Abschied vom Klassenzimmer

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40 Jahre lang zur Schule gehen? Für die meisten Schüler der reine Horror, für 35 frisch pensionierte Lehrer war es der selbst gewählte Alltag.

„Noch ist es ein Gefühl wie Ferien“, berichtet Irmhild Lechtenberg von ihren ersten Tagen als Pensionärin. „Bis vor kurzem war ich ja noch jeden Tag in der Schule“, sagt die 65-Jährige, die aus dem Dienst an der Katholischen Hauptschule Im Hedrichsfeld ausscheidet. 35 Jahre lang hat sie ihre Schüler in Deutsch, Mathematik, Religion und Geografie unterrichtet. „Vieles von dem, was früher selbstverständlich war, gibt es heute nicht mehr.“ Konzentrationsfähigkeit hätte abgenommen und Umgangsformen fehlten oft, verbale Angriffe der Jugendlichen seien an der Tagesordnung. Ursache dafür seien häufig die Elternhäuser: „Wenn man mal dahinter schaut, wo die Kinder herkommen, sind sie alle liebenswerte Menschen.“

Lechtenbert ist eine der wenigen Lehrer, die bis zum regulären Pensionsalter durchgehalten haben. Zwei Drittel aller Lehrer scheiden vorzeitig aus dem Dienst aus, erklärte Oberbürgermeister Paul Hebbel (CDU) bei der feierlichen Verabschiedung im Rathaus. Verwundern könne diese Statistik nicht, denn „jeder, der schon einmal einen Kindergeburtstag gemanagt hat, müsste wissen, wie anstrengend es ist, eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen zu bändigen“, so Hebbel. Häufig werde nur die lange Ferienzeit gesehen, jedoch sei das eben nur eine Seite der Medaille. Wer heute noch von „faulen Lehrern“ spräche, der habe schon lange keinen Schritt mehr in die Schule getan.

Un-Ruhestand?

Gleich drei Kollegen trafen sich vom Freiherr-vom-Stein Gymnasium bei der Verabschiedung. „Eigentlich sind wir sogar fünf neue Pensionäre“, berichteten Sibylle Korber, Dieter Ledwig und Dieter Jenn. Alle drei betrachten ihren Abschied mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge. „Es nimmt mich schon emotional mit“, sagte Korber. Die 62-Jährige tritt nach 37 Dienstjahren ab. Ihr Kollege Ledwig nimmt seinen Abschied in Raten. Weil der Nachwuchs fehlt unterrichtet der 64 Jahre alte Sport- und Englischlehrer an drei Tagen in der Woche weiter. „Ich hätte nicht verlängert, wenn ich mich nicht wohl gefühlt hätte.“ Auch Jenn (64), Latein- und Griechischlehrer, denkt an einen Rücktritt vom Rücktritt. „Es herrscht ein eklatanter Lehrermangel. Gerade in Fächern wie Latein und Englisch.“ Probleme mit undisziplinierten Schülern gäbe es in Schlebusch nur selten. „Ich bin vor 30 Jahren aus Köln hierher gekommen und dachte es wäre der Himmel auf Erden. Das Gefühl habe ich mir all die Jahre bewahrt.“

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