Ford-Chef Herrmann nach dem Autogipfel„Die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt“

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Ford Mauer

Ford-Logo in Köln

  • Der angeschlagenen Branche soll nun doch stärker geholfen werden, als bislang geplant. Das ist das Ergebnis des Autogipfels.
  • Der Kölner Ford-Chef, Gunnar Herrmann, erzählt von den Gesprächen der Automanager mit der Kanzlerin und wie er Ford derzeit aufgestellt sieht.
  • Ford will auch bei autonom fahrenden Fahrzeugen eine führende Rolle einnehmen, erzählt Herrmann im Gespräch.

Köln – Die Erwartungen an den Autogipfel waren zwar nicht allzuhoch. Trotzdem gingen von der Videokonferenz, an der neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesministern und Vertretern von Autoherstellern sowie Gewerkschaften und Ministerpräsidenten aus „Auto“-Ländern teilnahmen, Signale aus. Der angeschlagenen Branche soll nun doch stärker geholfen werden, als bislang geplant.

„Wir hatten einen wirklich interessanten und produktiven Gipfel“, sagt Fordchef Gunnar Herrmann dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Im Fokus habe die gemeinsame Anstrengung von Politik und Industrie gestanden, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Automobilindustrie in Deutschland weiterhin treibende Kraft in der Transformation zur Mobilität der Zukunft bleiben kann. „Die wirtschaftliche Lage ist ohne Zweifel angespannt und wird auch noch eine ganze Weile kritisch bleiben. Ich glaube, darin waren sich auch alle Anwesenden einig“, so Herrmann.

Branche war schon vorher geschwächt

Im Zuge der Corona-Krise waren die Verkäufe nahezu aller Hersteller drastisch eingebrochen. Hinzu kamen Probleme in den globalen Lieferketten. Dabei traf es die Branche zu einem Zeitpunkt, in dem sie ohnehin schon geschwächt war. Auf der Suche nach Antriebsarten der Zukunft und strikteren Emissionsvorgaben etwa durch die EU, müssen die Hersteller Milliardensummen für Forschung aufbringen – was in Folge von Corona und der wirtschaftlichen Lage noch schwerer werden dürfte.

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„Angesichts des Technologieumbruchs als auch den Folgen der Corona-Pandemie kann man kein schnelles Wachstum erwarten, wir rechnen bestenfalls mit einer Stagnation oder sogar einem Schrumpfen der Wirtschaft“, sagt Fordchef Herrmann. Das bedeute für die Ford-Werke, dass man langfristige Zukunftsinvestitionen in die deutschen Standorte tätigen müsse. „Allerdings brauchen wir für den Strukturwandel im Bestand auch bessere Unterstützung der Bundesregierung“, fordert der Automanager.

Die Ergebnisse des Gipfels

Klar ist, dass es vorerst keine weiteren direkten Absatzhilfen in Form von Zuschüssen auch für neue Verbrennerautos geben wird, auch wenn dies vor dem Gipfel erneut gefordert worden war. „Die Plug-In-Technologie ist ein klarer Türöffner für die Elektromobilität“, sagt Herrmann. Vor diesem Hintergrund sei es verständlich von gesellschaftspolitischer Seite, nicht weiter die Verbrenner fördern zu wollen, auch wenn es aus konjunktureller Sicht geboten gewesen wäre. „Auch für uns ist das ein klares Signal. Wir setzen nicht nur im Pkw Bereich auf Hybridisierung, sondern auch bei den leichten Nutzfahrzeugen“, so der Fordchef.

Ein zentraler Punkt des Gipfels war die angespannte Lage der Zulieferindustrie. Ihr Eigenkapital soll gestärkt werden. Andernfalls fürchtet man eine Vielzahl von Insolvenzen besonders bei kleineren und mittleren Betrieben. Eine Arbeitsgruppe soll nun bis zum nächsten Treffen im November untersuchen, ob und wie ein „marktwirtschaftliches Konzept“ entwickelt werden könnte.

Zum anderen soll laut Ergebnispapier geprüft werden, welche weiteren Aspekte bei den im Konjunkturpaket der Bundesregierung vorgesehenen „Zukunftsinvestitionen“ in die Branche berücksichtigt werden sollten. Die Koalition hatte im Juni ein zusätzliches Programm über insgesamt zwei Milliarden Euro für Zukunftsinvestitionen der Fahrzeughersteller und der Zulieferindustrie beschlossen. Damit sollen etwa Investitionen in neue Technologien gefördert werden. Das Wirtschaftsministerium arbeitet derzeit an der Umsetzung.

Die Zukunftsfelder

Damit Deutschland ein „technologieoffener, global führender Standort“ für die Automobilwirtschaft bleibe, sollten die Herausforderungen nun verstärkt angegangen werden – im Abschlusspapier genannt werden neue Antriebstechnologien, Digitalisierung, gute Beschäftigung und Klimaschutz. So soll Deutschland Vorreiter werden beim Automatisierten und Autonomen Fahren. Deutschland will das erste Land weltweit sein, das fahrerlose Kraftfahrzeuge im Regelbetrieb erlaubt.

Ziel sei es, bis zum Jahr 2022 Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen auf die Straße zu bringen. Hier sieht sich Ford gut aufgestellt. „Wir sind bereits in einigen Testfeldern in Deutschland unterwegs, es wäre ein großer Schritt mit unseren Pilotfahrzeugen im Mischverkehr auf deutschen Straßen fahren zu können“, so der Fordchef.

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Außerdem soll ein „Datenraum Mobilität“ geschaffen werden. Die Automobilwirtschaft will dazu „im Rahmen der Vertragsfreiheit“ Mobilitätsdaten zur Verfügung stellen. Beim Aufbau eines Ladenetzes für Elektroautos sollen Wirtschafts- und Verkehrsminister „zeitnah“ mit der Energiewirtschaft zu einem zweiten Spitzengespräch zusammenkommen. Dabei sollen Vereinbarungen über ein einheitliches Bezahlsystem und eine kundenfreundliche Nutzung von öffentlichen Ladesäulen erreicht werden. An diesen kommen bisher sehr unterschiedliche Modelle zum Einsatz. (mit dpa)

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