Im Wohnzimmer von Inge Dohm in Sülz werden erst einmal die Identitäten geklärt, sonst wäre es für den Besucher zu verwirrend. „Ich bin der Einling“, sagt eine Frau in rotem Lederblouson. Das ist also Mieze Guntermann, die als Erste zur Welt kam. Und weil Inge Dohm sich schon an der Wohnungstüre vorgestellt hat, muss die dritte Frau im Raum ihre eineiige Schwester Martha Dylewski sein, die Nachzüglerin bei der um zwei Monate verfrühten Drillingsgeburt im Jahr 1939.
Bleibt zu klären, wer der Mann ist, der rauchend in einem Sessel sitzt. Bruder Albert aus Höhenhaus, Jahrgang 1952 und Vorsitzender des Kreises rheinischer Karnevalisten? Nein, es ist Inge Dohms Lebensgefährte Bernd Kranz, mit dem sie seit 37 Jahren zusammen ist. Schon entwickelt sich im Wohnzimmer ein lebhaftes Gespräch aus besonderem Anlass: Am 27. April feiern die drei Schwestern ihren 75. Geburtstag.#infobox
Als ihr Vater Albert Terfloth auf der Geburtsstation des Siegburger Krankenhauses, auf der seine Frau Martha lag, nach dem Stand der Dinge fragte, war er darauf vorbereitet, dass es nicht nur ein Kind sein würde. Doch als er von einer Schwester hörte: „Es sind 30 Fingerchen und 30 Zehchen“, entfuhr es ihm: „Himmel, Arsch und Zwirn.“ Dies gehört zum Repertoire der Familiengeschichten.
Kurz nach der Geburt muss der Vater in den Krieg
Gar nicht amüsant ist der Umstand, dass einige Monate später der Krieg ausbrach und Albert Terfloth an die Front musste. Wie kam seine Frau die drei Säuglinge zu versorgen hatte, damit zurecht? „Sie hatte ein Pflichtjahrmädchen“, erzählt Mieze, die ihren ungewöhnlichen Namen von einer Tante erhalten hat. Eine andere Tante mit dem Namen Otti nähte für die Mädchen die Kleider, immer in Dreier-Ausfertigung. „Wir legten Wert darauf, das Gleiche zu tragen“ , sagt Mieze, und Schwester Inge ergänzt mit Blick auf Martha: „Wir haben uns als junge Mädchen sehr ähnlich gesehen.“
So ähnlich, dass sie es sich klischeegemäß zunutze machten: Es kam tatsächlich vor, dass die eine für die andere zu deren Freund ging und mit ihm, so Inge, „poussierte“. Bernd Kranz verzieht mit gespielter Empörung die Miene: Ihm sei es niemals passiert, dass er seine Lebensgefährtin mit deren eineiiger Schwester verwechselt habe. 1949 kehrte Vater Terfloth aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Er arbeitete zunächst in einer Zellwollfabrik, später, nach dem Umzug der Familie nach Köln im Jahr 1954, war er bei der Stadtsparkasse beschäftigt. Das Geld fehlte, die Mädchen Abitur machen zu lassen. „Dreimal Gymnasium , das ging nicht“, sagt Inge. Die Schwestern gingen von der Schule ab und machten eine kaufmännische Lehre.
Mit 17 hatten sie einen kleinen Bühnenerfolg: Der Vater, der Gitarre spielte und Krätzchensänger war, sorgte dafür, dass sie in einem Tanzlokal auftreten konnten, als „Die Rheingold-Drillinge“. Eine spielte ein Instrument, die beiden anderen sangen Lieder wie „Wochenend’ und Sonnenschein“. Eine Karriere wurde nicht daraus. Inge: „Die Eltern hatten kein Geld, uns groß rauszubringen.“ Martha: „Und Casting-Shows gab es damals nicht.“ Mieze ist die Einzige, die dem Gesang treu geblieben ist, bis heute singt sie im Kirchenchor.
Der Zusammenhalt ist stark
Berufstätig waren alle. Inge und Martha waren Sekretärinnen, die eine bei der Bundesärztekammer, die andere im Rechenzentrum der Universität zu Köln. Mieze löst Heiterkeit aus, als sie die korrekte Bezeichnung ihres ersten Berufs erwähnt: Flachglasgroßhandelskauffrau. Danach war sie bei der Stadtsparkasse angestellt. „Sie hat für uns das Kinderkriegen übernommen“, sagt Martha, Sie und ihre eineiige Schwester sind kinderlos geblieben, Mieze aber, die in Holweide wohnt, hat drei Kinder. Sie ist seit mehr als 50 Jahren verheiratet. Inges erster Mann ist 1972, nach nur zwei Jahren Ehe, an einer Krankheit gestorben; und Martha, die in Lindenthal lebt, ist seit 1984 geschieden und geht, wie sie sagt, längst ihre eigenen Wege.
Der Zusammenhalt der ganzen Familie sei stark, heißt es einhellig, man besuche sich regelmäßig und telefoniere viel. Die eineiigen Schwestern sind besonders verbunden. „Wenn die eine Kopfschmerzen hat, bekommt die andere sie einen Tag später“, sagt Inge. Vormachen könnten sie sich nichts: „Wenn die eine etwas bedrückt, merkt die andere es sofort.“ Allerdings sei sie „forscher“, sagt sie von sich, „ich lege direkt los“; Martha sei „zurückhaltender“. Äußerlich lassen sie sich stärker unterscheiden als früher; Inge, die sich „in die sportliche Richtung entwickelt“ habe, trägt ihr Haar kürzer als Martha das ihre, auch die Gesichtszüge weichen voneinander ab.
Trotzdem konnte es noch im Erwachsenenalter zu Verwechslungen kommen. 1998 und 2004 bekam Inge künstliche Hüftgelenke; Martha war ein paar Jahre später dran. Als Inge sie kurz nach der Operation im Krankenhaus besuchte, staunte eine Patientin im Flur: „Dass Sie schon wieder laufen können…“