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Höhere Grundsteuer in KölnNeuer OB Torsten Burmester widerspricht sich selbst

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Fassaden von Wohnhäusern in Ehrenfeld.

Fassaden von Wohnhäusern in Ehrenfeld.

Eigentlich wollte Torsten Burmester nicht die Nebengebühren für Wohnen verteuern, doch genau das macht er jetzt. Im Rat gibt es eine Mehrheit dafür.

Vor gut zwei Monaten hat Kölns neuer Oberbürgermeister Torsten Burmester (SPD) am Tag nach seinem Sieg in der Stichwahl über mögliche Erhöhungen der Grund- und der Gewerbesteuer gesagt: „Das heißt, dass eine gute Wirtschaft stabile Rahmenbedingungen braucht. Und wenn jemand bezahlbaren Wohnraum fordert, wie ich das tue, kann er nicht indirekt an der Preisschraube für Nebenkosten drehen.“ Doch jetzt schlagen Burmester und Verwaltung eben jene Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes von 475 Prozent auf 550 Prozent zum 1. Januar vor (wir berichteten am Samstag), die Eigentümer und auch Mieter trifft.

Und im Stadtrat gibt es eine Mehrheit für die Erhöhung. Das hat eine Abfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Montag ergeben. Grüne, SPD und Volt haben angekündigt, dafür zu stimmen – es ist genau jenes Trio, das die SPD vorige Woche als festes Bündnis ausgeschlossen hatte. Inklusive der Burmester-Stimme kommt es auf 46 von 91 Sitzen im Rat und hat damit die denkbar knappste Mehrheit. Der Rat entscheidet am 16. Dezember. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Wie viel teurer wird es für Kölnerinnen und Kölner?

Ein beispielhaftes Reihenhaus in Köln-Zollstock mit Garten und zwei Geschossen zahlt für dieses Jahr eine Grundsteuer von 880 Euro. Mit einem Hebesatz von 550 Prozent wären es für kommendes Jahr 1020 Euro, ein Unterschied von 140 Euro. Wie viel mehr Hauseigentümer zahlen müssen, lässt sich aber nicht pauschal sagen. Vermieter können die Grundsteuer auf Mieter umlegen, betroffen sind also alle Kölnerinnen und Kölner.

Was sagen die Interessenverbände?

Thomas Tewes, Geschäftsführer des Kölner Haus- und Grundbesitzervereins, sagte: „Die absolute Summe mag vergleichsweise machbar sein, aber wir kritisieren die Summe der Gebührenerhöhungen, die die Menschen belastet. Wir fordern im Gegenzug aber auch Vorschläge der Verwaltung, wie sie selbst spart und ihre Ausgaben überprüft. Es ist dem Bürger schwer zu vermitteln, dass wir uns eine Opernsanierung für 1,5 Milliarden Euro leisten.“

Und Hans Jörg Depel, Geschäftsführer des Kölner Mietervereins, sagte: „Ich halte überhaupt nichts davon. Damit werden doch nur andere finanzielle Löcher gestopft.“ Und angesprochen auf Burmesters Satz von Ende September sagte Depel: „Der höhere Hebesatz steht im krassen Widerspruch zu seiner Aussage. Das ist kein guter Beginn für den neuen OB.“

Wieso will die Stadtverwaltung die Grundsteuer erhöhen?

Die Grundsteuer ist neben der Gewerbesteuer die einzige ertragreiche Steuer, die Kommunen selbst senken oder erhöhen können. Deshalb werden sie genutzt, um notwendige Einnahmen zu generieren. Um die Finanzen der Stadt Köln steht es schlecht, weshalb bis zum Ende des Jahres schon eine Haushaltssperre gilt, damit die Stadt handlungsfähig bleibt. 

Tatsächlich argumentiert Kämmerin Dörte Diemert sogar damit, „drohende Einschnitte in die sozialen Leistungsstrukturen zu verhindern sowie die Finanzierung unabweisbar notwendiger Maßnahmen (zum Beispiel zur Lösung der Drogenproblematik am Neumarkt) zu ermöglichen“. Heißt: Die Stadt kann eine Lösung für den Neumarkt später nicht mehr glaubhaft mit fehlenden finanziellen Mitteln begründen, wenn der Rat die Grundsteuer anhebt. 

Wie berechnet sich die Grundsteuer?

Die Grundsteuer ergibt sich aus der Multiplikation des Grundsteuerwerts mit der Steuermesszahl und dem Hebesatz. Für das Beispiel des Zollstocker Hauses: 600.000 x 0,031/100 x 475/100 = 883,50. Den Grundsteuerwert (hier 600.000) können Eigentümer einem Bescheid des Finanzamts entnehmen, er ist unter anderem vom Bodenrichtwert je nach Lage, der Grundstücksgröße und dem Alter des Hauses abhängig. Die Steuermesszahl liegt seit der Reform bei 0,031 Prozent für Wohngrundstücke. Der dritte Wert für die Berechnung ist der in Kommunen individuelle Hebesatz, in Köln derzeit 475 Prozent und kommendes Jahr dann voraussichtlich 550 Prozent.

Wie viel zahlen Kölnerinnen und Kölner im Vergleich zum Umland?

Köln liegt eher am unteren Rand der Hebesatztabelle aller NRW-Kommunen, außerhalb sind Grundstücke aber auch weniger wert. Düsseldorf berechnet für dieses Jahr 374 Prozent, der viertniedrigste Satz in NRW. In der Region ist Niederkassel mit 1100 Prozent Spitzenreiter.

Wurde die Grundsteuer nicht gerade erst erhöht?

Insgesamt auf das Kölner Stadtgebiet gerechnet nicht. Im vorigen Dezember hatte der Stadtrat den Hebesatz auf 475 Prozent festgelegt. Das sollte der Stadt bei reformierter Formel eigentlich genauso hohe Einnahmen bringen wie im Vorjahr, auch wenn einzelne Besitzer wie berichtet deutlich mehr zu zahlen hatten. Ein neuer Satz war nötig, weil bundesweit die Berechnung der Grundsteuer reformiert wurde, um die Steuerlast unter den Zahlern fairer zu verteilen. Doch die Stadt nimmt dieses Jahr weniger Grundsteuer ein, ihr fehlen 6,9 Millionen Euro.

Tausende Hausbesitzer hatten bei den Kölner Finanzämtern Widerspruch gegen die Bewertung ihrer Grundstücke eingelegt und teils Recht bekommen. Um lediglich diese Lücke auszugleichen, also kommendes Jahr tatsächlich so viel wie vor der Reform einzunehmen, wäre ein Hebesatz von 503 Prozent nötig. Der Satz von 550 Prozent stellt diesmal eine Erhöhung der Steuerlast insgesamt für Köln dar. Das hatte Diemert schon vor einem Jahr vorgeschlagen, aber damals anders als im neuen Rat noch keine politische Mehrheit bekommen. Diemert will so rund 22,3 Millionen Euro mehr einnehmen.

Was sagen die Fraktionen?

Laut Grünen-Fraktionschefin Christiane Martin werden die Grünen zustimmen, um unter anderem „die Umsetzung unseres Suchthilfekonzepts zügig zu finanzieren“. Laut SPD-Fraktionschef Christian Joisten bleibt „die Stadt in der dramatischen Haushaltslage handlungsfähig“, Volt-Fraktionschefin Jennifer Glashagen nannte die Anhebung „verantwortungsvoll“. CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau kündigte an, dass die Fraktion sich am Mittwoch mit dem Thema beschäftige. Die Linken lehnen die Erhöhung ab und fordern eine höhere Gewerbesteuer. Die AfD teilte mit, dass sie dagegen stimme.

Wenn die Haushaltslage so schlecht ist, will die Stadtverwaltung dann auch die Gewerbesteuer anheben?

Eine Stadtsprecherin antwortet auf Anfrage: „Eine Anhebung des Gewerbesteuersatzes ist nicht geplant.“