Wegen Stau gewendetKeine Strafe für Geisterfahrer von der A1 bei Köln-Niehl

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Um einen Stau zu umgehen, hatten Autofahrer vor einem halben Jahr mitten auf der A1 gewendet.

Köln-Niehl – Für das, was mindestens 13 Autofahrer am 3. September vorigen Jahres auf der Autobahn 1 bei Niehl getan haben, hatte die Polizei seinerzeit deutliche Worte gefunden: „Lebensmüde“ hätten die Fahrer gehandelt, „unfassbar rücksichtslos“ und „unverantwortlich“. Jetzt steht fest: Folgen müssen die Fahrer keine fürchten. Die Stadt Köln hat nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ sämtliche Bußgeldverfahren eingestellt.

Was war an jenem Sonntagnachmittag geschehen? Polizisten hatten im Autobahnkreuz Nord einen Unfall mit einem lebensgefährlich verletzten Motorradfahrer aufgenommen und die Fahrbahn dazu teilweise gesperrt. Schnell bildete sich ein Stau. Um auszuweichen, wendeten einige Autofahrer und fuhren die Autobahnauffahrt Niehl hoch – als Falschfahrer. Manche setzten auch einfach rückwärts zurück. Wären ihnen Autos entgegen gekommen, hätten deren Fahrer „kaum eine Chance gehabt auszuweichen“, berichtete eine Polizeisprecherin seinerzeit. Glücklicherweise kam niemand entgegen.

Szenen mit dem Handy gefilmt

Die Beweislage für die Polizei schien zunächst komfortabel: Ein Zeuge hatte die Szenen mit dem Handy gefilmt und den Ermittlern das Material zur Verfügung gestellt. Die Behörde stellte den Clip – nachdem sie Kennzeichen und Gesichter unkenntlich gemacht hatte – sogar ins Internet, um öffentlich auf die Gefahren solch waghalsiger Manöver hinzuweisen.

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Um einen Stau zu umgehen, hatten Autofahrer vor einem halben Jahr mitten auf der A1 gewendet

Das entsprechende Video ist mit fast 900.000 Aufrufen auf Facebook bis heute das am zweithäufigsten aufgerufene Video der Polizei Köln aller Zeiten – nach dem Clip eines rappenden Polizisten von der Wache Sülz, das 1,5 Millionen mal geklickt wurde.

Video wurde 1,5 Millionen mal geklickt

Den Falschfahrern, so hieß es damals in einer Pressemeldung der Polizei, drohe der Entzug der Fahrerlaubnis, in besonders schweren Fällen sogar eine Freiheitsstrafe. 13 Kennzeichen konnten die Ermittler anhand des Videomaterials identifizieren. Weil in keinem der 13 Fälle der Nachweis gelang, dass ganz konkret Menschenleben in Gefahr war, schied ein Strafverfahren aus – übrig blieben Ordnungswidrigkeiten, für deren Ahndung die Stadt Köln zuständig ist: Rückwärtsfahren in der Einfahrt der Autobahn sowie Wenden in der Einfahrt der Autobahn. Beides wird mit jeweils 75 Euro und einem Punkt in Flensburg bestraft. Im vorliegenden Fall allerdings nicht.

Unklare Beweislage

Denn wie Stadtsprecher Jürgen Müllenberg mitteilt, sei die Bußgeldstelle „zu dem Schluss gekommen, dass im weiteren Verfahrensverlauf letztendlich alle Verfahren mangels rechtlich sicherer Täterfeststellung eingestellt werden mussten“.

Im Klartext heißt das: Auf dem Video waren zwar offenbar 13 Kennzeichen erkennbar, aber nicht die jeweiligen Fahrer am Steuer – entweder gar nicht oder nicht sicher. In manchen Fällen, so Müllenberg, habe sich die Sonne auf der Windschutzscheibe gespiegelt, in anderen seien die Fahrer durch den Beifahrer verdeckt oder nur schräg von hinten oder von der Seite zu sehen gewesen.

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Um einen Stau zu umgehen, hatten Autofahrer vor einem halben Jahr mitten auf der A1 gewendet.

Um einen Bußgeldbescheid verschicken zu können, müsse der Fahrer aber eindeutig identifizierbar sein. „Diese Voraussetzungen waren hier jedoch nicht gegeben“, sagt Müllenberg. Eine Haftung des Fahrzeughalters scheide bei Verstößen im fließenden Verkehr grundsätzlich aus.

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