Neuer Chef der Deutz AG„Mein Führungsstil wird lockerer sein“

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Dr._Sebastian_Schulte

Sebastian Schulte führt die Deutz AG 

  • Sebastian Schulte ist nach dem Machtkampf in der Chefetage neuer CEO der Deutz AG.
  • Im Interview spricht er darüber, wie er den Streit zwischen Vorstands- und Aufsichtsratschef erlebt hat.

Köln – Die Welt blickt fassungslos auf den Einmarsch in der Ukraine – welche wirtschaftlichen Folgen auch für die Deutz AG erwarten Sie? Was in der Ukraine aktuell passiert ist in der Tat furchtbar. Wir beobachten das mit großer Sorge. Die direkten Folgen sind für Deutz überschaubar, der Umsatz mit Russland und der Ukraine liegt unter 20 Millionen Euro im Jahr. Der indirekte Einfluss auf die Weltwirtschaft lässt sich noch nicht abschätzen, hier kann es zu Investitionszurückhaltungen kommen, die auch wir spüren würden.  

Aufgrund des Streits in der Chefetage bei Deutz sind Sie nach nur etwas mehr als einem Jahr als Finanzvorstand an die Spitze gerückt. Wie geht es Ihnen mit diesem rasanten Karrieresprung?

Als ich Anfang 2021 zu Deutz gekommen bin, hatte ich in der Tat nicht daran gedacht nach nur 14 Monaten den Vorstandsvorsitz zu übernehmen. Aber als Finanzvorstand ist man in einer solchen Situation in der Regel der erste Ansprechpartner, weil man einen weitreichenden Überblick über das Geschäft hat. Daher war ich nicht unvorbereitet, aber über den Zeitpunkt schon sehr überrascht. Jetzt freue ich mich sehr auf diese Aufgabe, denn Deutz ist ein spannendes Unternehmen mit motivierten Mitarbeitern und großartigen Produkten und es gibt viel zu tun!

Zur Person

Sebastian Schulte wurde 1978 in Wiesbaden geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften in Bochum und promovierte in Cambridge. Seine Karriere begann Schulte bei ThyssenKrupp, ehe er Anfang 2021 als Finanzvorstand zur Deutz Ag wechselte.

Nach einer Auseinandersetzung zwischen Vorstands- und Aufsichtsratschef, wurde er kürzlich neuer Vorstandsvorsitzender des traditionsreichen Motorenbauers. Schulte ist verheiratet und hat zwei Kinder. (cos)

Wie haben Sie die Auseinandersetzung zwischen Vorstands- und Aufsichtsratschef persönlich erlebt?

Wenn es solche Differenzen gibt, bekommt man diese natürlich mit. Aber in die konkrete Diskussion war ich nicht involviert. Wenn solche Konflikte entstehen, ist es für das Unternehmen sehr wichtig, dass sie schnell aufgelöst werden, zur Not auch mit einem personellen Neuanfang. Das ist im Interesse der Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Aktionäre.

Was war Ihre erste Amtshandlung am Montag nach dem turbulenten Wochenende?

Als Erstes habe ich eine Videobotschaft für die Mitarbeiter gedreht. Dann gab es ein virtuelles Führungskräftetreffen, um die Situation einzuordnen sowie Gespräche mit den wichtigsten Kunden, Lieferanten, Analysten, Investoren, Aktionären und Medienvertretern.

Die Börse hat Sie nicht gerade freundlich empfangen. Wie wollen Sie den Imageschaden beheben?

Der Aktienkurs hat sich nach einer anfänglichen Schwäche innerhalb von 24 Stunden wieder erholt, so dass man die erste Reaktion nicht überbewerten sollte. Es war wichtig, in vielen Gesprächen mit dem Kapitalmarkt und den Medien Vertrauen zu schaffen, gerade weil die personellen Umbesetzungen überraschend kamen. Wir haben deutlich gemacht, dass wir an der gemeinsam erarbeiteten Strategie festhalten, sie aber schneller und konsequenter umsetzen wollen. 

Sie werden als Teamplayer gelobt. Werden Sie in der Personalführung Dinge anders machen als Ihr Vorgänger?

Hier braucht es ganz klar eine Nachjustierung. Deutz ist ein traditionsreiches und ingenieurgetriebenes Unternehmen mit eher hierarchischen Strukturen. Jetzt sind wir mit einem Transformationsprozess konfrontiert und werden uns auch in Teilen neu erfinden. Damit das funktioniert müssen wir im Vorstand, aber auch in allen anderen Unternehmensbereichen als Team harmonieren, dann können wir schneller mehr erreichen. Mein Führungsstil wird sicher lockerer sein, aber nicht weniger hart in der Sache  

Ein Ansatz, Teams zu modernisieren, ist Diversität. Steht das auf Ihrer Agenda?

Ja und das hat es auch vorher in meiner Funktion als Arbeitsdirektor. Dabei ist die Förderung von Frauen nur ein Teilaspekt. Eine bunte Mischung aus Menschen unterschiedlichen Alters und Geschlechts mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und Lebensentwürfen schafft Raum für kreative Ansätze und Ideen. Nur so können wir dauerhaft erfolgreich sein. Hier müssen wir ansetzen und hier haben wir noch Potential

Wie ist der Fahrplan, zur Besetzung einer Vorstandsposition mit einer Frau und welches Ressort soll sie übernehmen?

Es wird mit Hochdruck an der Neubesetzung gearbeitet, zum genauen Zeitplan müssen Sie jedoch den Aufsichtsrat befragen. Bezüglich der Ressortverteilung sind unterschiedliche Modelle denkbar. Aber wir stehen in engem Austausch. Ich bin sicher, dass wir die richtige Kollegin finden, die perfekt in das Team passen wird.

Mal grundsätzlich – haben Sie den Eindruck, dass die gesetzlichen Änderung zur Frauenquote in den Unternehmen noch nicht ernst genug genommen wird?

Nein, ich glaube eher, dass es immer eine gewisse Zeit braucht, bis sich bestehende Verhaltensmuster ändern. Gerade in unserer Industrie ist die Führung traditionell männlich geprägt. Der  gesetzliche Anschub wird helfen, das  sich die Muster schneller ändern.

Wie wollen Sie den Transformationsprozess vorantreiben?

Wir entwickeln alternative Antriebe jenseits des Diesels, also elektrische Motoren,  einen Wasserstoffverbrennermotor – unser Aushängeprodukt am Standort Köln - bis hin zu Lösungen um die Brennstoffzelle. Da sind wir technisch auf einem sehr guten Weg. Aber wir müssen Produkte künftig viel schneller auf den Markt bringen. Bis 2031 wollen wir mehr als 50 Prozent des Umsatzes mit sogenannten grünen Antrieben machen. Bis dahin werden aber die klassischen Diesel-Motoren noch die zentrale Rolle für unsere Wirtschaftlichkeit spielen. Deshalb werden wir weiter an deren Optimierung, sowie Produktions- und Prozessverbesserung arbeiten.

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Bedeutet das auch Stellenstreichungen – auch, weil man etwa für E-Motoren weniger oder anders qualifiziertes Personal braucht?

Das Anforderungsprofil an unsere Kolleginnen und Kollegen wird sich ändern. Das ist allerdings ein länger laufender Prozess. Wir haben in 2021 rund160.000 Motoren verkauft und gehen davon aus, dass diese Zahl noch mindestens bis 2025  weiter steigen wird. Das gibt uns Zeit, unsere Belegschaft weiter zu qualifizieren, so dass wir für die Zukunft gut aufgestellt sind.

Deutz leidet wie viele unter Lieferengpässen etwa bei Halbleitern. Wie ist die aktuelle Lage?

Es ist jeden Tag ein neuer Kampf. Anfangs waren es vor allem Halbleiter, aber es kommen immer wieder weitere Komponenten dazu, wie etwa Gussteile aus einem Werk in Spanien, in dem es einen Corona-Ausbruch gab. Es gab auch Tage, da fehlten normale DIN-Schrauben. Da hätte ich gerne ein paar Kollegen in den Baumarkt geschickt (lacht). Die ganze Lage ist nach wie vor sehr volatil. Die Nachfrage ist aber ungebrochen hoch und ohne die Lieferengpässe hätten wir deutlich mehr Motoren verkaufen können.  

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