Wenn der Rhein zum Steinbruch wird

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Ein breiter Strand mit Blick auf die Wesselinger Chemiewerke.

Ein breiter Strand mit Blick auf die Wesselinger Chemiewerke.

Er fällt und fällt und fällt. Am Montag hat der Rheinpegel die 1,30-Meter-Marke unterschritten.

Kölns Hochwasser-Chef Reinhard Vogt macht Urlaub in Finnland, seine Kollegin Yvonne Wieczorrek nutzt die Zeit zu einer Fortbildung. In der Hochwasserschutzzentrale hält eine Studentin aus Dresden die Stellung, arbeitet an einem neuen Merkblatt für die Zeiten, in denen der Rhein mal wieder über seine Ufer schwappt; schließlich ist nach der Flut immer vor der Flut. Auch wenn sich das momentan kein Mensch vorstellen kann.

Zwischendurch beantwortet sie selbst kurioseste Fragen mit einer Engelsgeduld: zu Fuß durch den Fluss? Davon rät sie dringend ab. Das sei erstens lebensgefährlich und werde zweitens selbst dann nicht gelingen, wenn der Pegel die Rekordmarke vom 4. November 1947 unterschreiten sollte. Damals stand er bei 83 Zentimetern, doch die 150 Meter breite Fahrrinne ist einen Meter tiefer und lasse solchen Unfug nicht zu. Von der Strömung ganz zu schweigen. Diesen Spaß gönnte der Rhein den Kölnern zuletzt anno 1540, als er gänzlich ausgetrocknet war. Im Juni 1387 holte man sich bei diesem Vergnügen wenigstens noch nasse Füße.

Rund fünf Zentimeter fällt der Pegel derzeit täglich, zumindest die Marke von 1991, als der Fluss 101 Zentimeter erreichte, scheint zu knacken. Sehr zum Verdruss der Rheinschiffer, denen die Wasserschutzpolizei schon jetzt rät, sich rechtzeitig einen Liegeplatz zu sichern. Viele stehen wegen des Niedrigwassers bereits nicht mehr zur Verfügung. Schon seit Wochen fahren die Frachter mit halb leeren Bäuchen, ein Geschäft, das sich bald nicht mehr lohnt.

Wenn der Rhein zum Steinbruch wird: Fährmann Heiko Dietrich hat am Wochenende tonnenweise Wackersteine ans Ufer geschleppt. Sonst hätte er selbst mit seinem kleinen Fährboot „Krokodil“ nicht mehr zwischen Weiß und Zündorf pendeln können. Die „Frika“, die er sonst zum Ausflugsverkehr einsetzt, liegt bereits still. Auch das Sürther Bootshaus liegt zur Hälfte schon auf Grund. Die Ausflugsdampfer der Köln-Düsseldorfer fahren unbeirrt - für sie ist der Wasserstand noch lange kein Problem.

Und für die GEW? „Wir haben Wasser satt“, sagt Sprecher Christoph Preuß. Was aus den Kölner Hähnen fließe, sei selbst bei normalen Wasserständen zu maximal 30 Prozent Rheinuferfiltrat, der übergroße Teil sei Grundwasser. Dieser Anteil werde sich in den nächsten Wochen peu à peu zu Gunsten des Grundwassers erhöhen. Dieser Prozess setze mit einer Zeitverzögerung von rund sechs Wochen ein, „so lange braucht das Rheinuferfiltrat, bis es gereinigt in die Grundwasserschichten vorgedrungen ist.“ Trotz der Hitze liege der Wasserverbrauch der Kölner mit 240 000 Kubikmetern pro Tag nur geringfügig über dem Jahresdurchschnitt (227 600 Kubikmeter). Daran hat auch der Hochwasser-Boss Reinhard Vogt seinen Anteil. Weil er derzeit in Finnland duscht und wie Zehntausende andere Kölner der GEW vorübergehend den Hahn abgedreht hat.

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