„Bisherige Verbotspolitik ist gescheitert“Köln beschließt Cannabis-Modellstadt – Was heißt das, wann geht es los?

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Ein Mann hält eine getrocknete Cannabisblüte in der Hand.

Cannabisblüten (Symbolbild)

In der Kölner Ratssitzung wurde am Dienstag die Bewerbung zur Cannabis-Modellregion beschlossen. Wir beantworten alle wichtigen Fragen.

Der Kölner Stadtrat hat am Dienstag beschlossen, dass sich Köln als Cannabis-Modellregion bewerben soll. Dafür stimmten alle Ratsfraktionen und Einzelmandatsträger mit Ausnahme der CDU und der AfD. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was sagten die Kölner Politiker im Stadtrat?

In der Debatte machten die befürwortenden Fraktionen deutlich, dass sie die Gefahren der Droge nicht unterschätzen. „Wir sind nicht dabei, in Deutschland eine neue Droge einzuführen. Es geht darum, die Realität anzuerkennen – und die sieht so aus, dass Cannabis in der Gesellschaft angekommen ist“, sagte Ralf Unna (Grüne). „Die bisherige Verbotspolitik ist krachend gescheitert.“

Viola Recktenwald (SPD) sagte: „Abhängigkeit hat nichts damit zu tun, dass ein Stoff verfügbar ist.“ Die Stadt Köln sei als Modellstadt prädestiniert, weil die Cannabis-Abgabe das bisherige Drogenhilfesystem ergänze. Bernd Petelkau (CDU) widersprach deutlich, dass die Legalisierung von Cannabis die Gefahren für Konsumentinnen und Konsumenten verringern würde. „Es kann nicht sein, dass Sie fabulieren, dass die aktuelle Drogenpolitik gescheitert ist, und deshalb Cannabis freigeben wollen – denn wenn das gilt, müssten wir auch alle anderen Drogen auch freigeben.“

Wie schätzt der Gesundheitsdezernent die Lage für Köln ein?

Gesundheitsdezernent Harald Rau, dessen Gesundheitsamt in die Begleitung des Modellversuchs eingebunden sein wird, äußerte sich ebenfalls zur Legalisierung. Cannabis-Konsum sei potenziell sehr gefährlich, aber: „Ich habe der Debatte nicht das Ziel entnommen, dass die Legalisierung zu mehr Konsum führen soll. Sondern ich habe richtige Argumente gehört, wie wir den gefährlichen Konsum in der Illegalität einschränken können.“

Ob der nun zu beschreitende Weg der richtige dazu ist, sei noch zu klären, deshalb sei eine enge wissenschaftliche Betreuung wichtig. „Dafür brauchen wir aber auch die Voraussetzungen und die Ressourcen im Gesundheitsamt. Uns fehlen die Fachleute, weshalb wir schon nicht die Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums ausweiten können. Mit dem derzeitigen Personal lässt sich das so nicht machen“, sagte Rau. Unterstützung vom Bund und mehr Kapazitäten im Gesundheitsamt seien dringend erforderlich.

Was ist eine Cannabis-Modellregion?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant eine Cannabis-Legalisierung in zwei Schritten mit dem „CaRe“-Modell. Das steht für Club-Anbau und Regionalmodell. Das Regionalmodell ist die zweite, nachgelagerte Säule. Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) soll in den Modellregionen der kommerzielle Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften möglich sein. Die Modellregionen können große Städte wie Köln oder Münster, aber auch ländliche Regionen sein. Wie viele Modellregionen es geben soll, und wer sie auswählt, ist noch unklar. Der Verkauf von Cannabis in den Modellregionen soll wissenschaftlich begleitet werden.

Wie würden diese Fachgeschäfte in Köln aussehen?

Die Fachgeschäfte werden eine Lizenz brauchen, die die Behörden ausstellen. Die Betreiber und das Verkaufspersonal sollen Beratungs- und Präventionskenntnisse haben, in jedem Geschäft soll es außerdem einen Ansprechpartner für den Jugendschutz geben. Die Volljährigkeit muss kontrolliert werden, außerdem ist in den Geschäften dann nur der Verkauf von nicht-medizinischem Cannabis erlaubt, Tabak oder Alkohol dürfen nicht verkauft werden.

Wann treten die Modellregionen in Kraft?

Der von Lauterbach Ende April vorgestellte Gesetzesentwurf umfasst zunächst nur die Säule 1, also die Cannabis-Clubs. Säule 2, also die Modellregionen, sollen in einem weiteren Gesetzentwurf nach der Sommerpause des Bundestages vorgestellt, und der Europäischen Kommission zur Prüfung vorlegt werden, heißt es vom BMG. Während Säule 1 noch in diesem Jahr in Kraft treten soll, werden die Modellregionen wohl also nicht vor 2024 kommen.

Was sagen Befürworter zu Köln als Modellregion?

„Die Legalisierung ist notwendig, um den Schwarzmarkt einzudämmen“, sagt Justus Haucap, Direktor des Düsseldorf Istitute for Competition Economics (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität. Nur so könne Jugend- und Gesundheitsschutz gewährleistet werden, die Dealer auf dem Schwarzmarkt kümmerten sich darum nicht.

Kommunen wie Köln könnten aber auch anderweitig profitieren. „ Auch die legalen Arbeitsplätze und die damit verbundenen Einnahmen aus Lohn- und Einkommenssteuer (von der 15 Prozent an die Kommune geht) sind positiv für die Kommune“, so Haucap. „Hinzu kommen Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Und schließlich kann die Stadt so als Standort für Unternehmen attraktiv werden, die dann bei einer bundesweiten Legalisierung wachsen können, ihren Standort aber schon in Köln haben.“

Was sagen Kritiker aus Köln?

Cannabis könnte bei vulnerablen Gruppen eine Psychose triggern, sagt Stephan Bender, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Köln. „Diese vulnerable Gruppe sehen wir dann bei uns in der Klinik.“ Er gehe davon aus, dass „eine verstärkte Verfügbarkeit von Cannabis auch zu einer erhöhten Zahl an psychischen Störungen, die durch Cannabis ausgelöst wurden, führt.“

Die Verfügbarkeit müsse für Jugendliche, die sich naturgemäß viel ausprobierten, so gering wie möglich sein. „Bei höheren Konsumzahlen wird auch die Zahl der vulnerablen Personen, die Cannabis konsumieren, ansteigen. Das ist reine Mathematik. Und es wirft die Frage auf, inwieweit wir als Gesellschaft bereit sind, auf Konsum zu verzichten oder welche anderen Maßnahmen wir treffen, um vulnerable Kinder und Jugendliche zu schützen.“

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