Interview mit Callcenter-Chef„Manche führen am Telefon einen Kampf“

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Callcenter Diederich

Andreas Diederich in der Firmenzentrale in Gremberghoven 

Köln – Während der Sommerferien herrschte zeitweise Chaos im deutschen Flugverkehr. Ausfälle und große Verspätungen häuften sich. Andreas Diederich, Chef des Callcenters AIC, das für Eurowings arbeitet, erzählt im Interview, wie sich das Chaos aus Sicht seiner Mitarbeiter darstellte und warum sich die Lage jetzt entspannt.

Herr Diederich, der Flugverkehr war im Sommer durch Flugausfälle und massiven Verspätungen für sehr viele Reisende auch der von AIC betreuten Airlines wie Eurowings oder Tuifly alles andere als erfreulich.

Das Aufkommen bei Kundenanfragen war natürlich angesichts der Lage in den letzten Monaten im deutschen und europäischen Flugmarkt sehr hoch. Das zeigt sich gerade im Anstieg von Anrufen seit Mai dieses Jahres von über 40 Prozent. Viele dieser Kundenkontakte, übrigens immer mehr auch über soziale Medien, sind massive Beschwerden und für unsere Kundenbetreuer nicht immer angenehm gewesen.

Zu erwarten, wenn man als Passagier irgendwo gestrandet ist...

Der Flugverkehr war seit dem Frühjahr 2018 in einem absoluten Ausnahmezustand. Die Situation nach dem Ausfall von Air Berlin und die Schwierigkeit bei der Integration der vielen Air-Berlin-Maschinen, war das Eine. Hinzu kamen die vielen Fluglotsen- und Pilotenstreiks, Engpässe bei den Sicherheitskontrollen und der europäischen Flugsicherung sowie einige starke Gewitter, die dann auch noch auf ein stetig wachsendes Passagieraufkommen trafen. Das war ein bislang einmaliges Zusammentreffen vieler schwieriger und unvorhersehbarer Umstände. Und es zeigt ebenso, wir stoßen in Europa im Flugverkehr inzwischen an die Grenzen des Wachstums.

Die Wut der Reisenden am Telefon dürften dementsprechend groß gewesen sein?

Das ist in den allermeisten Fällen nachvollziehbar. Unsere Mitarbeiter brauchten neben schnellen Lösungen für die Passagiere auch viel Einfühlungsvermögen und in besonders schwierigen Fällen eine Deeskalationsstrategie. Aber es gibt auch Anrufer, die völlig die Fassung verlieren und das sind nicht immer die mit dem größten Problem. Manche führen am Telefon einen Kampf um zehn Euro Parkgebühren. Auch wenn unsere Mitarbeiter in den Kundencentern noch so geschult sind, gibt es Situationen, wo man nach Beschimpfungen oder unzähligen Kraftausdrücken das Gespräch beenden muss. Hier zeigt sich auch ein gesellschaftliches Phänomen absoluter Respektlosigkeit gegenüber Servicekräften, das erleben die Airlines auch immer stärker direkt mit Passagieren, etwa am Gate oder in den Maschinen.

24-Stunden-Service in 20 Sprachen

AIC wurde 1994 von Andreas Diederich in Köln gegründet. Bis Ende des Jahres arbeiten rund 500 Mitarbeiter an den vier Standorten Hannover, Leipzig und Mönchengladbach, davon 180 am Firmensitz Köln.

Zu den Kunden des Callcenter-Dienstleisters gehören neben Eurowings, auch Tuifly, die Kölner Messe, Europcar sowie RTL Deutschland, Studiosus Reisen und Sunny Cars. AIC kümmert sich unter anderem um Buchungen, Erstattungen oder Beschwerdemanagement in 20 Sprachen. (cos)

Viele Reisende klagten über die Leistung des Callcenters – der Informationsstand schien vielen nicht immer aktuell. Fühlten Sie sich von Eurowings gut informiert?

Grundsätzlich ja, allerdings gab es natürlich auch immer wieder Engpässe. Die Passagiere müssen wissen: Wenn von der Airline sehr kurzfristig entschieden wird, einen Flug zu streichen, dann erfahren wir das nicht in Echtzeit. Aber die von uns betreuten Airlines haben stark steigende Kundenzahlen, entsprechend hat sich natürlich auch unser Geschäft sehr dynamisch entwickelt. Das ist erst einmal positiv, nun gilt es aber auch, das Serviceversprechen einzuhalten, etwa durch besseren Informationsfluss zwischen Airline und uns als der Schnittstelle zum Fluggast. Das hat auch alles wiederum mit dem immer umfassenderen Verbraucherschutz zu tun, der auch zur Erhöhung der Volumina bei uns im „Customer Care“ beiträgt. Die Aufgaben werden damit noch komplexer und die Qualifikation des Personals steigt.

Wie ist die Lage derzeit?

Seit rund vier Wochen spüren wir eine deutliche Entspannung. Eurowings hat mittlerweile alle Flugzeuge von Air Berlin in den eigenen Betrieb überführt. Der sehr aufwendige Prozess ist abgeschlossen und die Maschinen sind einsatzbereit. Das macht sich eben positiv bemerkbar. Darüber hinaus hat Eurowings professionell reagiert, was die Erreichbarkeit der Reiseveranstalter und Reisebüros anbetrifft. Diese haben mittlerweile Priorität bei den Anrufen.

Wie lange müssen sich Kunden derzeit in der Warteschleife gedulden?

Wir liegen derzeit bei einer Zeit von durchschnittlich zwei Minuten. Vor einigen Wochen waren es im Vergleich dazu noch bis zu acht Minuten. Wir haben bei AIC weitere Kapazitäten aufgebaut. Allein in den vergangenen zwei Monaten konnten wir 60 neue Mitarbeiter für den Kunden Eurowings einstellen. Bis Ende des Jahres werden es dann allein für diesen Kunden 200 Mitarbeiter sein.

Wie lange dauert die Bearbeitung ihrer Entschädigungsforderung aus Verspätungen oder Stornierungen?

Derzeit sind es noch rund sechs Wochen. Wir gehen aber davon aus, dass sich die Bearbeitungsdauer in den kommenden Monaten wieder deutlich verringert.

Callcenter stehen nicht im besten Ruf was die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter angeht...

Hierbei muss man bei den vielen Angeboten im Call- und Servicecenterbereich differenzieren. Unsere Mitarbeiter etwa stehen nicht unter Verkaufsdruck, sondern sind allesamt Dienstleister für die Kunden von Unternehmen etwa in der Touristikwirtschaft und dem Flugmarkt – und das in insgesamt 20 Sprachen. Das ist schon mal ein entscheidender Unterschied in Bezug auf Ausbildung und Qualität der Mitarbeiter. Außerdem sind bei der AIC Service und Callcenter GmbH rund 90 Prozent der Mitarbeiter fest angestellt. Unsere Mitarbeiter werden entsprechend ihrer Qualifikation und leistungsbezogen bezahlt.   

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