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Schalker und BVB-Fan kommentieren DerbyWar es das letzte Revierduell für lange Zeit?

Lesezeit 4 Minuten
Schalke Maskottchen Erwin Schalke

Symbolisch: Schalkes Maskottchen „Erwin“ steht alleine auf der leeren Tribüne in der Veltins-Arena. (Archivfoto)

  1. Lukas Eisenhut, Volontär beim „Kölner Stadt-Anzeiger“, ist seit 1994 Schalke-Fan und verbindet Familie, Freude, eine Menge Unzufriedenheit und vier ganz besonders schöne Minuten mit dem Verein.
  2. Redakteur Martin Böhmer ist Dortmunder Borusse und in ein Dilemma geraten: Dem Erzrivalen kann man keine Punkte gönnen, aber ohne Revierderby wär die Liga deutlich trister.
  3. Ein Doppel-Kommentar von sportlichen Feinden, die beim drohenden Schalker Abstieg Gemeinsamkeiten finden.

Neun Punkte nach 22 Spieltagen. Das sind die blanken Fakten für Bundesliga-Schlusslicht FC Schalke 04. Nach der Niederlage im Revierderby verschärft sich die Lage für die Königsblauen noch weiter. Doch was, wenn Schalke wirklich absteigt? Zwei Anhänger der verfeindeten Vereine im Doppel-Kommentar über die Bedeutung des Revierderbys für sie.

Schalker Perspektive: Diese Niederlage fühlt sich besonders mies an

Angefangen hat mein Tag wie jeder andere Revierderby-Tag auch: Telefonat mit dem besten Freund. Er ist Dortmunder, ich bin Schalker. Ein wenig über das Spiel reden. Was denkt er? Was denke ich? Viel Spaß wünschen, verabschieden. Bis zum nächsten Tag. Um die Freundschaft nicht zu gefährden. Das war so gegen 10 Uhr.

Eigentlich findet das Derby immer um 15.30 Uhr statt, damit es hell ist rund ums Spiel. Dieses Mal war es anders. Anstoß um 18.30 Uhr, der Tag war also besonders lang. Die Anspannung war die ganze Zeit da, und trotz der miesen Ausgangslage sogar Vorfreude. Ein gutes Gefühl, vielleicht klappt es ja doch mit dem Derbysieg.

Nun, um 20.30, Uhr ist klar: Nein, es hat nicht geklappt mit dem Derbysieg. Nicht einmal ein Unentschieden hat es gegeben. Nur eine Niederlage, und die war nicht einmal knapp. Vor dem Spiel habe ich gedacht, eine Niederlage würde nicht mehr wehtun als Niederlagen das in dieser Saison sowieso tun. Immerhin ist jedes verlorene Spiel ein Schritt mehr auf dem Weg zum Abstieg. Es geht um mehr als um das Derby, Schalke hat wichtigeres im Kopf. So zumindest mein Ansatz.

Schalke Tribüne

Blick in die Veltins-Arena: Schalker Fans zeigen eine Choreografie. (Archivbild)

Doch diesen Ansatz musste ich während des Spiels verwerfen, die Niederlage fühlt sich besonders mies an. Die Tabellensituation ist wie sie ist, daran kann ich aktuell nicht denken. Im Moment nervt es mich nur, den BVB jubeln zu sehen.

Es war das wahrscheinlich letzte Revierderby für längere Zeit. Eines, das die Bezeichnung „Derby” nicht wirklich verdient. Ein Derby fühlt sich immer offen an. Heute war das anders. Selten hat die Tabellensituation so exakt das Leistungsvermögen angezeigt wie in diesem Spiel.

Das mag auch daran liegen, dass die Tribünen leer waren. Ohne Fans im Stadion ist es nicht das Gleiche. Weder für die TV-Zuschauer noch für die Mannschaften. Vielleicht wäre es mit einer ausverkauften Veltins-Arena anders gelaufen. Vielleicht wären die Leistungen auf Augenhöhe gewesen. Vielleicht aber auch nicht.

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Morgen werde ich meinen besten Freund anrufen. Ein wenig über das Spiel reden. Was denkt er? Was denke ich? Es wird wahrscheinlich für mindestens ein Jahr das letzte Mal sein, das wir das machen. Schalke wird wohl absteigen, der direkte Wiederaufstieg ist nicht leicht. Das Derby würde fehlen, auch der kompletten Bundesliga.

Wenn es so kommen sollte, dann gibt es immerhin eine gute Nachricht: Wenn das nächste Derby in der Bundesliga stattfindet, sind vielleicht wieder Zuschauer zugelassen. Und dann heißt ein Spiel zwischen Schalke und Dortmund zurecht wieder „Derby”.

Dortmunder Perspektive: Identitätsverlust für das Ruhrgebiet und die Liga

BVB Südtribüne

Die Dortmunder Profis feiern mit den Fans vor der Südtribüne. (Archivbild)

Kohle, Bier, Borussia. Dieser Dreiklang prägte lange Dortmund. Die Zechen ruhen, statt Pils fließt Craftbeer und jetzt droht auch noch das Revierderby wegzufallen? Ein Schalker Abstieg wäre ein Identitätsverlust für eine ganze Region – auch für Dortmund.

Das Revierduell ist besonders. Wenn nicht gerade eine weltweite Pandemie die Stadien schließt, kribbelt es am Derby-Tag kurz nach dem Aufstehen. Die von Fan-Gesang begleitete Fahrt in den „Tempel“. Die Gespräche unter Dortmunder Borussen wie man an diesem wichtigsten aller Tage „die Blauen so richtig weghauen“ wird. Es ist eine gesunde Rivalität im Ruhrgebiet und die wichtige Frage, wer bis zum nächsten Derby die Hoheit über eigentlich alles hat. Für viele Dortmunder sind die Revierduelle wichtiger als ein Titelgewinn – auch für mich.

Ist das romantische Verklärung des Fußballs? Natürlich!

Die börsennotierte Borussia Dortmund GmbH & Co. KGaA ist mit Millionen-Transfers und Big-Player-Ansprüchen im Geschäftsmodell Bundesliga längst nicht mehr der Arbeiterverein, als der er sich gerne vermarktet.

Und doch sind es die Erinnerungen mit Malocher-Charme, die bleiben. Sabine Töpperwien kommentierte euphorisch in „WDR2 Liga Live“ das Derby rund, während ich als laufendes Ruhrpott-Klischee in Kinderklamotten für ein paar Mark das Nachbarauto geputzt habe. Die vielen Male auf der Südtribüne, bei denen ich pilsbetrunken die Stimmbänder wundgebrüllt habe – und stolz darauf war. Und das Grinsen im Gesicht meines Vaters, wenn er nach dem Derbysieg im Büro das BVB-Poster aufhängen konnte, und der Schalker Kollege sein Poster abhängen musste. Die Reviergrenze verläuft durch jedes Büro, jede Schule, jeden Bolzplatz.

Wenn Schalke wirklich absteigt, dann fühlt es sich so an, als würden die Erinnerungen mitabsteigen. Und deswegen – hätte ich auch nie gedacht, dass ich das einmal schreiben werde – ein Appell: Schalke kriegt's auf die Reihe und bleibt in der Liga. Nur Punkte gibt's vom BVB nicht.