„Böhsen Onkelz“ in KölnKevin Russel verwandelt Lanxess-Arena in einen Hexenkessel

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Kevin Russel

Böhse-Onkelz-Frontmann Kevin Russel. 

Köln – „Sieht so aus als hätten wir uns die richtige Arena für unser Abschlusskonzert ausgesucht“, ruft Bassist Stephan Weidner angesichts der bis unters Dach gefüllten, ausverkauften Lanxess-Arena. Eines ist klar: Die Böhsen Onkelz leiden nicht unter einem Mangel an enthusiastischen Fans. Seit 42 Jahren – mit einer zwischenzeitlichen Auflösung und einer Wiedervereinigung - sind sie nun aktiv. Trotz, oder gerade weil die Band umstritten war und ist. Leadsänger Kevin Russel verursachte 2009 unter Drogeneinfluss einen schweren Verkehrsunfall, bei dem er Unfallflucht beging, saß dafür im Gefängnis.

Eine Nähe zur rechten Szene wurde der Band in ihrer Anfangszeit vorgeworfen – inzwischen hat sie sich distanziert, setzt sich für soziale Projekte ein. Kritikern geht das nicht weit genug. Ob man der Gruppe ihren Sinneswandel abnimmt, muss jeder für sich entscheiden. Die Neonazi-Szene sieht die Onkelz als Verräter an. Fakt ist: Die Onkelz polarisieren.

Böhse Onkelz: Alle 18 Konzerte der Tour ausverkauft

Fakt ist auch, die Band erfreut sich größter Beliebtheit: Alle 18 Konzerte der Tour waren ausverkauft. Zwischen den Songs grölen die Fans in der Deutzer Lanxess-Arena wie im Fußballstadion „Oh wie ist das schön“. „Das finden wir auch“, meint Bassist Stephan Weidner, der die Ansprache zum Publikum übernimmt. Frontmann Russel hält sich da zurück. „Ich muss mich zwischendurch mal kneifen, da oben stehen ja auch welche. Und alle singen mit.“ 

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onkelz stefan weidner und gonzo

Stephan Weidner (r.) und Matthias Röhr (l.) beim Konzert der Böhsen Onkelz 2019 am Flugplatz Hartenholm. Aufgrund der strengen Foto-Regeln beim Konzert in Köln haben wir uns dazu entschlossen, ein Archivbild zu verwenden. 

Es ist ein durchaus beeindruckendes Bild. Bei „Terpentin“ gibt es im Innenraum kein Halten mehr: Moshpits ziehen sich durch die Menge, also wildes Herumgeschubse. Das sieht grob aus, geschieht aber einvernehmlich. Die goldene Moshpit-Regel besagt: Wer fällt, dem wird aufgeholfen. Nach dem Song hallt es minutenlang „Ohhoo“ durch die Arena. „Kein Wunder, dass die beim Karneval hier so durchdrehen“, kommentiert Weidner. Onkelz-Songs sind nicht tiefgründig, eignen sich aber zum Mitsingen. Auch der Bierkonsum scheint an diesem Abend überdurchschnittlich. So passt der Karnevals-Vergleich erstaunlich gut – nur, dass die Mehrheit des Publikums schwarz gekleidet ist.

Böhse Onkelz: Bengalos bei „Mexico“

Politisch wird es vor „Schöne neue Welt“: „Wir müssen feststellen, dass auch Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit ist. Die Geschichte wiederholt sich leider immer wieder“, sagt Weidner. „Hört auf/Hört endlich auf“, schreit Kevin Russel bei dem 19 Jahre alten Song mit seiner unverwechselbaren, rauen Gesangsstimme ins Mikrofon. Es sind vor allem die älteren Lieder, die die Stimmung vorantreiben. Eine Ausnahme ist da „Kuchen und Bier“ vom aktuellen Album, das als einer der wenigen Onkelz-Songs eine gewisse Selbstironie mitbringt. Musikalisch sind die Frankfurter routiniert, 42 Jahre Geschichte merkt man dem Spiel an.

Beim lauthals vom Publikum geforderten „Mexico“ werden auf den Rängen und im Innenraum vereinzelt Bengalos gezündet – die sind auch in der Lanxess-Arena verboten. „Das war eine historische Nacht hier in Köln. Das nenne ich mal einen Abriss!“ ruft Weidner zum Schluss. „Ihr habt dem Ding die Krone aufgesetzt.“

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Es bleibt bei den Böhsen Onkelz ein fader Beigeschmack, auch wenn sich die Band von ihrer Vergangenheit distanziert. Eines aber muss man ihnen lassen: Sie wissen, wie man eine Halle zweieinhalb Stunden lang zum Hexenkessel macht.

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