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Tag der offenen WerkstoreMehr als 2000 Oberberger besuchten 36 Betriebe bei der ersten „Nacht der Technik“

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Wipperfürth, Nacht der Technik bei Voss

Interessierte konnten bei der „Nacht der Technik“ bei Voss in Wipperfürth hinter die Kulissen blicken.

Am Freitagabend hat die erste „Nacht der Technik“ in Oberberg stattgefunden. Veranstalter freuten sich über großes Besucherinteresse.

Es war eine Mischung aus Messe und Museumsnacht. Vor allem aber Technik, die begeistert: Nach einer ersten Schätzung der Organisatoren haben am Freitag bei der ersten „Nacht der Technik“ in Oberberg mindestens 2000 Besucherinnen und Besucher zwischen Wipperfürth und Morsbach zusammen mehr als 5000 Termine absolviert. Deutlich mehr als bei den Premieren der Technik-Nächte, welche die Ingenieursverbände VDI und VDE seit zehn Jahren bereits anderenorts im Rheinland organisiert haben.

Die genauen Zahlen, sagt Urban Plößl von der Agentur plan deluxe am Abend, könne er erst Mitte der Woche übersehen, wenn alle 36 Unternehmen und Einrichtungen auch die Gäste zurückgemeldet haben, die Angebote ohne Anmeldung besucht haben.

„Nacht der Technik“: Morsbacher auf Studienorientierung

Plößl hat vor der Gummersbacher Hochschule Position bezogen. Der Infopavillon markiert eines von drei Drehkreuzen im Kreis, von denen aus Shuttlebusse die Technikfreundinnen und -freunde zu den Firmen bringen. Die Mehrheit ist aber im eigenen Pkw unterwegs. Das technikaffine Publikum bucht sich im Normalfall übers eigene Mobiltelefon bei den Besichtigungen und Führungen ein.

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Pößl und Mitarbeiterin Sabrina Iven werden jedoch auch immer wieder als analoges Reisebüro in Anspruch genommen. Ob der Wolfsburger Ferchau-Manager auf Kundensuche oder der Morsbacher Vater mit Sohn bei der Studienorientierung, jeder bekommt Tipps, wann und wo man noch einen freien Platz findet. Die ersten Führungen ab 18 Uhr sind nämlich nahezu komplett ausgebucht, erst nach 22 Uhr werden die Chancen wieder besser.

Tim David Ochel (31) ist mit Vater Rainer und Bruder Ken unterwegs und lässt sich am Infopavillon eine Stippvisite bei Unitechnik empfehlen, um die Wartezeit bis zu den Führungen bei Kampf und Abus zu überbrücken. „Das hier ist eine gute Gelegenheit, in andere Betriebe hineinzuschauen“, sagt der Elektroingenieur. „So eine Besichtigung ist viel aufschlussreicher als ein Messebesuch.“

Im Umkreis des Gummersbacher Drehkreuzes kann man in der Zentrale der Able-Group und im Innovation Hub, vor allem aber in der Technischen Hochschule auch ohne Anmeldung spannende Technik erleben. In den Laboren gibt es viel zu gucken. Prof. Dr. Felix Hackelöer arbeitet mit seinen Studenten an smarten Lösungen für die industrielle Automation und führt ein Projekt vor, dass die komplexe Technik an der Schnittstelle von IT und Maschinenbau süffig veranschaulicht: Eine Cocktailmixmaschine füllt farbige Flüssigkeiten exakt dosiert in einen Becher.

Der Professor hofft, dass mehr Studienanfänger erkennen, dass sie in seinem Bereich besser aufgehoben sind als in der von abstrakter Mathematik dominierten Informatik. Zum Trinken bietet Hackelöer aus hygienischen Gründen lieber Cola aus der Flasche an. Er freut sich über ein großes Besucherinteresse: „Ich hätte mehr Getränke kaufen sollen.“

Oberberger schauen bei „Nacht der Technik“ hinter sonst verschlossene Werkstore

Für Dipl.-Ing. Johannes Schmitt soll der Abend um Mitternacht bei einem Glas Kölsch zu Ende gehen, das er sich bei der Firma Hospicall gönnt. Der ehrenamtliche Projektleiter vom Kölner VDI-Bezirksverein berichtet am Ende seiner Rundtour von einem „durchweg positiven Feedback“ seitens der Firmen. Bei der Kölner Nacht kämen viele Besucher aus reiner Schaulust zu Ford oder den Verkehrsbetrieben.

Auch in Oberberg hätten viele neugierige Technikfreunde die Gelegenheit genutzt, einmal hinter sonst verschlossene Werkstore zu schauen. Außergewöhnlich hoch sei allerdings der Anteil von Menschen gewesen, die ganz konkretes Interesse an einem Job oder einen Ausbildungsstelle waren: „Es waren die richtigen Leute, die da waren.“


Auch Voss in Wipperfürth und Sarstedt in Nümbrecht öffneten ihre Werkstore für Technikbegeisterte:

Bei der Firma Voss in Wipperfürth schaut sich Lorenz Feldmar die Werkstücke an, die die einzelnen Arbeitsschritte vom Rohmaterial zum filigranen Endprodukt dokumentieren. Der Maschinenbaustudent ist mit zwei Freunden aus Leverkusen angereist, um sich die Autoteilefirma anzuschauen. 15 Teilnehmer hat jede der sechs Führungen, die diesem Abend angeboten werden. Montagechef Markus Jeschonnek zeigt dem Leverkusener Studenten und seinen Begleitern beim Rundgang die verschiedenen Bereiche der Firma, wo jeweils eigens vorbereitetes Anschauungsmaterial bereitsteht.

Los geht es in der Produktion. „Wir verarbeiten hier 1000 Tonnen Messing pro Jahr, alle drei Sekunden fällt ein fertiges Teil von der Maschine.“ Weiter geht es zum Benchmarking, wo die Leitungssysteme mit dem steten Ziel der Verbesserung analysiert werden, bis hin zur Vorserienproduktion. Hier werden neue Muster produziert, um sie testen zu können. Die Besucher sind aus ganz unterschiedlichen Motiven gekommen. Annette und Christoph Lichtinghagen aus Wipperfeld möchten mehr über die ortsansässigen Firmen erfahren. Familie Schönwies aus Kierspe nutzt die Gelegenheit, um die Entwicklung der Firma zu sehen, in der der Vater vor 40 Jahren selbst gearbeitet hat. Alle sind begeistert und hätten nicht gedacht, dass sie so detaillierte Einblicke bekommen.

Spezielle Führungen für Jugendliche bei Sarstedt in Nümbrecht

Die Firma Sarstedt, die in Nümbrecht-Rommelsdorf Medizin- und Labortechnik produziert, setzt bei der „Nacht der Technik“ voll auf die Anwerbung von Fachkräften – oder jungen Menschen, die es einmal werden wollen. Neben den Führungen durch die Produktionshallen für Erwachsene hat der größte Arbeitgeber der Gemeinde speziell für Jugendliche bis 23 Jahre die Führung „Young Talents“ organisiert.

In einem Einführungsvideo erfahren die Teilnehmer, dass das erste Produkt des Labor- und Medizintechnikherstellers mit rund 3000 Mitarbeitern vor gut 60 Jahren eine Tablettenröhre aus Kunststoff für Bayer war. Eine Besonderheit ist, dass praktisch alle Produktionswerkzeuge für die Kunststoffspritzgussmaschinen sowie die vielfältigen Sondermaschinen in eigenen Werkstätten hergestellt werden. Joana Kolb, die ihre Ausbildung als Industriekauffrau im vorigen Jahr abgeschlossen hat, ist auf die Fragen der Besucher bestens vorbereitet. Sie zeigt ihnen die Werkstatt im 2016 für eine halbe Million Euro errichteten Ausbildungszentrum.

Dort erklärt Ausbildungsleiter Andreas Fiedler, dass die Jugendlichen, unabhängig davon, welchen der fünf Ausbildungsberufe sie gewählt haben, in unterschiedlichen Produktionsbereichen eingesetzt werden, um einen optimalen Platz für sie zu finden. Fiedler weiß: „Ausbildung ist die Zukunft des Unternehmens.“ (ckk/kup)

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