Befristete Arbeitsverträge sind weit verbreitet bei Beschäftigten in Deutschland. In Köln ist der Anteil besonders hoch, wie eine Studie zeigt. Woran das liegt und wer vor allem betroffen ist.
StudieMehr als sechs von zehn Arbeitsverträgen in Köln sind befristet
Hunderttausende Menschen in Deutschland müssen zunächst mit einem befristeten Arbeitsvertrag vorliebnehmen. In Köln waren es im vierten Quartal 2023 sogar überdurchschnittlich viele: Mehr als sechs von zehn Beschäftigte (62,2 Prozent) haben einen zeitlich begrenzten Arbeitsvertrag unterzeichnet, teilt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung mit und beruft sich auf Daten der Bundesagentur für Arbeit. Das macht Platz zwei im deutschlandweiten Vergleich, nur in Heidelberg sind mehr Menschen befristet angestellt.
Medien und Werbung stellen besonders häufig befristet ein
Die Ursache für den enorm hohen Anteil befristeter Neuanstellungen liegt in der Branchenstruktur: Die großen Rundfunkhäuser sowie Produktionsfirmen stellen befristet ein, da Verträge unter anderem an die Laufzeit von Sendungen gebunden sind. Dementsprechend entfielen 40,8 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Neuanstellungen in Köln auf den Wirtschaftszweig Information und Kommunikation, 31,5 Prozent auf Berufe in Werbung, Marketing und Medien.
Diese Dynamik zeigt sich auch in anderen Medienstädten, etwa im drittplatzierten Potsdam mit seinen Filmstudios. Hier fällt der Anteil befristeter Einstellungen mit 59 Prozent nur geringfügig niedriger aus als in Köln. Fast jede fünfte Neuanstellung in Potsdam geht auf die darstellenden Berufe, vor allem auf Schauspieler, zurück. Berufe in der Unterhaltungsindustrie und Darstellung sind besonders häufig zeitlich begrenzt: Knapp 93 Prozent der Musiker, Schauspieler, Tänzer, Moderatoren, Kameraleute und Kostümbildner beispielsweise sind bundesweit zeitlich befristet angestellt, da sie oft nur für kurze Engagements bei unterschiedlichen Theatern oder Filmproduktionen gebucht werden.
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Neben Werbern und Medienschaffenden sind vor allem Wissenschaftler von Befristungen betroffen. Das erklärt, warum Heidelberg bundesweit den höchsten Anteil (62,5 Prozent) befristet begonnener Beschäftigungsverhältnisse aufweist: Die größten Arbeitgeber der Stadt sind die Universität und die angrenzende Uniklinik. Zum Wintersemester 2023/2024 hatten laut WSI knapp 95 Prozent der Wissenschaftler an Hochschulen befristete Verträge.
Frauen sind in Köln häufiger befristet angestellt als Männer
Insgesamt haben im letzten Quartal 2023 rund 45.000 Menschen in Köln einen zeitlich befristeten Arbeitsvertrag unterschrieben. Frauen waren dabei etwas häufiger von Befristungen betroffen: 63,5 Prozent der Frauen, die einen neuen Arbeitsvertrag unterschrieben haben, wurden zeitlich befristet angestellt. Bei den Männern waren es 61,1 Prozent.
Die Studienautoren sehen dafür verschiedene Ursachen. Erstens würden Frauen häufiger als Männer eine Tätigkeit in den sozialen Dienstleistungen oder dem Bereich Erziehung und Unterricht anstreben, in denen befristete öffentliche Finanzierung eine große Rolle spielt und Tätigkeiten daher oft befristet sind. Zweitens könnten Elternzeitvertretungen eine Rolle spielen: Frauen in Berufen mit hohem Frauenanteil werden dann häufig befristet von Frauen vertreten, schreiben die Autoren.
Deutschlandweit weniger zeitliche befristete Verträge
Deutschlandweit bekommen fast vier von zehn neu eingestellten Beschäftigten (37,8 Prozent) zunächst nur einen befristeten Arbeitsvertrag - bei den unter 25-Jährigen ist sogar fast jede zweite Neuanstellung zeitlich begrenzt. Die Quote sinke aber „immerhin“, heißt es vom WSI, wenn auch langsam. Gegen Ende der Corona-Krise im vierten Quartal 2021 waren es noch 42 Prozent.
Bei den jungen Beschäftigten betrug der Anteil der Befristungen Ende 2023 der Datenauswertung zufolge 48,4 Prozent. In der Altersgruppe zwischen 25 und 54 Jahren galt das für 35,1 Prozent, bei Einstellungen von 55- bis unter 65-Jährigen dann 32,3 Prozent. Bei Neueinstellungen im Rentenalter steigt der Anteil der Befristungen demnach wieder stark an, mehr als die Hälfte aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse im Rentenalter wurden 2023 befristet abgeschlossen.
Die wissenschaftliche Direktorin des WSI, Bettina Kohlrausch, kritisierte: „Nach wie vor sind viele Arbeitgeber der Meinung, Beschäftigte einfach mal unverbindlich ‚ausprobieren‘ zu können.“ Insbesondere junge Menschen beim Einstieg ins Berufsleben erlebten so problematische Phasen der Unsicherheit. „Dabei sticht unter anderem der Wissenschaftsbereich besonders negativ heraus.“ Kohlrausch betonte: „Man kann nicht einerseits über Arbeitskräftemangel und ‚Brain Drain‘ klagen und andererseits nach wie vor fast vier von zehn Neuanstellungen nur befristet vornehmen.“ (mit afp)