Was wohl Papst Leo XIV. sagen würde, wenn er wüsste, wie im „heiligen Köln“ mit dem hehren Verständnis vom Priestertum Schindluder getrieben wird?
ErzbistumKardinal Woelkis moralischer Totalausfall im Schmerzensgeld-Prozess


Kardinal Rainer Woelki (3. von links) im Kreis weiterer Kardinäle vor Beginn der Papstwahl im Mai 2025.
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Gut gemeinte Formulierungen haben oft die unangenehme Eigenschaft, alles nur noch schlimmer zu machen. Es gebe beim Thema Missbrauch am Ende keine Gewinner, ließ Kardinal Rainer Woelkis Amtsleiter Frank Hüppelshäuser verlauten, nachdem das Erzbistum Köln gerade einen Prozess um Schmerzensgeld für sich entschieden – oder sagen wir: gewonnen – hatte. Ob wirklich kein Verantwortlicher in der Institution des Täters bemerkt hat, wie – mutmaßlich ungewollt – zynisch dieser Kommentar wirken muss?
Das Erzbistum hatte vor dem Landgericht Köln beantragt, die Klage der Frau abzuweisen, die als Minderjährige von dem Priester, der als Pflegevater das Sorgerecht für sie übernommen hatte, über Jahre sexuell missbraucht wurde – zwei ungewollte Schwangerschaften eingeschlossen. Das Argument der Kirche für einen Haftungsausschluss: Der Täter habe seine Verbrechen nicht als Priester in Ausübung seines Amtes begangen, sondern als Privatperson in seiner Freizeit.
In seinem Urteil ist das Landgericht dieser Sicht gefolgt. Es mag juristisch angehen, dass gewiefte Anwälte vor Gericht alle Register zugunsten ihres Mandanten ziehen. Doch dass Kardinal Woelki ihnen das sehenden Auges hat durchgehen lassen und es nun auch noch als Erfolg für das Erzbistum verbuchen kann, ist moralisch und theologisch der Totalausfall.
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Kardinal Woelki: Priester haben keine 37,5-Stunden-Woche
Als Woelki vor Jahren fünf Diakone – 2016 waren es noch vier mehr als 2025 – zu Priestern weihte, gab er ihnen in seiner Predigt klar zu verstehen, was das für sie bedeute: Sie müssten Jesus Christus, dem guten Hirten, „nicht nur einen Teil ihres Lebens, nicht nur einen Teil ihrer Kraft zur Verfügung stellen, nicht nur einen Teil ihrer Zeit, eine 37,5-Stunden-Woche, sondern ihre ganze Kraft, ihre ganze Zeit – sich selbst.“
Das beschreibt mustergültig das kirchliche Verständnis vom priesterlichen Dienst. Wenn Kleriker dies aufs Schändlichste verraten, kann sich die Kirche nicht darauf zurückziehen, mit alledem habe sie nichts zu tun – so als ob bei Missbrauch dann doch der Acht-Stunden-Tag und der Anspruch auf ein freies Wochenende griffen. Zumal der Vertrauensvorschuss, den Priester (früher einmal) qua Amt genossen, Missbrauchstaten begünstigt oder überhaupt erst ermöglicht hat. Im konkreten Fall hatte der Täter seine Pflegetochter regelmäßig im Pfarrhaus missbraucht, samstags, zwischen Beichte und Abendmesse. Nach der Vergewaltigung in der Badewanne nahm er seinem Opfer die Beichte ab. In welcher „logischen Sekunde“ soll er hier vom Gottesmann zur Privatperson mutiert sein?
Das Urteil müsste Woelki die Schamesröte ins Gesicht treiben
Es müsste Kardinal Woelki vor Scham das Rot seiner Soutane ins Gesicht treiben, dass er mit solch einer absurden Konstruktion in erster Instanz eiskalt durchgekommen ist. Was wohl der neue Papst Leo XIV. sagen würde, wenn er erführe, wie da oben im „heiligen Köln“ mit dem hehren Verständnis vom katholischen Priestertum Schindluder getrieben wird?
Der Ausgang des Verfahrens, gegen das die Klägerin hoffentlich Berufung beim Oberlandesgericht einlegen wird, kennzeichnet auch die Schwierigkeiten einer juristischen Bewältigung des Missbrauchsskandals. Die Betroffenen müssen fürchten, dass die Kirche formaljuristische Positionen einnimmt und beispielsweise die Karte der Verjährung zieht. Sie stehen vor Gericht anders in der Beweispflicht als in dem von den Bischöfen etablierten Verfahren mit freiwilligen Entschädigungen. Und ob sie am Ende die von ihnen erstrebte Gerechtigkeit finden oder doch nur ein Urteil bekommen, ist auch nicht ausgemacht.
Da hat Woelkis Amtsleiter sogar Recht mit seiner Rede, es gebe keine Gewinner. Nur dass es nicht die Täterorganisation sein sollte, die die Opfer ein weiteres Mal zu Verlierern macht.