Wer etwas auf sich hält als junger Japaner, greift nicht unbedingt zu einer Taiko. Heißt: Traditionelle Trommeln zu spielen ist so ziemlich das Gegenteil von cool. „Die meisten wollen lieber Gitarre lernen“, sagt Gen Hidaka (32). Trotzdem haben die rund 10000 Taiko-Gruppen, die es in Japan gibt, keine Nachwuchssorgen. Das ist vor allem der Popularität der 1993 von Masa Ogawa (48) gegründeten Formation Yamato zu verdanken, in der Gen Hidaka seit acht Jahren trommelt. Denn er und seine Mitstreiter spielen auf den jahrhundertealten Taiko-Trommeln, die in Japan noch heute Teil vieler religiöser Rituale sind, moderne Stücke, die allesamt aus der Feder Masa Ogawas stammen, der als Künstlerischer Leiter auch die völlig im Hier und Jetzt verankerten Bühnenshows inszeniert. Die haben inzwischen rund sechs Millionen Zuschauer bei mehr als 3000 Auftritten in 53 Ländern gesehen.
Kraft in jedem einzelnen Schlag
Dem straffen Training und hohen Ansprüchen von Yamato sind allerdings wenige Anwärter gewachsen: Manche flüchten bereits nach zwei bis drei Stunden aus dem Hauptquartier der Gruppe in der Stadt Asuka. Wer die Trommler schon einmal auf der Bühne gesehen hat, wird über die rasche Kapitulation vieler nicht verwundert sein: Wie Derwische springen die Kraftpakete auf der Bühne zwischen Taikos hin und her, treiben sich mit Schreien an und imitieren mit ihren Trommelstäben, den Batchi, Schwertkämpfe. Der Schweiß fließt in Strömen, von Erschöpfung ist bei den Künstlern aber nichts zu merken. Jeder Schlag sitzt, in imposanter Synchronizität bearbeiten die Musiker ihre Instrumente so kraftvoll, dass schon mal einer der Batchi zu Bruch geht.
Yamato – The Drummers of Japan gastieren mit ihrer neuen Show „Bakuon – Legend of the Heartbeat“ vom 21. bis 26. Juli in der Kölner Philharmonie beim Kölner Sommerfestival. Die Show ist inspiriert vom Takt des Herzschlags eines jeden einzelnen Lebewesens. Tickets gibt es ab 36,50 € (Ermäßigungen siehe Website) im Internet und an den bekannten Vorverkaufsstellen.
www.yamato-show.de
www.koelner-philharmonie.de
„Yamato hat meine Art, Taiko zu spielen, verändert“, erzählt der 22-jährige Subaru Imai, eines der jüngeren Ensemblemitglieder: „Früher habe ich nicht mit dem ganzen Körper gespielt – und das ist viel erschöpfender!“. Die Bedeutung seiner Worte wird klar, als ich mich nach der Show im Londoner Churchill Theatre selbst an einer Taiko versuchen darf. Subaru Imai erklärt, wie man mit dem ganzen Arm ausholen und mit voller Kraft auf die große Odaiko schlagen muss. Den vorgegebenen Rhythmus kriege ich gerade noch hin, doch als er das Tempo anzieht, fühlen sich meine Arme bald an, als hielte ich statt der federleichten Batchi Sandsäcke in den Händen.
Zehn-Kilometer-Lauf am Morgen
Um ein Programm wie „Bakuon“ zwei Stunden auf der Bühne durchzuhalten – immerhin touren Yamato bis zu zehn Monate im Jahr – führen die rund 20 Mitglieder ein Leben wie Leistungssportler. Sie nennen es den Taiko-do, den „Weg der Taiko“: In Asuka leben die Mitglieder zusammen in einer Art Wohngemeinschaft und machen alles zusammen – aufstehen, essen, trainieren, proben, schlafen gehen. „Auf diese Weise versuchen wir, eins zu werden und einen einstimmigen Klang zu erschaffen“, bestätigt Gen Hidaka.
Jeden Morgen erklingt um 6.30 Uhr eine Glocke. Dann joggen die Trommler zehn Kilometer und absolvieren ein „Hantel“-Training mit den zehn Kilogramm schweren Shime-Daiko-Trommeln – alles noch vor dem Frühstück. Auf Tour wird der Morgenlauf zum Sightseeing: „So sehen wir die Städte, in denen wir gastieren“, erklärt Gen Hidaka: „In Köln waren wir schon am Dom und an der Rheinpromenade“.
Nach dem Mittagessen üben die Trommler bis spätabends und feilen an neuen Stücken. Damit die Nachbarn ein Auge zubekommen, sind abends die leiseren Instrumente wie die japanische Shinobue-Flöte, die bronzene Chappa-Zimbel oder die dreisaitige Shamisen dran. Zwischendurch schnitzen sie ihre Batchi – jeder Künstler macht sie selbst und versieht sie mit seinem persönlichen Zeichen.
Wie Autofahren ohne Airbag
Wie sie eine derart energiegeladene Show auf die Bühne bekommen? „Es ist wie Autofahren ohne Airbag“, sagt Gen Hidaka. „Wir sind hochkonzentriert und geben alles für den Moment.“ Das beschreibt nicht nur die Show, sondern auch die Philosophie von Yamato: Die Musiker üben zum Teil mit verbundenen Augen, um das Gefühl für den gemeinsamen Rhythmus zu schärfen, den Schlag des Kollegen kommen zu fühlen.
Der 21-jährige Kenta Ono, passionierter Läufer, vergleicht das, was in der Show passiert, mit dem sogenannten Runners’ High, der Euphorie, die sich bei Hochleistungsläufern einstellt. Er nennt es das „Drummers’ High“. Es scheint tatsächlich so: Ob in kraftvollen Stücken, die dem Publikum durch Mark und Bein vibrieren, oder in zarteren, verspielten Liedern mit Gesang – in der Einheit liegt die überwältigende Kraft von Yamato.