Kommentar zur WaffenlisteDie Regierung macht einen Fortschritt, der kein Lob verdient

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Bundeskanzler Scholz in der Ukraine (Archivbild)

Bundeskanzler Scholz in der Ukraine (Archivbild)

„Na endlich!“, möchte man ausrufen. Fast vier Monate nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine veröffentlicht die Bundesregierung eine Liste jener Waffen, die sie bisher dorthin geliefert hat und derzeit noch zu liefern gedenkt. Ein Lob wäre weit übertrieben. Doch ein Fortschritt ist die Veröffentlichung zweifellos – ein Fortschritt, der Transparenz schafft und noch dazu ins Bild passt. Die Ampelkoalition ordnet ihre Ukraine-Politik.

Die Debatte über Waffenlieferungen an die Ukraine krankte ja bisher nicht zuletzt daran, dass sie keine echte Grundlage hatte. So hieß es vonseiten des Kanzleramtes etwa, dass Informationen unter anderem deshalb nicht gegeben werden könnten, weil Russlands Präsident Wladimir Putin es sonst leichter hätte, Transporte mit Kriegsgerät zu attackieren. Hinzu kommt das strukturelle Problem. Denn für die Lieferung von Waffen aus Beständen der Bundeswehr ist das SPD-geführte Verteidigungsministerium zuständig, für die Lieferung von Waffen aus Beständen der Industrie das von den Grünen geleitete Wirtschaftsministerium. Das letzte Wort hat hier der Bundessicherheitsrat. Aber sogar dessen Sitzungstermine bleiben geheim.

Ukraine hat viele Waffen bekommen – schwere jedoch nicht

Verstärkt durch konträre Positionen in der Ampelkoalition und unablässige Wortmeldungen des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk stellte sich ein sagenhaftes Durcheinander ein. Die Regierung organisierte unterdessen das Misstrauen gegen sich selbst und erzeugte den Eindruck, Deutschland tue nichts oder viel weniger als vergleichbare europäische Partner. Nur stimmt das so gar nicht.

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Handschlag: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Bundeskanzler Olaf Scholz in Kiew (Archivbild)

Handschlag: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und Bundeskanzler Olaf Scholz in Kiew (Archivbild)

Nun sieht die Republik, dass die Ukraine von uns viele Waffen bekommen hat – schwere Waffen jedoch nach wie vor nicht. Darüber muss weiter gestritten werden. Die Ukraine braucht jedenfalls noch mehr schwere Waffen als jene, die ihr von den Verantwortlichen in Berlin in Aussicht gestellt wurden. Allein sie bieten eine Gewähr dafür, dass Putin sich früher oder später zu Verhandlungen bereit zeigt und nach der Ost-Ukraine nicht weiter gen Westen ausgreift.

Regierung sortiert sich

Sieht man von dieser Leerstelle ab, ist festzuhalten: Die Regierung sortiert sich. Sie hat das 100 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für die Bundeswehr durchs Parlament gebracht. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat nach monatelanger Weigerung die ukrainische Hauptstadt Kiew besucht. Schließlich soll der Bundestag noch vor der Sommerpause ein Gesetz verabschieden, das die Beschaffung von Rüstungsgütern erheblich beschleunigt.

Nein, damit sind keineswegs alle Probleme gelöst, die sich aus der brutalen Attacke auf ein friedliches Land auch für Deutschland ergeben. Dazu gehören sämtliche Fragen der künftigen Energieversorgung; auf sie gibt es keine einfachen Antworten. Freilich werden sich die deutschen Debatten fortan nicht mehr in absurder Weise im Kreis drehen müssen. Na endlich!

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