Kirche im MissbrauchsskandalBetroffenenbeiräte sind uneins über Kölner Gutachten

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Kardinal Woelki auf der Pressekonferenz am 23. März 2021, einer von zwei öffentlichen Runden zu den Folgen des Missbrauchsgutachtens.

Köln – Die Betroffenenbeiräte des Erzbistums Köln und der Deutschen Bischofskonferenz beurteilen das am 18. März vorgelegte Kölner Missbrauchsgutachten gegensätzlich. Das auf nurmehr vier Mitglieder geschrumpfte Kölner Gremium begrüßte die Studie der Anwaltskanzlei Gercke Wollschläger. Sie erfülle die Aufgabe, den Umgang mit Missbrauchsfällen nach Aktenlage rechtlich zu bewerten und die Vertuscher hinter den Tätern zu benennen. Damit bilde das Gutachten „die solide Grundlage für das, was jetzt kommt.“ Für die weiter notwendige Aufarbeitung spielten „die Dinge, die ständig eingefordert werden, nämlich Empathie für die Opfer und eine Hinwendung der Kirche zu den Betroffenen eine wesentliche Rolle“.

Woelkis Beirat, aus dem sich zuletzt zwei weitere Betroffene zurückgezogen haben, sicherte dem Erzbistum zu, sich den Aufgaben zu stellen und die Verantwortlichen kritisch zu begleiten. Zuletzt hatten weitere zwei der ursprünglich neun Mitglieder den Beirat verlassen. Sein früherer Co-Sprecher Patrick Bauer engagiert sich im Beirat der Bischofskonferenz.

Verantwortliche würden in der Darstellung geschont

Dieser kritisierte eine rein rechtliche Betrachtung des Gercke-Gutachtens scharf. Verantwortliche würden in der Darstellung geschont. Die systemischen Ursachen für Missbrauch und Vertuschung wie Klerikalismus, Männerbünde und fehlende Teilhabe von Frauen an Leitungsämtern, Sexualmoral oder Zölibat seien „weitestgehend ausgeblendet oder werden gar nicht betrachtet“ worden. „Angesichts des moralischen Selbstanspruchs der katholischen Kirche als ‚Moralagentur‘ und angesichts des Prüfauftrages des Erzbistums Köln, der konsequent auch den kirchlichen Selbstanspruch in den Blick nehmen sollte, ist es für uns nicht einsichtig, dass ethisch-moralische Verfehlungen und Pflichtverletzungen im Gercke-Gutachten nicht bewertet wurden.“ Diese Engführung lasse Zweifel am kirchlichen Willen zu einer umfassenden und grundlegenden Aufarbeitung aufkommen.

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Patrick Bauer

Diese Kritik richte sich aber nicht allein an das Erzbistum Köln. „Auch in anderen Bistümern können wir bis heute noch keine breite Bereitschaft erkennen, Verantwortung für die Auswirkungen auf das heutige Leben der betroffenen Kinder und Jugendlichen und erwachsenen Schutzbefohlenen zu übernehmen.“

Woelki habe Einfluss systematischer Faktoren in Frage gestellt

Allerdings habe Woelki zuletzt den Einfluss systemischer Faktoren erneut in Frage gestellt, indem er nach der Vorlage des Gercke-Gutachtens „den Zusammenhang zwischen Missbrauchs-Aufarbeitung und den kirchenpolitischen Fragen relativiert beziehungsweise abgelehnt“ habe.

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Hierzu stellt auch Woelkis Beirat fest, dass es „mit Reförmchen nicht getan“ sei. Es bedürfe  einer Sicht „auf die Kirche in der Welt, die nicht im Elfenbeinturm sitzt und sich die (Kirchen-)Welt schönredet“. Durch die Jahrhunderte sei die Kirche „immer ein Ruhepol und Zufluchtsort gewesen, und das soll sie auch bleiben, Halt und Stütze für die Menschen. Aber eine Kirche, die nur sich selbst, ihre eigenen Vorstellungen und Vorschriften sieht und nicht das Leben der Menschen allgemein, das ist keine Volkskirche mehr.“ Man müsse nicht „allen Blödsinn mitmachen, der teilweise gefordert wird, aber man muss die Augen aufmachen für die Wirklichkeit“, so die Kölner Betroffenen.

Im Dringen auf weitere Aufarbeitung stimmen beide Beiräte überein. Allerdings moniert das Gremium der Bischofskonferenz, dass im Kölner Gutachten die Betroffenen unberücksichtigt geblieben seien. Deren zukünftiges „Mitnehmen“ in Köln wirke „mehr kosmetisch als tatsächlich systematisch fundiert“.

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