In der Kölner DomschatzkammerKirchenfenster erstmals ganz aus der Nähe zu bewundern

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Aus der Nähe sind verblüffende Details zu erkennen. 

Köln – Der Bart von Jesus Christus ist ganz schön strähnig. Viele feine dunkle Linien ziehen sich durch die Gesichtshaare und geben ihnen mehr Struktur, mehr Volumen. Von unten wäre einem das nie aufgefallen, aber jetzt, da man direkt davor steht, überwältigt es einen. Diese Präzision! Diese Details! Wer im Kölner Dom die Fenster bewundern will, muss seinen Kopf normalerweise weit in den Nacken legen und gute Augen haben. Ab jetzt ist das anders: Denn in der Kölner Domschatzkammer hat jüngst eine Sonderausstellung zum Thema Fenster begonnen. Gezeigt werden bis zum 20. Oktober insgesamt sieben Felder aus dem Christusfenster.

„Die Kollegen aus der Glasrestaurierung hatten die Idee, als sie an dem Fenster arbeiteten“, erzählt Leonie Becks, Leiterin der Domschatzkammer, die die Ausstellung kuratiert hat. „Sie meinten, die Scheiben wären so wunderschön.“ Seit fast zwei Jahren restaurieren die vier Glasgemälderestauratoren aus der Domschatzkammer das Fenster, das normalerweise im Nordquerhaus eingebaut ist, gegenüber der Schmuckmadonna.

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Restaurator Peter Berkenkopf und seine Kollegen arbeiten seit fast zwei Jahren an dem Fenster.

Die 18 einzelnen Scheiben, Felder genannt, zeigen Szenen aus dem Leben Jesu und wurden bereits im 16. Jahrhundert gefertigt. „Wir müssen uns jedes Feld sehr genau angucken“, sagt Restaurator Peter Berkenkopf. Er arbeitet zurzeit an Feld neun, das den Einzug Christi in Jerusalem zeigt. „Bei manchen ist die eingebrannte Farbe noch sehr fest, bei anderen löst sie sich bereits, wenn man einmal mit dem Fingernagel daran kommt.“

Bevor er mit der eigentlichen Arbeit beginnt, dokumentiert Berkenkopf den Zustand des Fensters am Computer bis ins kleinste Detail: Er trägt zunächst ein, wo sich Risse oder Krusten befinden, wo Bleifugen oder die Farbe sich gelöst haben – und ergänzt nach der Restaurierung, was er gemacht hat. Damit zukünftige Generationen das nachvollziehen können. Denn das oberste Ziel ist heutzutage, das Fenster in seinem ursprünglichen Zustand zu belassen und so wenig Fremdmaterial wie möglich hinzuzufügen.

Am PC dokumentieren die Experten den Zustand der Kunstwerke.

Am PC dokumentieren die Experten den Zustand der Kunstwerke.

Haben sich alte Farbpartikel gelöst, klebt Berkenkopf diese wieder mit Acrylat an: Ruhig schwebt seine Hand dann mit einem feinen Pinselchen über der entsprechenden Stelle und tupft den Partikel vorsichtig wieder an, die Augen haben durch die große Lupe alles im Blick. Wie er seine Hand so ruhig halten kann? „Konzentration“, sagt der 64-Jährige. „Und innere Ruhe.“ Nicht alle Fenster sind farbig bemalt, die Scheiben tragen die Farbe meist schon in sich, nur silbergelb und schwarz sowie feine Linien und Schatten wurden von außen darübergemalt.

Mit der großen Sammlung aus winzigen Pinseln bürstet Berkenkopf auch vorsichtig Schmutz weg, trocken versteht sich. Wasser, wie beim heutigen Fensterputzen, kommt hier äußerst selten zum Einsatz. Zu gefährlich. Nur manchmal tupft der Restaurator mit einem Wattestäbchen, das er in eine Wasser-Alkohol-Mischung getunkt hat, ein bisschen Dreck weg. Mit einem dünnen Skalpell kratzt Berkenkopf in der Ecke zwischen zwei Bleiruten herum, dort hat sich alter Mörtel aufgetürmt.

Sieben von 18 Feldern sind ausgestellt.

Sieben von 18 Feldern sind ausgestellt.

70 Jahre lang hat niemand mehr das Christusfenster gereinigt. Während des Zweiten Weltkriegs war es ausgebaut und geschützt gelagert worden. Danach wurde es mit einer neuen Bordüre versehen und wieder eingebaut. Ursprünglich wurde das Fenster gar nicht für den Dom gefertigt, sondern für die Klöster St. Apern und St. Cäcilien. „Als die Klöster aufgelöst wurden, hat man die Fenster in der Dombauhütte hergerichtet und 1870 in der Kathedrale eingebaut“, sagt Leonie Becks. Und weil die Kloster-Scheiben zu klein für die Öffnungen der gotischen Domfenster waren, hat man unten eben noch ein bisschen Szenerie drangebastelt.

Peter Berkenkopf zeigt auf ein Stück Wiese, das Gras wirkt etwas kräftiger grün als das Stück Wiese darüber. „Die Glassorte, die Struktur, die Art zu malen – all das hat man im Mittelalter nicht so gemacht.“

Seit 38 Jahren arbeitet Peter Berkenkopf als Glasgemälderestaurator in der Dombauhütte, in der Zeit hat er gelernt zu denken wie die Glasmaler im Mittelalter. Langweilig ist ihm sein Job in all den Jahren trotzdem nie geworden: „Jedes Fenster ist anders, und jedes hat eine eigene Geschichte, die ich entdecken kann.“ Dafür hatte er beim Christusfenster rund zehn Wochen pro Feld Zeit. So lange dauert es ungefähr, bis er ein Fenster konserviert und restauriert hat.

Die Domschatzkammer an der Nordseite der Kathedrale ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 6 Euro, ermäßigt 3 Euro.

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