Spielekonzern in KölnWie Electronic Arts erfolgreich komplett im Homeoffice arbeitet

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Electronic Arts Rheinauhafen Köln

Der Deutschlandsitz von Electronic Arts befindet sich im Kölner Rheinauhafen.

Köln – Das Büro von Electronic Arts im Rheinauhafen steht seit März 2020 so gut wie leer. Und doch haben die rund 100 Beschäftigten des Kölner Standorts dafür gesorgt, dass EA, einer der größten Verleger von Videospielen weltweit, große Erfolge gefeiert hat. Dass Blockbuster wie Fifa 21, Need for Speed und Star Wars Squadrons wie geplant erschienen sind. Spiele, mit denen der US-Konzern EA einen bedeutenden Teil seines 5,5 Milliarden Dollar hohen Umsatzes erwirtschaftet. Wie kann das funktionieren, wenn doch alle im Homeoffice sind?

Dabei ist das nicht ganz richtig: Ein Mitarbeiter kommt auch jetzt regelmäßig in die Deutschland-Zentrale in Köln – geht von Platz zu Platz, spielt Updates auf die Computer, an denen seit bald einem Jahr niemand mehr gesessen hat. Zumindest nicht physisch im Büro. Virtuell arbeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aber weiter an den Geräten. Die Laptops, die sie im Homeoffice bedienen, sind mit ihren Hochleistungscomputern im Büro verbunden und spiegeln dabei lediglich die Bedienungsoberfläche wider.

„Wir dachten, wir sind in zwei Wochen wieder im Büro“

„Im März haben wir gedacht, dass wir nach zwei Wochen wieder im Büro sind“, sagt EA-Geschäftsführer Jens Kosche im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Als sich andeutete, dass so schnell keiner der Beschäftigten ins Rheinauhafen-Büro zurückkehren wurde, reichte es dann nicht, die Angestellten einfach mit Laptop, Tastatur, Maus und einem gemütlichen Arbeitsstuhl auszustatten. „Im Büro hatten wir vorher regelmäßig Yoga-Kurse, die wir dann schnell online gemacht haben“, sagt Kosche. Er habe außerdem ein tägliches Treffen an der virtuellen Kaffeemaschine eingeführt, an dem jeder freiwillig teilnehmen kann. „An der Kaffeemaschine treffen wir uns im Büro sonst durch Zufall, sprechen übers Geschäft, aber auch über Privates, welchen Podcast man neu entdeckt hat, man macht auch mal Blödsinn“, erzählt Kosche vom Vor-Corona-Büroalltag.

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„Wir mussten ganz schnell Entscheidungen treffen und Risiken eingehen, die wir sonst nicht eingegangen wären“, sagt Michaela Bartelt, Co-Geschäftsführerin des Unternehmens, über das Frühjahr 2020. „Das war eine schwierige, aber auch eine spannende Zeit.“

Bartelt leitet die weltweite Lokalisierung bei EA. Sie sorgt mit ihrem Team, das vor großen Veröffentlichungen rund 400 Menschen umfasst, dafür, die Spiele, die zunächst auf Englisch entwickelt werden, in die jeweiligen Sprachen der Länder, in denen sie erscheinen, zu übersetzen und auch kulturell anzupassen. Dazu gehört beispielsweise, dass in der deutschen Fifa-21-Version deutsche Sportreporter die Fußballspiele kommentieren. Als im vergangenen März weltweit Reisebeschränkungen in Kraft traten, traf das viele der Kommentatoren völlig unvorbereitet. „Damit sie zu Hause alles einsprechen konnten, haben wir ihnen die Ausrüstung nach Hause geschickt und sie dann aus der Ferne angeleitet“, berichtet Bartelt. In einem Fall habe sie aus der Ferne ein Aufnahmestudio in Hongkong organisieren müssen.

„Mit ein bisschen mehr Aufwand geht das auch digital“

Kompliziert wurde es auch beim Orchester-Soundtrack für den Weltraum-Shooter Star Wars Squadrons, der zum Zeitpunkt des ersten Lockdowns gerade mal zu einem Drittel eingespielt war. „Die Musiker haben dann jedes Instrument einzeln eingespielt und am Ende haben wir alles zusammengefügt“, so Bartelt. „Auch unter diesen Umständen mussten wir die optimale Qualität sicherstellen – und es hat funktioniert.“

Vieles, was vorher selbstverständlich war, ging aber nun nicht mehr so leicht von der Hand. Dass man sich zum Beispiel einfach zur Kollegin umdreht, ihr auf die Schulter tippt und einen kurzen Rat einholt. „Das geht mit ein bisschen mehr Aufwand aber auch digital“, sagt Kosche. EA habe dafür zum Beispiel das Chat-Programm Slack genutzt, in das auch Videokonferenzen über Zoom integriert wurden. „Eine kurze Absprache auf diesem Weg ist fast, als würde ich mich umdrehen und dem Kollegen auf die Schulter tippen“, sagt Kosche, der betont, wie wichtig das sei. „Wir sind eine kreative Firma, die viele kreative Menschen vereint, um kreative Leistungen zu bekommen.“

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Abgenommen hätten die zufälligen Begegnungen, die oft zu wertvollen Gesprächen und Erkenntnissen führen, so der Manager. „Aber das geht auch online, man muss es nur stärker strukturieren und forcieren. Durch Zufall passiert sonst nichts.“

Eine besondere Herausforderung ergab sich Jens Kosche zufolge bei Kollegen, die erst kurz vor Ausbruch der Pandemie bei EA in Köln angeheuert hatten – ohne ein festes soziales Umfeld in der Stadt. „Wir haben ihnen zum Teil ermöglicht, auch von anderen Orten aus zu arbeiten, wenn das in dieser schwierigen Zeit aus welchen Gründen auch immer nötig war“, so Kosche. In anderen Fällen, ergänzt Bartelt, hätten Teams untereinander den für eine gute Zusammenarbeit so wichtigen Kontakt aufrechterhalten, indem sie virtuelle Meetings mit zeitgleichen Spaziergängen an der frischen Luft verbunden hätten.

„Wir haben gelernt, was alles geht“

„Wir haben gelernt, was alles geht, wenn man nicht immer zusammen sein kann“, sagt Bartelt. „Dass wir tatsächlich ein Spiel entwickeln und pünktlich veröffentlichen können, wenn die Teams sich nicht sehen können, wussten wir vorher nicht. Aber es geht.“ Die gewonnenen Erfahrungen mit mobiler Arbeit wolle EA künftig nutzen, um für Angestellte ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, sagt Kosche: „Es gibt Leute, die in Köln angestellt sind und hier auch arbeiten, aber einem internationalen Team zugeordnet sind. Andersherum ist das künftig auch denkbar. Das heißt, es müssen nicht alle Teammitglieder in einer Stadt leben und arbeiten.“

„Grundsätzlich“, so Kosche, „glaube ich, dass Büros künftig nicht mehr da sein werden, um E-Mails zu checken. Das kann man viel besser zu Hause machen. Die Büros werden in der Zukunft ein Ort sein, um sich zu treffen und sich auszutauschen. Das ist zwar auch digital möglich, aber schwieriger.“ Auch auf Dienstreisen werde das Unternehmen in Zukunft wohl nicht verzichten. „Ein persönliches Treffen ist dann aber nicht mehr klar auf ein Geschäftsziel konzentriert, sondern eine Möglichkeit, den Anderen besser zu verstehen und kennenzulernen.“

Das Büro im Rheinauhafen werde EA nicht verlassen, aber die Einrichtung könnte sich ändern, sagt Kosche: „Wir brauchen aber weniger Flächen für Schreibtische mit Bildschirm drauf. Stattdessen schaffen wir Platz für Meetingräume und attraktive Umgebungen zum kreativen Austausch.“

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