JubiläumVom Gourmet-Tempel zum Brauhaus

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Wolfgang Niechziol ist mit Leib und Seele Gastwirt im „Goldenen Pflug“. (Bild: Ramme)

Wolfgang Niechziol ist mit Leib und Seele Gastwirt im „Goldenen Pflug“. (Bild: Ramme)

Merheim – Rückblickend würde er es wieder tun. Seit den Anfangstagen des heutigen Brauhauses führt Wolfgang Niechziol (59) den "Goldenen Pflug" an der Olpener Straße 421. Das ist nun genau zehn Jahre her und so wurde der runde Geburtstag jetzt mit mehr als 700 Gästen sowie kölschen Klängen von Liedermacher Björn Heuser und Trompeter Bruce Kapusta gefeiert.

Niechziol liebt seinen Job hinter dem Tresen. Da fühlt er sich wohl. Das kann man sehen und hören. "Als vorletztes Brauhaus vor der Stadtgrenze sind wir gut angenommen worden. Ich mag das Umfeld hier zwischen Merheim, Brück, Neubrück und Ostheim. Das ist alles sehr familiär, obwohl wir doch in der Stadt sind."

Der Einstieg als Pächter in Merheim - die Kölner Privatbrauerei Gaffel hatte damals das ehemalige Luxus-Restaurant übernommen und in ein bürgerlichen Brauhaus mit traditionellem Charakter umgewandelt - war Niechziols erste selbstständige Stelle. Zuvor hatte er die Gastronomie im Phantasialand geleitet. Vor allem in der Schankstube erinnern noch alte Plakate und Fotos an die Vergangenheit des Restaurants, das 1937 von Ewald Haase als "schönste und modernste Gaststätte im rechtsrheinischen Gebiet" eröffnet worden war. Es gab einen "vorzüglichen Mittagstisch für alle Ansprüche und reichhaltige Abendplatte zu mäßigen Preisen", außerdem waren "alle Getränke in bestgepflegtem Zustand durch elektrische Kühlung", wie ein Reklamezettel aus der damaligen Zeit verspricht.

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Wegen der Lage in direkter Nachbarschaft zum früheren Militärflugplatz Ostheim - auf dem Gelände des heutigen Merheimer Klinikums - wollten die Inhaber das Gasthaus "Goldener Flug" nennen. Doch das gefiel der Luftwaffe nicht. Und so besuchten die Offiziere des Fliegerhorstes genau wie die Anwohner aus den umliegenden Stadtteilen den "Pflug", der schnell für seine gute Küche und gepflegte Gastlichkeit bekannt wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg boten die Räumlichkeiten in Merheim die einzige Möglichkeit in der gesamtem Umgebung für Veranstaltungen, Tanzabende oder Familienfeiern. In den 50er Jahren entwickelte sich der "Goldene Pflug" wieder wie zu Vorkriegszeiten zu einem bürgerlichen Gasthaus und stadtweit beliebten Ausflugslokal. Als Ludwig Robertz Anfang der 60er Jahre die Wirtstochter Eleonore Haase geheiratet hatte, begann er mit großem Engagement, das Gasthaus in ein Feinschmeckerlokal im französischen Stil umzuwandeln.

Sein Schwiegersohn Herbert Schönberner sorgte dann in den 70er Jahren als Küchenchef für kulinarischen Hochgenuss. Aus einem Michelin-Stern machte er schnell zwei (1974), um 1982 als erster Deutscher den heiß begehrten dritten Stern zu erkochen. Rund zwölf Jahre hielt sich der "Pflug" in der europäischen Spitze, und Feinschmecker aus aller Welt pilgerten in Scharen in das äußerlich recht unscheinbare Vorstadt-Eckhaus nach Merheim. Als Inhaber Robertz 1993 verstarb, begann der Glanz der Sterne zu verblassen. Koch Schönberner wechselte in ein eigenes Lokal, die Witwe Eleonore Robertz führte den Gourmet-Tempel noch sieben Jahre weiter, ehe sie ihm mangels geeigneter Nachfolger zum 1. Januar 2001 ganz aufgab.

Dann wurde groß umgebaut. Aus dem einst luxuriös eingerichteten Speisesalon mit seiner hochgelobten Küche (Menü-Preis 150 Mark) wurde das typische moderne Brauhaus, wie es die Gäste heute kennen: helle, schlichte Wände über dunkler Holztäfelung, blank gescheuerte Tische, ein großer Schankraum mit Theke und Stehtischen. Den Saal ziert ein gläserner Himmel im Tiffany-Stil, das Tischbesteck steckt in Holzschuhen. Das schwülstig-schwere Ambiente der Gourmet-Ära ist komplett verschwunden. Statt damals 32 Sitzplätzen sind es heute 140 im Inneren - hinzu kommen noch 230 Plätze im Biergarten. Das Kölsch hat vor zehn Jahren Einzug gehalten - und mit ihm die Anwohner aus dem Veedel. "Die machen den größten Teil unsere Gäste aus, aber einige kommen auch regelmäßig aus Nippes und aus der Südstadt hierher", weiß Wirt Niechziol.

Und selbst manche Stammgäste der Edel-Gastronomie sind der gewohnten Adresse treu geblieben. "Fürs teure Essen fahren sie zwar zum Schloss Bensberg, aber sie wollen ja auch den kölschen Gegenpart." Und den liefern Niechziol und sein Team mit einer typischen Brauhausküche. Jeden Dienstag gibt es Reibekuchen (ab 5,40 Euro), mittwochs ist Steak-Tag (300 Gramm Fleisch mit Beilagen für 16,90 Euro) und immer freitags werden Haxen mit Röggelchen und Krautsalat (10,90 Euro) serviert. Alles wird frisch zubereitet: vom Halve Hahn über den rheinischen Sauerbraten bis hin zum scharfen Merheimer. So heißt hier die Curry-Wurst mit Fritten (6,50 Euro). Im September gibt es zudem Muschelgerichte, im Oktober steht vorrangig Wild auf der Speisekarte und im November kommt die Gans auf den Tisch - als Brust oder Keule.

Das "Brauhaus Goldener Pflug" an der Olpener Straße 421 ist wochentags von 16 Uhr bis 24 Uhr sowie an allen Sonn- und Feiertagen jeweils von 11.30 Uhr bis 24 Uhr geöffnet. Das Kölsch (0,2 l) kostet 1,30 Euro; Cola und Limo 1,70 Euro.

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