Timo Hübers„Wir hören nach Spielen in der Kabine fast nur kölsche Musik"

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Hübers Ballannahme Training

Timo Hübers beim Training am Geißbockheim

Köln – Der 1. FC Köln blickt zwei Spieltage vor Saisonende mit großen Hoffnungen auf das Rennen um einen Europapokalplatz. Auch FC-Innenverteidiger Timo Hübers ist frohen Mutes und sprach mit uns über sein Leben in Köln, sportliche Ziele und seinen Vertrag.

Herr Hübers, der 1. FC Köln veröffentlichte nach dem 4:1-Sieg in Augsburg ein Video aus der Kabine, in dem wirklich alle Spieler den Song „Tommi“ von der Kölner Band AnnenMayKantereit textsicher mitsingen – und dies offenbar nicht zum ersten Mal. Wie kam es dazu?

Timo Hübers: Das ist ja das Coole an Köln: Wir hören nach Spielen in der Kabine nicht einfach Charts, sondern fast nur kölsche Musik. Dass wir „Tommi“ laufen lassen und mitsingen, hat sich im Laufe der Saison entwickelt und irgendwie verselbständigt. Der Song ist eine Hymne an Köln, das passt einfach. Vor allem beim Refrain ist jeder mittlerweile textsicher.

Sie spielen ja zum zweiten Mal für den FC. Haben Sie mittlerweile schon kölsche Lieblingsbands?

Querbeat und Cat Ballou. Ich würde auch gerne mal zu einem Konzert der Bands gehen. Das war durch Corona zuletzt leider nicht möglich.

Sie sind mitten in die City in ein studentisch geprägtes, turbulentes Viertel gezogen. Mal bereut?

Überhaupt nicht. Beim ersten Mal habe ich noch im FC-Sportinternat gewohnt, jetzt wollte ich mitten ins Leben. Ich fühle mich superwohl. Es gibt coole Cafés, Restaurants und schöne Plätze. Und so laut ist es dort auch nicht.

Die Stadt erwacht gerade: Frühling, Freiheiten, ein erfolgreicher FC, der sowieso immer ein Thema in der City ist. Wie nehmen Sie das wahr?

Man spürt absolut dieses Erwachen. Die Leute sitzen wieder draußen in der Gastro, die Parks sind voll. In Köln habe ich sowieso immer das Gefühl, dass die Leute mehr ausgehen als anderswo. Und die Euphorie um den FC spürt man auch immer mehr, die geht an keinem vorbei. Die Menschen sind so verbunden mit dem Verein. Man wird ständig auf den FC angesprochen. Ich denke, wir haben den Fans mit dieser Saison ein Grinsen auf das Gesicht gezaubert.

„Manchmal schräg geguckt, als unser Trainer von Platz acht bis zwölf als Ziel sprach“

Zu Beginn der Saison sagten Sie in einem Interview mit dieser Zeitung, dass der Klassenerhalt das vorrangige Ziel sei. Müssen Sie sich heute manchmal zwicken?

Anfangs wurde man manchmal schräg geguckt, als unser Trainer von Platz acht bis zwölf als Ziel sprach. Doch dann hat sich wie ein roter Faden durch die Saison gezogen, dass es von der Denkweise der Spieler nicht darum ging, nur etwas zu verhindern, sondern aktiv etwas zu erreichen. Diese positive Zielsetzung hat neue Kräfte freigesetzt. Wir haben befreiter, selbstbewusster aufgespielt und dann stets die Ziele an unsere Entwicklung angepasst. Dass wir jetzt kurz vor Saisonende im ersten Drittel sind, damit hätte zu Saisonbeginn keiner gerechnet.

Ihre Entwicklung steht auch für dieses Saison. Sie hatten in der Hinrunde erneut Verletzungspech, waren nicht gesetzt. Jetzt werden Sie mittlerweile als „Abwehrchef“ tituliert. Was macht das mit Ihnen?

Während und nach meiner Verletzung hatten es die anderen Jungs in der Innenverteidigung wirklich gut gemacht. Ich war schon hintendran. Natürlich habe ich dann vom überraschenden Weggang von Rafa Czichos in der Winterpause profitiert. Ich denke aber, ich habe das Vertrauen dann durch meine Leistungen gerechtfertigt. Ich habe einen guten Sprung nach vorne gemacht. Aber es ist jetzt auch nicht so, dass ich bei meinen vorherigen Stationen wie bei Hannover 96 keine Verantwortung hatte. Klar, der FC spielt eine Liga höher und ist ein größerer Verein, aber die Abläufe und Vorgänge in einer Profi-Mannschaft sind ähnlich. Ich gebe im Sinne der Mannschaft alles – und da gehört bei mir auch dazu, Kommandos zu geben und voranzugehen.

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Es gab Phasen in Ihrer Karriere, in denen es nicht so lief. Sie hatten zwei Kreuzbandrisse, danach folgten zwei Knie-OPs. Ist das noch im Hinterkopf?

Ganz aus meinem Kopf verschwunden sind diese Zeiten nicht, aber sie hemmen mich auch nicht. Dadurch weiß ich aber vielleicht noch mehr zu schätzen, was das gerade für eine coole Zeit, was das für ein cooler Job ist. Wenn man mal ein Jahr lang raus und in der Reha ist, macht alles viel weniger Freude. Da habe ich mir schon mal kurz gedacht: ,Lass es doch sein und konzentriere dich auf das Studium‘. Aber dann folgten auch schnell wieder bessere Zeiten, in denen du neu Blut leckst. Es ist ein Privileg, ein gesunder Fußballprofi zu sein und vor 50.000 positiv verrückten Fans zu spielen.

„Für den Wechsel gibt es zehn von zehn Punkten“

Mit Ihrem Wechsel im letzten Sommer von Hannover nach Köln haben Sie offenbar alles richtig gemacht.

Absolut. Das Leben besteht natürlich nicht nur aus Fußball, ich habe auch in Hannover viele Freunde. Sportlich betrachtet würde ich sagen: Für den Wechsel gibt es zehn von zehn Punkten (lacht). Ich hätte es mir nicht besser vorstellen können.

Timo Hübers lächelt

FC-Verteidiger Timo Hübers

Vor einem Monat gab es mal eine heikle Phase: Niederlage nach einem müden Spiel bei Union Berlin, dann ein 0:2 zur Pause gegen Mainz. Was ist dann passiert?

Gute Frage. Spätestens mit dem Dreierwechsel des Trainers nach 60 Minuten gegen Mainz ist noch einmal ein Ruck durch die Mannschaft gegangen. Es bestand die Gefahr, dass die Saison unterbewusst etwas austrudelt. Aber das wollten wir auf keinen Fall. Und mit den Fans im Rücken und mit einer Einheit auf dem Feld, die weiß, dass sie das Spiel noch drehen kann, hat alles noch einmal eine ganz andere Wendung genommen und uns zusätzlich Aufwind gegeben. Jetzt wollen wir die gute Saison auch über die Ziellinie und Europa unter Dach und Fach bringen.

Wie schätzen Sie den nächsten Gegner Wolfsburg ein?

Der ist schwer einzuschätzen. Man sollte nicht vergessen, dass Wolfsburg in der vergangenen Saison Vierter war und 28 Punkte mehr als der FC hatte. Beim VfL ist schon einiges an Qualität. Aber die haben wir auch.

„Jeder stellt sein Ego hintenan“

Die Kölner Mannschaft wirkt von außen wie eine echte Einheit: keine Cliquen, keine Störenfriede, keine Diven. Ist das auch ein Erfolgsgeheimnis?

Das kann ich absolut so unterschreiben. Jeder stellt sein Ego hintenan und sich in den Dienst der Mannschaft. Es gibt wirklich keine Cliquen. Jeder hat das Gefühl, dass er wichtig ist. Das vermittelt vor allem der Trainer und es wird vom ganzen Team so gelebt. Ich denke, da wurde vom Verein im vergangenen Sommer einiges richtig gemacht.

Spielen Sie kommende Saison denn weiter für den 1. FC Köln? Angeblich sollen Ihnen ja Offerten aus der Premier League aus Leeds oder von Crystal Palace vorliegen…

Was soll ich dazu sagen? (lacht) Ich habe noch einen Vertrag beim FC bis 2023.

„Ich fühle mich beim FC und in Köln superwohl“

Wollen Sie denn bleiben?

Ich hätte überhaupt nichts dagegen. Ich fühle mich beim FC und in Köln superwohl. Ich würde gerne noch vieles mit dem FC erreichen und vielleicht sogar in Europa spielen. Aber natürlich weiß man als Profi nie, was passiert. Aber ich würde schon gerne mit den Jungs die Lorbeeren ernten, die wir gesät haben.

Sollte sich der FC für Europa qualifizieren, können Sie sich ja ausmalen, was dann los ist. Kann man das überhaupt freiwillig aufgeben?

Das möchte ich ja auch gar nicht (lacht). Ich male es mir aber noch nicht aus, denn wir haben das Ziel ja noch nicht erreicht und wissen auch noch gar nicht, in welchem Wettbewerb wir möglicherweise spielen.

Aber was ist denn nun mit den angeblichen Angeboten aus England?

Die Gerüchte haben die Leute um mich herum wohl verrückter gemacht als mich selbst (lacht). Ich habe jedenfalls nichts Konkretes gehört.

Der neue Sportchef Christian Keller hat erklärt, dass der FC auf nennenswerte Transfererlöse angewiesen sei und zudem den Personalaufwand um 20 Prozent reduzieren müsse. Besteht da die Gefahr, dass in einer kommenden Saison mit internationalen Verpflichtungen das neue Niveau nicht mehr gehalten werden könnte?

Die sehe ich im Moment nicht. Fast alle Spieler haben einen Vertrag für die kommende Saison. Die Verlängerungen von Benno Schmitz oder Florian Kainz haben gezeigt, dass die Jungs Bock auf den FC haben. Jeder, der irgendwie mit einem Vereinswechsel liebäugeln sollte, wird sich das ganz genau überlegen. Das Grundgerüst wird sicher so bestehen bleiben.

Sie könnten Ihren Vertrag ja auch vorzeitig verlängern, oder?

Das könnte ich, stimmt (lacht). Mein Berater und ich sind da im Austausch mit dem Klub. Es gibt aber keinen Zeitdruck.

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