehr wert. Ich wollte es nicht hinauszögern, bis ich 38 bin. Dann mache ich lieber jetzt den Cut und gehe die Karriere nach der Karriere intensiv an.

Martin Lanig, geb. 11. Juli 1984 in Bad Mergentheim, spielte für TSG Hoffenheim (2003-2006), Greuther Fürth (2006-2008), VfB Stuttgart (2008-2010), den 1. FC Köln (2010-2012), Eintracht Frankfurt (2012-01/2015) und Apoel Nikosia (01/2015-2015). 123 Bundesliga-Spiele, davon 59 für Köln (2 Tore). 54 Zweitliga-Spiele. Karriereende im Sommer 2015. Lanig lebt mit seiner Frau, einem Kind und zwei Hunden in Pulheim. (ksta)

Sie waren mit Apoel Nikosia Double-Sieger, für die Champions League qualifiziert, standen unter Vertrag und hätten das letzte Jahr noch mitnehmen können. Warum nicht?

Ich habe den Vertrag aufgelöst, weil ich gesagt habe: Es macht für beide Seiten keinen Sinn mehr. Es war nicht so einfach, aber wir haben es geschafft.

Beim FC Bayern Zyperns unter Vertrag

Sollte Zypern der Auftakt einer Reihe von Auslandsstationen sein?

Nein, aber ich wollte gern noch eine Auslandserfahrung machen. Der Druck war sogar noch höher als in der Bundesliga. Das hätte ich nicht gedacht. Apoel ist so etwas wie das Bayern München Zyperns. Da darfst Du eigentlich kein Spiel verlieren. Es ist also nicht so, dass man da hingeht und sagt: Ich mach’ jetzt mal ein halbes Jahr gut bezahlten Urlaub. Das funktioniert nicht. Du kannst auch nicht immer am Strand gesehen werden und diese Dinge. Das ist genauso wie in Deutschland.

Sie hatten im Sommer Angebote, darunter auch von Bundesliga-Aufsteiger Darmstadt 98. Sie waren nicht mehr umzustimmen?

Nein. Wenn Du körperlich nicht mehr in der Lage bist, so zu spielen, wie Du es von Dir selbst erwartest, bringt es nichts mehr. Du willst ja Deine Leistung bringen, an die Grenze gehen können. Das ist immer noch die Bundesliga. Wenn ich das nicht mehr hundertprozentig kann, stecke ich lieber 100 Prozent in die neue Sache.

Karriereende als Gefühl der Freiheit

Wie war der erste Sommer ohne Vorbereitung mit einer Mannschaft?

Ein Gefühl von Freiheit. Wenn Du mal im Urlaub wirklich gar nichts machen musst, ohne Zwänge leben kannst, das war ein komisches Gefühl. Ich kannte es nicht anders, als im Urlaub mit der Pulsuhr laufen zu gehen, die alles dokumentiert. Jetzt kann ich laufen, so schnell ich will, so lange ich will. Das ist schon etwas anderes.

Aus Sicht von außen haben sie einen Traumberuf aus freien Stücken aufgeben. Wie waren die Reaktionen in Ihrem Umfeld?

Meine Frau unterstützt es. Man führt als Fußballer ja auch ein Nomadenleben. Die letzten 12 Jahre lang bin ich alle zwei Jahre umgezogen. Das ist für eine Familie keine Basis. Aber es gab auch Leute, die gesagt haben: ’Wie kannst Du nur? So viel Geld verdienst Du nie mehr. Sogar in der vierten Liga würdest Du mehr verdienen als in Deinem zukünftigen Beruf.’

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Martin Lanig seine Karriere nach der Karriere plant.

Fernstudium und finanzielle Vorsorge

Was machen Sie jetzt?

Ich studiere, Sportmanagement auf Bachelor. Ich denke, dass mit den 12, 13 Jahren Erfahrung aus dem Profifußball und dem betriebswirtschaftlichen Hintergrund die Grundlage für eine Karriere danach gegeben ist. Es ist ein Fernstudium, also sitze ich vor dem Computer und lerne. Ganz normal. Ich muss Hausarbeiten schreiben und all das. Ich musste nur erst das Lernen wieder lernen. Im Fußball musst Du ja die Birne nicht jeden Tag so sehr anstrengen. Aber man findet wieder rein.

Mussten Sie Ihren Lebensstil deutlich ändern?

Ich habe relativ früh erkannt, dass ich mit dem Geld so umgehe, dass ich das nicht muss. Ich wusste: Nach der Karriere einen entsprechenden Job mit zwei Stunden Arbeit am Tag und solcher Entlohnung zu finden, das wird schwer. Ich hatte also keinen Ferrari oder solche Dinge. Mir war klar: Es kommt eine Zeit, da kommt nichts mehr rein. Und dass, was Du hast, wird weniger. Es ist ja heute schon schwer, Geld so anzulegen, dass es nicht weniger wird. Und wir kennen Beispiele von Ex-Profis, sogar Nationalspielern, die in große Schwierigkeiten geraten sind.

Keine Reue

Wie geht es Ihnen mit Ihrer Entscheidung, zum Beispiel, wenn Sie Bundesliga schauen?

Ich bereue es überhaupt nicht. Wenn ich nie Bundesliga gespielt hätte, wäre es vielleicht anders. Es war ja eine geile Zeit, ich bin froh, dass ich es miterleben durfte. Aber es gibt im Leben noch andere Sachen. Jetzt geht es darum, sich auf einem anderen Feld noch mal zu beweisen. Es war nie mein Plan, irgendwann aufzuhören und zu sagen: Ich mach jetzt mal auf Privatier bis ans Ende meiner Tage.

Viele aktive Spieler machen sich keine Gedanken über das „Danach“.

Wenn Du zwischen 18 und 22 bist, musst Du alles auf eine Karte setzen, wenn Du den Sprung in die Bundesliga schaffen willst. Aber Mitte, Ende 20 habe ich mir schon meine Gedanken gemacht. Deswegen war es jetzt für mich auch nicht wichtig, ob ich den Schritt mit 34 oder 35 mache oder eben mit 31.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Zeit beim 1. FC Köln?

Ich kam aus Stuttgart, da konnte man in Ruhe arbeiten. Das war ein krasser Unterschied in Köln. In den zwei Jahren hatte ich vier verschiedene Trainer, mehrere Manager. Es war nicht leicht, unter den Rahmenbedingungen jede Woche Leistung zu bringen. Heute sage ich: Es war trotzdem wichtig, diese Erfahrung zu machen.

Das Gespräch führte Christian Oeynhausen