Trusted Shops kratzt an 100 Millionen Euro Umsatz. Jean-Marc Noël gehört mehr als die Hälfte des Kölner Unternehmens. Das ist seine Geschichte.
Kölner Gründer von Trusted Shops„Die erste Million auf dem Konto? War mir nie wichtig“

Trusted-Shops-Gründer Jean-Marc Noël
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Herr im eigenen Haus zu sein, das sei ihm immer enorm wichtig gewesen, sagt Jean-Marc Noël im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Herr im eigenen Haus, das ist der 59-Jährige bis heute. Vor 25 Jahren gründete Noël in Köln mit seinem Geschäftspartner Ulrich Hafenbradl Trusted Shops. Das Digitalunternehmen prüft Online-Shops auf ihre Vertrauenswürdigkeit und zeichnet sie mit einem Gütesiegel aus. Trusted Shops kratzt in diesem Jahr am 100-Millionen-Euro-Umsatz – und der Kölner Franzose Noël hält bis heute mehr als die Hälfte der Anteile an der Firma.
„Dass ich nach Köln gekommen bin, war Zufall. Den französischen Wehrdienst konnte man damals ableisten, indem man 16 Monate für eine französische Firma im Ausland arbeitete. Ich bewarb mich bei einer Bank, der heutigen BNP Paribas, und wurde zum Gespräch eingeladen. Tatsächlich fragte mich der Finanzchef dann, ob ich nicht nach London wollte, so könnte ich auch den Wehrdienst machen. Als wäre es gestern, höre ich mich sagen: Lassen Sie mich überlegen – ja! Drei Monate später sagte er, London wird schwierig. Aber Sie könnten nach Köln, sprechen Sie Deutsch? Oh, ein bisschen, habe ich geantwortet. So ging es nach Köln. Als ich ankam, musste ich feststellen, dass die Kölner sich hartnäckig weigerten, das Deutsch zu sprechen, das ich gelernt hatte. Ich habe nichts verstanden. Einen Monat später fiel die Mauer. Das war eine hoffnungsvolle Zeit, eine verrückte Zeit.“
Nach den ersten 16 Monaten in seiner neuen Heimat könnte er zurück, nach Paris, bei der Bank Karriere machen. Doch die französische Hauptstadt kommt ihm damals wie ein Museum vor. Alles war schon da. Und Köln, diese offene Stadt, habe ihn gut aufgenommen, sagt er. Jean-Marc Noël bleibt in Köln, bis heute. Er programmiert eine Software, verkauft sie an eine Bank. Dann gründet er mit Ulrich Hafenbradl eine Beratungsgesellschaft, noch heute ist sein Partner ein enger Vertrauter. Jahre später gründen sie gemeinsam Trusted Shops.
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„Die Idee wurde 1998, 99 geboren. Im Magazin The New Yorker gab es einen ikonischen Cartoon von Peter Steiner. Ein Hund sitzt an einem Computer und sagt zu einem anderen Hund: Im Internet weiß niemand, dass ich ein Hund bin. Das war für mich der Auslöser, über das Problem des fehlenden Vertrauens im Internet nachzudenken. Die Lösung war Trusted Shops. Ich wusste, wenn ich das richtig gut mache, kommt alles andere von selbst. Damals gab es noch nicht die Masse an Webshops. Es waren vor allem die klassischen Versandhändler, die es damals im Internet versucht haben. Trotzdem habe ich direkt ein großes Potenzial gesehen.“
In der Anonymität des wachsenden Internets soll, so die Idee, ein Gütesiegel Käufern sofort zeigen: Diesem Webshop kann ich vertrauen – und wenn etwas schiefgeht, bekomme ich mein Geld zurück. Mit einem kleinen Team um ihn und Hafenbradl arbeitet Noël drei Monate lang jeden Tag wie verrückt an Produkt und Werbekampagne. Der Kölner Versicherungskonzern Gerling, ein Großkunde von Noëls Beratungsgeschäft, steigt ein. Ein großes Glück, sagt Noël, vorher und nachher habe es kein Zeitfenster gegeben, an dem das geklappt hätte. Nur wenige Jahre später wird das ins Trudeln geratene Unternehmen geschluckt, der Name verschwindet.
„Ende 1999 bin ich von Hamburg nach München gefahren und habe Online-Shops besucht, ihnen meine Idee dargestellt. Alle, denen ich vom Konzept erzählt habe, haben sofort verstanden, was ich vorhabe. Sie hatten viel Geld in ihre Shops investiert und wollten alles dafür tun, vertrauenswürdig zu sein. Am 18. Januar 2000 sind wir an den Start gegangen, mit einer großen Pressekonferenz im Mediapark. Ich konnte Helmut Thoma dafür gewinnen, den langjährigen RTL-Chef. Dank ihm kamen sämtliche Journalisten und Fernsehstationen, das war wichtig zum Start. Denn mir war klar, der Erfolg würde sich in den Köpfen der Verbraucher entscheiden. Wir mussten eine Marke etablieren. Mir war außerdem wichtig, nicht nur unser Konzept vorzustellen, sondern auch schon Kunden zu haben. Fünf wollte ich vorweisen können. Nur 15 Minuten vor Start der Pressekonferenz habe ich den Vertrag mit Bertelsmann abgeschlossen, das war unser fünfter Kunde. Danach haben sich sehr schnell sehr viele Online-Händler bei uns gemeldet.“
Am Ende des ersten Jahres hat Trusted Shops vielleicht 150 Kunden, ist aber für die Gründer noch immer nur ein Projekt von mehreren. Und dennoch, sagt Noël heute, habe er schnell den Glauben daran gehabt, dass das groß wird. Nach zweieinhalb Jahren ist das Kölner Unternehmen profitabel. Schließlich muss Jean-Marc Noël einen Rückschlag verkraften.
„Einer der schwierigsten Momente für mich war, als ich mein Beratungsunternehmen einstellen musste. Gerling stand nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 unter Druck. Uns sind eine ganze Menge von Aufträgen weggebrochen. Wir hatten Trusted Shops schon, aber ich war sehr verbunden mit diesem Unternehmen, ich hatte als junger Unternehmer alles reingesteckt, wir hatten etwa 50 Mitarbeiter. Ich musste einsehen, dass es nicht mehr funktioniert. Das war eine schwierige Zeit.“
Doch Trusted Shops wird immer größer. Die Gründer entscheiden sich, nichts anderes mehr zu machen.
„2004 haben wir die Umsatzmillion geknackt. Ich dachte, jetzt sind wir eine richtige Firma. Ich habe eine super teure Flasche Wein gekauft und wir haben angestoßen. Klar, der Franzose musste den Wein mitbringen.“
2008 haben sie etwa 50 Mitarbeiter, wenige Jahre später 150, vor Corona fast 400. Dann explodiert der Online-Handel, Trusted Shops stellt 500 neue Leute ein.
„Ich erinnere mich immer wieder an meinen Großvater. Er war im Krieg, wurde in Norddeutschland gefangen gehalten, kam spät wieder nach Frankreich zurück. Wir gingen oft spazieren und er erzählte mir seine Geschichte. Und immer wieder sagte er: In einer schwierigen Situation musst Du Dich ihr stellen. Du musst etwas machen. Ich habe daraus gemacht: Wenn es schwierig wird, ducke ich mich nicht weg. Ich flüchte nach vorne.“
In einer krisengeplagten Welt, in der Vertrauen auch im Digitalen eher schwindet, floriert Trusted Shops. Noch dieses Jahr soll ein neues Produkt auf den Markt kommen, dass das Gütesiegel für die Fake-Ära, für die KI-Welt weiter entwickeln soll. Zweieinhalb Jahre hat Noël daran mit seinem Team gearbeitet.
„25 Jahre – das ist ein wunderbarer Weg. Ich hatte immer den Drang, Unternehmer zu sein. Und ich habe diese wunderbare Möglichkeit bekommen, meine eigene Kathedrale aufzubauen. Ich glaube, in der Domstadt Köln kann man das so sagen.“
Noël spürt eine große Zufriedenheit, wenn er auf den Weg blickt, den er mit Trusted Shops zurückgelegt hat. Sie hätten gemeinsam etwas bewirkt, sagt er, eine kleine Delle ins Universum gehauen.
„Wann ich meine erste Million auf dem Konto hatte? Das war mir nie wichtig. Mein privates Geld ist nicht entscheidend, mein Wert steckt im Unternehmen. Ich habe auch keine teuren Hobbys oder so was. Natürlich gibt es Tage, die besonders stressig sind, an denen ich mich am liebsten einfach an den Strand legen würde – vor allem, wenn ich Menschen treffe, die nur über Probleme sprechen, aber nicht über Lösungen. Aber diese Gedanken verschwinden schnell wieder. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich mit meinem Fahrrad am Rhein entlang zur Arbeit fahre. Das bereitet mir Freude. Man braucht Geld, um zu leben, aber es ist ein Mittel zum Zweck.“
30.000 zertifizierte Shops sind Kunden von Trusted Shops. Zudem sind 45 Millionen Verbraucher Mitglied in dessen Community. Jean-Marc Noël und Ulrich Hafenbradl haben das Unternehmen im Januar 2000 gegründet. Noël ist Vorstandschef, Hafenbradl Vorsitzender des Aufsichtsrats. Das wichtigste Produkt ist ein Gütesiegel für vertrauenswürdige Webshops mit Käuferschutz-Garantien. Zudem sammelt Trusted Shops Bewertungen von Kunden. Bei der Gründung war der Kölner Gerling-Konzern an Bord. Dessen Anteile kaufte Jean-Marc Noël später zurück – ihm gehören mehr als 50 Prozent. Bis heute sind zudem ein Berliner Investmentfonds und eine französische Bank beteiligt.
800 Menschen arbeiten bei Trusted Shops. Der Hauptsitz ist in Köln an der Subbelrather Straße, Büros gibt es in Amsterdam, Barcelona, Warschau und Lille.
„Der Weg zur Million“ erzählt die Geschichten erfolgreicher Menschen aus der Wirtschaft in Köln und dem Rheinland. Eine Million Euro sind für Unternehmerinnen und Unternehmer meist eine bedeutende Erfolgsmarke. Während manche der Protagonisten der Serie schon lange eine oder viele Millionen Euro auf dem Konto haben, haben andere die Umsatzgrenze von einer Million Euro geknackt. Sagen Sie uns, von welchen erfolgreichen Menschen aus der Region Sie gerne an dieser Stelle lesen würden: ksta-wirtschaft@kstamedien.de