Sterne-Gastronom Vincent MoissonnierMit welchen Signalen der Wirt Sie zum Gehen auffordern will

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Eine Frau sitzt in einem relativ dunklen und weitestgehend leeren Restaurant an einem Tisch mit leerem Teller und schaut auf ihr Smartphone.

Der Teller ist leer, gerade sitzt es sich noch so gemütlich. Doch wann sollte man im Restaurant langsam aber sicher gehen?

Den richtigen Moment zum Gehen finden, ist gar nicht so einfach. Vincent Moissonnier erklärt in unserer Stilkolumne, wie es gelingt.

Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist. Mit dieser Erkenntnis des großen Weisen Rocky Balboa alias Silvester Stallone meistern Sie gewiss allerhand Lebenslagen. Aber auch einen Abend im Restaurant? Den richtigen Moment zum Gehen zu finden, ist gar nicht so einfach. Beim besten Freund zuhause mit einer Flasche Grappa auf dem Tisch, das ist eine andere Sache. Da wird es dann halt mal halb drei morgens – mit Billigung aller Beteiligten.

Als Gast einfach auf den Tisch zu klopfen und zu sagen „So, ist jetzt gut gewesen!“, das macht sicher nicht den besten Eindruck. Man kann sich aber kleine, feine Notlügen zurechtlegen: Die Babysitterin muss weg. Der erste Termin am nächsten Morgen ist schon um acht Uhr… So etwas in der Art.

Auf den Gastgeber achten – und auf sein Glas

Wenn Sie selbst noch Sitzfleisch haben, achten Sie Ihrerseits auf den Gastgeber: Hat er sein Glas geleert und lässt nicht mehr nachschenken, ist das ein untrügliches Indiz dafür, dass der Abend sich nach seinem Gefühl dem Ende zuneigt.

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Für den Wirt ist es vorbei, wenn das Restaurant schließt. Vorher ist es prinzipiell nicht schlimm, wenn Sie die letzten Gäste sind. Aber es kann nicht schaden, die Uhr im Auge zu behalten. Wenn im Restaurant die Zeiger auf Mitternacht vorrücken und Sie eigentlich seit einer halben Stunde nichts mehr bestellt haben, dann wird es Zeit zu gehen.

Nach Dessert, Digestif und Kaffee kann der Wirt im Grunde nichts mehr für Sie tun. Es gibt deshalb einen kleinen sprachlichen Marker, der den Wunsch signalisiert, Sie mögen zum Ende kommen: „Können wir noch etwas für Sie tun? Darf es noch etwas sein?“ Die geistesgegenwärtige Antwort in diesem Moment lautet: „Die Rechnung bitte!“

Schichtbetrieb für die Küche und feste Schließzeiten

Wir haben bei uns im Restaurant selbst ein noch klareres Signal gesetzt und die Öffnungszeit mit Mitternacht angegeben. Als ich damit vor bald 40 Jahren in Köln begann, lachten sich manche Kollegen kaputt und zeigten mir einen Vogel: „Du machst um 12 Uhr zu? Moissonnier, du spinnst!“ Tatsächlich war es anfangs auch mit den Gästen schwierig. Wie oft habe ich gehört: „Hier kommen wir nie wieder hin. Bei Ihren Kollegen im Restaurant XY, da dürfen wir bis drei Uhr sitzen.“

Deren Problem, nicht meines. Ich war lange Oberkellner bei „Franz Keller“ in Köln. Arbeitstage mit 14 oder 16 Stunden waren völlig normal. Als ich mich selbstständig gemacht habe, habe ich mir gesagt, das will ich nicht mehr.

Schauen Sie sich heute mal auf den Webseiten der gehobenen Gastronomie um: Sie werden überall Schichtbetrieb für die Küche und feste Schließzeiten finden. Zum einen, weil das Personal knapp ist. Zum anderen wegen garantierter Ruhezeiten für die Angestellten. Die Behörden schauen uns inzwischen sehr genau auf die Finger, ob wir die vertraglichen Bestimmungen einhalten. Eine anonyme Mail an den Zoll: „Ich arbeite bei „Le Moissonnier“ und werde mit 14-Stunden-Tagen ohne Ausgleich ausgebeutet.“ – Seien Sie sicher, drei Tage später stehen die Fahnder in meinem Büro.

Ich selbst bleibe übrigens bis heute immer bis zum Schluss – aus einem ganz bestimmten Grund: Wenn späte Gäste den Wirt sehen, neigen sie eher dazu, den Tisch aufzuheben und zu gehen. Ist der Wirt schon weg, denken sie, „Ach, die Kellner, die halten noch eine Weile aus“. Das will ich nicht. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir bei unserem Personal in all den Jahren relativ wenig Fluktuation hatten, weil wir ihm ein – relativ – normales Leben ermöglicht haben.


In unserer Kolumne beantworten Experten abwechselnd Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren.

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

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