Köln – Fast acht Jahre lang hat Jochen Speck in Köln eine erfolgreiche Party veranstaltet. Im Mai hat er den letzten Song bei der „I love Pop“ gespielt – ein melancholischer Moment. „Als ich die letzten beiden Songs aufgelegt habe, war das schon sehr bewegend“, sagt Jochen Speck. „Normalerweise haben wir immer mit Liedern von James und den Smiths aufgehört, bei der letzten »I love Pop«-Party war es anders. Ich habe »Everyday Is Like Sunday« von Morrissey gespielt, dann »Live Forever« von Oasis, und ganz zum Schluss »Universal« von Blur. Ich war sentimental, mein bester Freund Holger heulte wie ein Schlosshund, und unsere Kassiererin Kerstin war auch kurz davor zu weinen.“
Von September 2006 bis Mai 2014 hat Jochen Speck, 41 Jahre alt und zweifacher Familienvater, mit der „I love Pop“ eine erfolgreiche Indie-Party veranstaltet und dabei im Luxor, im Gebäude 9, im Tsunami, im Subway und im Club Bahnhof Ehrenfeld gespielt, und abgesehen von allen relevanten Kölner Clubs ist er auch in Nordrhein-Westfalen gut rumgekommen: Zum Sound der „I love Pop“ wurde auch in Dortmund, Düsseldorf und Duisburg gefeiert.
Die Angela Merkel des deutschen Schlagers
Normalerweise hat eine Party eine Halbwertzeit von vier bis fünf Jahren, und insofern hat Speck die „I love Pop“ ohne Reue beendet. „Wir hatten immer ein musikversiertes Publikum, und das haben wir uns auch auf die Fahne geschrieben. Wir kannten unsere Stammgäste, die natürlich im Laufe der Jahre weniger wurden. Wenn man älter wird, geht man einfach weniger aus, das kennt man ja von sich selbst. Die Gäste, die nachwuchsen, sind anders unterwegs. Wenn in einem Atemzug Placebo und Helene Fischer gewünscht wird, weiß man: Es ist Zeit aufzuhören. Die Party ist acht Jahre gut gelaufen, das reicht dann auch mal.“ Helene Fischer ist ohne Frage die Angela Merkel des deutschen Schlagers, sie regiert das Land musikalisch.
Warum sich Aktivisten des Nachtlebens im Alter zwischen 20 und 40 bei einer Indie-Sause Fischers Lieder wünschen, weiß Jochen Speck nicht. Seit 17 Jahren legt er auf und veranstaltet Partys, einen Reim kann er sich auf die Allzweck-Blondine nicht machen. „Ich bin mir aber sicher, dass sich noch niemand aus Gründen der Ironie Helene Fischer gewünscht hat, die wollen das wirklich hören. Wenn ich auf einer Hochzeit gebucht bin, spiele ich Paola, Udo Jürgens und auch Gitte Hænning. Aber bei Andreas Gabalier, Andrea Berg und Helene Fischer hört’s auf, man muss Grenzen setzen. Das ist musikalisch nicht meine Baustelle. Ich bin DJ und keine Jukebox, bei der man etwas drücken kann.“
Bands wie Mando Diao, Kings Of Leon, Maxïmo Park, Franz Ferdinand und die Kaiser Chiefs werden seit Jahren immer wieder nachgefragt, andere aus der Anfangszeit der „I love Pop“ – etwa The Vines und The Van Bondies – sind in Vergessenheit geraten. Die Leute, so Speck, kommen heute besser vorbereitet auf eine Party als noch vor sechs, acht Jahren. Durch Streaming-Dienste wie Spotify und Videoportale wie Youtube ist ihr Wissen um neue Musik vielfältiger, geht aber zugleich auch nicht mehr so in die Tiefe. „Vielen fällt es schwer, Zusammenhänge herzustellen und Popmusik als großes Referenz-System zu sehen. Dann endet es immer wieder bei »Mr. Brightside« von den Killers. Für mich ist dieser Song das »Atemlos durch die Nacht« der Generation Indie. Ich lege das nicht mehr auf, höchstens noch auf Hochzeiten.“
„Das Wichtigste ist, dass die Leute tanzen“
Partygängertum taugt schon länger nicht mehr zur Distinktion, und so hütet Speck seine schönsten „I love Pop“-Momente wie einen Schatz, den man für nichts in der Welt kaufen kann. Der, in dem Die Sterne auf seiner Party ihre Kernkompetenz einlösten und Geist und Groove auf die Bühne brachten, gehört unbedingt dazu. Ganz sicher auch der, in dem Moneybrother im Subway ein paar seiner euphorischen „Hände in die Luft“-Songs spielte. „Mein allerschönster Moment war einer in der alten Werkstatt. Der Laden war rappelvoll, und alle haben bei »It Takes A Fool To Remain Sane« von The Ark getanzt und mitgegrölt. Werde ich nie vergessen.“
DJ bleibt Jochen Speck natürlich. So lange er selbstständig aus dem Haus und Platten und CDs tragen kann, wird er den Job machen. „Flaschendrehen“ und „Reifeprüfung“ heißen seine neuen Partyreihen. Bei der „Reifeprüfung“, die samstags im Rose Club steigt, geht es musikalisch breiter zu als auf der „I love Pop“; auf die Plattenteller kommen Soul, Hip-Hop, Disco, Funk, Indie und Elektro. „Ich will nicht mehr so spezialisiert sein. Das Wichtigste ist, dass die Leute tanzen. Das macht die glücklich, das macht mich glücklich. Auflegen ist mein Leben.“
Am Montag, 29. Dezember, gibt es einen Sonderzug der KVB. Zum zweiten Mal fährt der „Indie Train“ zur Musik von Jochen Speck und seinen DJ-Kollegen drei Stunden durch die Stadt.