Folter und Tod vor dem Dom

Lesezeit 3 Minuten
Der Römerbogen vor dem Hauptportal des Doms ist der Lieblingsplatz von Stadtführerin Ilona Priebe.

Der Römerbogen vor dem Hauptportal des Doms ist der Lieblingsplatz von Stadtführerin Ilona Priebe.

Erst kriegte er nicht mal einen Bürgermeister zum Dessert, und schließlich starb er durch das Kurzschwert. Der Löwe hat sicher den unbefriedigendsten Part in der Sage um den Kölner Bürgermeister Gryn, dem zwei Domherren im 14. Jahrhundert den Tod wünschten. Warum dieser Plan misslang, erzählt Stadtführerin Ilona Priebe am Römerbogen vor dem Hauptportal des Doms, ihrem Lieblingsplatz beim Stadtspaziergang „Diebe, Schurken, Mörderbanden“.

Wie so viele Kriminalfälle aus der Kölner Historie beruht auch diese Sage auf einem kirchlich-weltlichen Machtkampf. Angeblich zur Versöhnung sei der Bürgermeister bei den Domherren zum Abendessen eingeladen worden und sollte - quasi zum Dessert - einen echten Löwen im Keller sehen. Dass er selbst als Leckerchen für den Leu gedacht war, wurde dem Gast klar, als ihn die Domherren in den Käfig stießen. Nur sein Kurzschwert, das damals wohl den Abendanzug erst komplett machte, bewahrte den wackeren Bürgermeister vor dem Tod. Klar, dass die Domherren büßen mussten. Sie seien zur Abschreckung am Nordtor der noch kompletten römischen Stadtmauer gehenkt worden, erzählt Ilona Priebe die Sage.

All ihre anderen Kölner Kriminalgeschichten, die sich um Entführungen und Mord, um Kirchenraub und Intrigenspiel drehen, sind leider wahr. Vor dem Dom, wo Passanten heutzutage allenfalls um ihre Geldbörsen bangen müssen, standen früher durchaus Ehre und Leben Kölner Bürger auf dem Spiel. Am Ort des jetzt wiedererrichteten Römerbogens war einst die Domdekanei. Dort richteten die Franzosen Ende des 18. Jahrhunderts das Kriminalgericht für das Roerdepartement ein, verhängten und vollstreckten in vier Jahren fast 30 Todesurteile.

Alles zum Thema Melaten

Die Guillotine wurde gleich nebenan aufgebaut, und wie gut oder auch schlecht diese Tötungsmaschine funktionierte, bringt Ilona Priebe ihren Gästen gänsehauterzeugend nahe. Auch der gebürtigen Eiflerin hat die Kriminalgeschichte ihrer Wahlheimat schon oft Schauer über den Rücken gejagt. Im Studium und der Ausbildung zur Kulturmanagerin hat sie viel von Juristerei gelernt und ist im Rückblick auf 1000 Jahre Schurkengeschichte „echt froh, heute zu leben“. Ihre Gäste, die vom Rädern in Raderthal, Vierteilen in Melaten oder sorgsam inszenierten Prominenten-Hinrichtungen auf dem Heumarkt hören, dürften ihr beipflichten.

Zurück zum Römerbogen, der schon viel Schandbares gesehen hat: Vor der Franzosenzeit stand das kurkölnische Gefängnis ebenfalls praktisch vor dem Dom-Hauptportal. Selbst Sünder, die nicht gefangen gesetzt, sondern, „nur“ mit Ehrverlust gestraft, an den Pranger gestellt oder verstümmelt wurden, dürften im Schatten des Doms wenig Erfreuliches erfahren haben. Hexenverfolgung, Entführung, Folter - das schildert Ilona Priebe beim zweistündigen Rundgang so eindringlich, dass sich ihre Spezial-Führung gerade in mit Rechtsprechung befassten Berufsgruppen schnell herumgesprochen hat. Sie schaudern wonnevoll - und sind erleichtert zu hören, dass auch mal Gutes vom Dom ausging. Darunter fasst Ilona Priebe die rettende kölsche Auslegung des Eigentumsrechts, die als Folge einer Predigt des damaligen Kardinals als „Fringsen“ in die Nachkriegsgeschichte einging.

KStA abonnieren