Kölner Start-up übernimmt neue MarkePilzling muss Produktion wegen Bürokratie-Hürden verschieben

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06.04.2021, Köln: Erste urbane Pilzfarm in Köln Ehrenfeld.
Die verschiedenen Pilzsorten werden auf Kaffeesatz angebaut und in ganz Köln vertrieben.




Foto: Csaba Peter Rakoczy

Auf Kaffeesatz wachsen bei Pilzling verschieden Arten von Pilzen

Eine fehlende Genehmigung vom Bauaufsichtsamt brachte Pilzling ins Strudeln. Nun hat es eine andere Kölner Marke übernommen und verkauft Sets für die eigene Zucht. 

Es gab eine Phase im Frühjahr 2023, als die Situation für die Kölner Gründer von „Pilzling“ plötzlich unerwartet eng wurde. Das Start-up von Christian Vetter und Trevor Weiss hatte für das Konzept, mithilfe städtischer Abfallprodukte in einer urbanen Pilzfarm Gourmet-Pilze zu züchten, erst im Vorjahr den Hans Imhoff Start-up-Preis erhalten. Pilzling hatte neue Räumlichkeiten für die Farm gefunden, die Umbauarbeiten am Hansaring waren beinahe abgeschlossen. Im April hätte die Produktion starten sollen. Doch dann blieb eine erwartete Genehmigung der Stadt aus – und die Pläne kamen jäh zum Erliegen.

Der Grund dafür war ein bürokratischer: Wer Räumlichkeiten in Köln anders nutzen möchte als die vorherigen Nutzer, muss für die Nutzungsänderung eine Baugenehmigung bei der Stadt beantragen, deren Erteilung bis zu einem Jahr dauern kann. Pilzling versuchte deshalb, über eine sogenannte Nutzungsänderungsanzeige eine schnelle, vorläufige Genehmigung zu bekommen. „In unseren Räumen gab es vorher einen Catering-Betrieb. Weil wir auch mit Lebensmitteln arbeiten und es keine relevanten baulichen Änderungen gab, sind wir davon ausgegangen, dass die Nutzungsänderung nur Formsache sein würde“, sagt Christian Vetter heute. „Damals wussten wir noch nicht, wie streng das Thema gehandhabt wird.“

Kölner Bauaufsichtsamt lehnt Änderungsanzeige ab

Das Bauaufsichtsamt lehnt die Änderungsanzeige an. Das bedeutet nicht, dass es Anzeichen für Mängel gibt, sondern erst einmal nur, dass das Bauaufsichtsamt die ausführliche Prüfung will. Pilzling muss also den langen Weg gehen.

Die Pilzling-Produktionsstätte war bereits im Frühjahr beinahe startklar –– doch die Baugenehmigung blieb aus

In Regalen wie diesem wachsen die Pilze– direkt aus den Tüten.

„Das war für uns ein herber Rückschlag“, erzählt Vetter. „Wir haben eine Meilensteinstruktur mit unseren Investoren vereinbart. Ein Meilenstein war, dass wir die beschleunigte Nutzungsänderung erreichen.“ Das bedeutet: Die Investoren hätten sich mit der Ablehnung des Bescheids zurückziehen sofort zurückkönnen. „Dann wären wir privatinsolvent gewesen.“

Start-up hat die Marke Pilzwald übernommen

Pilzling ist ein Start-up, das auf das Konzept der Kreislaufwirtschaft und Bio-Qualität setzt. An einem alten Standort in Ehrenfeld verwendeten sie zum Beispiel Kaffeesatz, um Pilze wie Shiitake, Austernpilze und Seitlinge anzubauen und an Restaurants in der Region zu verkaufen. Doch auch wenn dieses Geschäft nun still steht, gelingt es den Gründern, mit ihren Investoren eine neue Strategie mit entsprechenden Meilensteinen zu entwickeln.

So übernimmt Pilzling im Juli schließlich das Kölner Start-up Pilzwald, das Sets für die Pilzzucht zu Hause verkauft. Dadurch erschließt sich Pilzling eine neue Einnahmequelle. „Unsere Kosten kann das aber nicht decken“, sagt Vetter. „Wir kaufen uns damit nur Zeit. Die Übernahme verschafft uns Luft.“

Christian Vetter, Gründer von Pilzling

Christian Vetter, Gründer von Pilzling

Im Oktober erfolgt der offizielle Neustart: Seitdem werden die Pilzwald-Produkte auch über einen Online-Shop bei Pilzling angeboten. In den kommenden Wochen werden sie zusätzlich auch auf Kölner Weihnachtsmärkten verkauft. Außerdem wird auch hinter den Kulissen weiter an der Entwicklung von Pilzwald gearbeitet: „Wir wollen die Produktion und den Vertrieb optimieren. Außerdem werden wir weitere Growkits anbieten und das Design der Marke anpassen.“ Man wolle, so Vetter, die Zeit nutzen, um Pilzwald gut aufzustellen. „Damit wir ein Standbein haben, wenn Pilzling wieder anläuft.“

Bessere Kommunikation gefordert

Die Bürokratie am Bauaufsichtsamt hat das Pilzling-Team als frustrierend und kompliziert empfunden. „Als junger Unternehmer hat man oft keine Ahnung von diesen Prozessen und muss sich Wissen erst erarbeiten. Guidelines wären da wichtig, genauso wie eine begleitende Kommunikation“, sagt Vetter. „Ich finde es schade und kritisch, wenn man eigentlich ein gutes Umfeld für junge Unternehmen in Köln schaffen möchte und die dann im Keim so erstickt werden.“

Denn ausführlichen Nutzungsänderungsantrag will Pilzling bis spätestens Ende des Jahres einreichen. Bis die Genehmigung kommt, werden die Räume untervermietet, um die Kosten zu senken. Perspektivisch soll es in Köln dann aber irgendwann zwei Produktionsstandorte des Start-ups geben: die von Pilzwald im Belgischen Viertel – und dann endlich auch die von Pilzling am Hansaring.

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