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Drogenszene am NeumarktGesundheitsdezernent Harald Rau spricht von „einer schlimmen Situation“

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Drogenkonsumraum am Kölner Neumarkt

Drogenabhängige Menschen warten vor der verschlossenen Tür zum Drogenkonsumraum am Kölner Neumarkt.

Mehrere neue Konsumräume für die Suchtkranken nach Vorbild der Stadt Zürich sollen dabei helfen, die Probleme am Hotspot zu lösen.

Um der sich zuspitzenden Situation am Hotspot Neumarkt in der Kölner Innenstadt Einhalt zu gebieten, will Gesundheitsdezernent Harald Rau im Optimalfall gleich mehrere neue Drogenkonsumräume eröffnen, die dem „Zürcher Modell“ entsprechen. Das kündigte er am Donnerstag im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ an. Polizeipräsident Johannes Hermanns hatte am Mittwoch in einem Interview mit dieser Zeitung einen Vorstoß gewagt und sich dafür starkgemacht, den Suchtkranken in einem neuen Drogenkonsumraum eine umfassendere Unterstützung als bislang anzubieten. Auch er hatte das Zürcher Modell in dieser Hinsicht als Vorbild herangezogen.

Stadt Köln entstünden jährlich Kosten in Höhe von zehn Millionen Euro

„Grundsätzlich teile ich die Einschätzung, dass eine Entzerrung der Drogenszene wichtig ist und hierfür mehrere Drogenkonsumräume erforderlich sind. Daran arbeiten wir“, sagte Rau. Ein ausgeweitetes und damit wirksameres Drogenhilfeangebot in Köln müsse einen Drogenkonsumraum an benachbarte Angebote zum Aufenthalt, zur Ruhe, zur Beschäftigung und mit einem Nachtcafé andocken. Damit ließe es sich erreichen, die Betroffenen auch vor und nach den Konsumvorgängen besser zu versorgen. „Für ein solches erweitertes Angebot an einem Ort rechnen wir sehr überschlägig und vorläufig mit laufenden jährlichen Kosten von mehr als drei Millionen Euro“, sagte Rau. Drei solcher Angebote würden auf rund zehn Millionen Euro an jährlichen Kosten kommen und benötigten die entsprechenden Immobilien.

„Unbestreitbar ist die Situation am Neumarkt hinsichtlich der Drogenszene wirklich schlimm in vielfacher Hinsicht. Sie hat sich auch nach der Inbetriebnahme des Drogenkonsumraumes im Gesundheitsamt 2022 verschlechtert“, sagte Rau. Das habe insbesondere mit der Entwicklung der Drogenszene in den großen Städten zu tun, die mit Substanzen wie Crack und Fentanyl sowie der immer aggressiveren Verbreitung dieser Substanzen zusammenhänge.

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Polizeipräsident Hermanns hatte gesagt, dass der vorhandene Drogenkonsumraum im Gesundheitsamt am Neumarkt in seiner jetzigen Konfiguration gescheitert sei. Dieser Bewertung widerspricht der Gesundheitsdezernent. „Hinsichtlich des öffentlichen Raumes ist der Drogenkonsumraum sicherlich nicht gescheitert, denn jeder Konsum, der im Drogenkonsumraum stattfindet, findet nicht in der Öffentlichkeit statt“, sagte Rau. Derzeit seien das monatlich rund 4000 Konsumvorgänge, die im Gesundheitsamt und nicht auf offener Straße stattfinden. Darüber hinaus hätten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Konsumraum im vergangenen Jahr in 181 Fällen suchtkranken Menschen das Leben gerettet.

Stadt Köln hat sich um die Teilnahme an einem Pilotprojekt beworben

Dem Vorschlag des Polizeipräsidenten, in einem neuen Drogenkonsumraum eine ärztlich verordnete Abgabe von Drogen zuzulassen, schließt sich Rau an. „Wir haben bereits den Antrag gestellt, an einem Pilotprojekt mit einem verordneten Ersatzstoff teilzunehmen“, sagte er. Gleichzeitig könne die Stadt jedoch nicht darauf warten, dass der Gesetzgeber tätig wird, die Probleme seien akut. Von der Behandlung von Menschen mit Heroinabhängigkeit sei bekannt, dass eine Substitution oder auch die Originalstoffverschreibung viele Menschen dazu befähigen könne, ein geordneteres Leben zu führen. „Das ist ein großer Ansporn, auch bei Kokain- oder Crackgebrauch ähnliches auszuprobieren“, sagt Rau. Er wies darauf hin, dass es zudem als besonders wirksam bewertet werde, dass in Zürich im Drogenkonsumraum eine Toleranz hinsichtlich des Kleindealens gelebt und außerhalb der Drogenkonsumräume eine sehr strikte Null-Toleranz-Strategie durchgehalten werde.

Kölns Gesundheitsdezernent Harald Rau

Kölns Gesundheitsdezernent Harald Rau will schnell zu einer Lösung kommen.

Unterschiedlicher Meinung sind der Polizeipräsident und der Gesundheitsdezernent hinsichtlich des Standortes. Hermanns sagte, aus polizeilicher Sicht sei ein Ort außerhalb der hoch frequentierten Stadtbereiche besser. „Bei der Forderung eines weiter entfernten Drogenkonsumraums weise ich auf Erfahrungen hin, die mit einem Drogenkonsumraum in Deutz entstanden, der 2010 in Betrieb und bereits 2012 wegen mangelnder Auslastung wieder geschlossen wurde“, sagte Rau. Ein Drogenkonsumraum entfalte nur dort seine Wirkung, wo er auch von den Suchtkranken angenommen werde. Unabhängig von den Plänen für mehrere neue Konsumräume in der Innenstadt sind zwei weitere in Kalk und Mülheim bereits geplant. Am Hauptbahnhof existiert bereits seit mehr als 25 Jahren ein Drogenkonsumraum, der geräuschlos funktioniert.

Grüne, SPD und Linke hatten wie berichtet am Mittwoch die ehemalige Kaufhof-Zentrale als Standort für einen neuen Drogenkonsumraum vorgeschlagen. Die Stadt Köln hatte die Immobilie gemietet, bislang ist aber unklar, wie diese genau genutzt werden soll. Die Politik verwehrt derzeit mehrheitlich die Freigabe von 50 Millionen Euro für einen Umbau, weil die ihnen von der städtischen Gebäudewirtschaft vorgelegten Unterlagen nicht vollständig seien. 

Aussichtsreiche Kölner OB-Kandidaten gegen reine Verdrängung

Dass die Entscheidung über den Bau neuer Drogenkonsumräume noch vor der Oberbürgermeister- und Kommunalwahl am 14. September getroffen wird, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Deshalb wird die Haltung der drei aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge von Oberbürgermeisterin Henriette Reker eine zentrale Rolle spielen. 

Berivan Aymaz (Grüne) und Torsten Burmester (SPD) schlossen sich am Donnerstag in Bezug auf einen möglichen Standort den Ratsfraktionen ihrer Parteien an und schlugen ebenfalls die ehemalige Kaufhof-Zentrale vor, die über einen großen Innenhof verfügt, indem sich auch Containerbauten für einen Drogenkonsumraum aufstellen ließen. CDU-OB-Kandidat Markus Greitemann verwies darauf, dass dezentrale Angebote denkbar seien, um die Belastung einzelner Orte zu verringern. „Eine konkrete Standortentscheidung muss gemeinsam mit Fachleuten, Trägern, Polizei und Anwohnern erarbeitet werden“, sagte er.

Einig sind sich alle drei OB-Kandidaten, dass eine reine Verdrängung der Drogenszene weg vom Neumarkt keine Lösung wäre. Hinsichtlich der Abgabe von ärztlich verordneten Drogen im Konsumraum gibt es jedoch Unterschiede. „Die kontrollierte Abgabe von Substanzen wie Heroin kann – dort, wo sie medizinisch begleitet und rechtlich zulässig ist – Teil einer Lösung sein“, sagte CDU-Kandidat Greitemann. Voraussetzung sei, dass sie in einem klaren therapeutischen Rahmen stattfindet. Er setze sich für eine enge Verzahnung von Ordnungsdiensten, Polizei, Sozialarbeit und städtischen Akteuren ein.

Einsatz für die Schaffung neuer bundesrechtlicher Regelungen

„Die kontrollierte Abgabe im Konsumraum ist ein zentraler Baustein des Zürcher Modells, das ich befürworte“, sagte Grünen-Kandidatin Aymaz. Es brauche dafür entsprechende bundesgesetzliche Regelungen. Als Oberbürgermeisterin einer Millionenstadt, die genauso wie auch andere Großstädte ein massives Drogenproblem hat, wolle sie sich für die Schaffung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen einsetzen.

„Zürich macht vor, dass ein solches Modell zur Beruhigung der öffentlichen Plätze funktioniert – allerdings ist dies nur in enger Abstimmung mit der Polizei möglich“, sagte SPD-Kandidat Burmester. Deshalb sei er dankbar, dass der Polizeipräsident ein solches Vorgehen unterstützt. Als Oberbürgermeister wolle er die städtischen Maßnahmen besser mit der Polizei koordinieren als das heute der Fall sei.