Brigitta von Bülow im Interview„Über City-Maut in Köln unbedingt diskutieren“

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Die neue grüne Fraktionschefin Brigitta von Bülow im Interview

Die neue grüne Fraktionschefin Brigitta von Bülow im Interview

Köln – Frau von Bülow, was haben sich die Grünen bis zur Kommunalwahl im Herbst 2020 noch vorgenommen?

Brigitta von Bülow: Es gibt vier Punkte, die uns wichtig sind. Wir wollen die wachsende Metropole Köln gestalten, dazu gehören die Bereiche Wohnen Verkehr und Entwicklung des Wirtschaftsstandortes. Unser zweites Schwerpunktthema ist der Klimaschutz. Außerdem wollen wir der sozialen Spaltung der Stadt entgegentreten und Integration ermöglichen. Viertens: Wir wollen Köln in seiner Vielfalt auch tatsächlich für alle erlebbar machen und Kultur in all ihren Facetten gestalten.

Wie steht es denn um das Bündnis? Im Stadtrat gab es einige Abstimmungen, bei denen Sie sich nicht einig waren. In der jüngsten Sitzung zum Beispiel, als die schwarz-gelbe Landesregierung wegen der Abschaffung der Stichwahl bei der Oberbürgermeisterwahl kritisiert wurde. Über die vom 1. FC Köln geplante Erweiterung des Geländes am Geißbockheim sind Sie sich auch nicht einig.

Bei den angesprochenen Punkten wissen wir um die Unterschiede. Gerade deswegen ist ein intensiver Austausch wichtig. Wir haben einen Kooperationsvertrag, der bestimmt, bei welchen Themen wir gemeinsam abstimmen und bei welchen wir jeweils eigene Wege gehen können.

Zur Person

Brigitta von Bülow, Jahrgang 1958, ist seit Februar 2019 Fraktionschefin der Grünen im Stadtrat. Die Lehrerin und Diplom-Theologin gehört dem Rat seit 2005 an. Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Kulturausschusses. Zuvor war sie in der Bezirksvertretung Ehrenfeld. (adm)

Die Stadtpolitik vermittelte zuletzt einen ganz schlechten Eindruck.

In den Sitzungen der zurückliegenden Monate stand die Sachpolitik nicht immer im Vordergrund. Die demokratischen Parteien müssen es schaffen, auch mit Blick auf die Kommunalwahl, die Bürgerinnen und Bürger davon zu überzeugen, dass sie, dass wir, ein ernsthaftes Interesse daran haben, die Stadt voranzubringen und uns nicht nur mit uns selber beschäftigen. Wenn es so wirkt, als geschehe dies nicht, öffnen wir Tür und Tor für Frust und Politikverdrossenheit – mit allen bekannten Folgen.

Wie ist es zu dem Verfall gekommen?

Nach der Stadtwerke-Affäre waren alle mit sich selber beschäftigt. Man hat sich zwar in die Hand versprochen, alles werde transparenter und richte sich nach den Regeln für städtische Unternehmen. Der Prozess der Aufarbeitung wurde von den beteiligten Parteien, der SPD, der CDU und den Grünen, jedoch unterschiedlich schnell und konsequent angegangen, das hat zu einem Vertrauensverlust auch untereinander geführt.

Und was ist mit dem Vertrauensverlust bei den Bürgerinnen und Bürgern?

Natürlich möchte jede Fraktion ihr Profil zeigen. Aber wir müssen vor allem auch vermitteln, dass wir im Interesse der Stadt mit allen anderen Kräften zusammenarbeiten können, die demokratisch unterwegs sind. Es geht darum, verlorenes Vertrauen wieder aufbauen zu können.

Und dann wechselt Ihre Amtsvorgängerin Kisten Jahn im Eiltempo zu einem Lobby-Verein für das Rheinland und wird Geschäftsführerin ...

.. das hat uns alle überrascht. Und wir hätten uns gewünscht, dass die Stelle öffentlich ausgeschrieben worden wäre. Das intransparente Besetzungsverfahren lag nicht in der Zuständigkeit des Stadtrates, die Entscheidung hat der geschäftsführende Vereinsvorstand getroffen.

In dem Oberbürgermeisterin Henriette Reker Mitglied ist.

.. und in dem der Düsseldorfer OB Thomas Geisel das Verfahren geleitet hat. Wir hätten uns von allen Beteiligten mehr Transparenz gewünscht, klar. Die öffentliche Resonanz war verheerend, viele haben gedacht, wo bleibt denn jetzt die von der Politik angekündigte Transparenz?

Mit welchem Kandidaten gehen die Grünen in die OB-Wahl? Werden Sie die parteilose Reker ein weiteres Mal unterstützen, sofern sie antritt?

Wir warten ab, wie sich die Oberbürgermeisterin selbst dazu äußert, ob sie noch einmal antreten wird. Wir diskutieren die Frage natürlich intern, aber es ist heute zu früh, dazu Stellung zu nehmen.

So besonders weit vorangekommen ist Köln in Rekers Amtszeit bisher nicht.

Ich finde schon. Vieles läuft nicht optimal, das stimmt schon. Aber zum Beispiel die Verwaltungsreform, die die OB in Gang gesetzt hat, ist ein Projekt, dessen Erfolg sich nicht innerhalb von wenigen Jahren einstellen kann. Keiner ihrer Vorgänger hat das Thema so entschlossen vorangetrieben.

Eine Stadt, deren Einwohnerzahl wächst, braucht mehr Wohnungen, mehr Kindergärten, Schulen, Freizeiteinrichtungen, Verkehrswege. Geht das nicht zwangsläufig zulasten der Natur? Welche Perspektive gibt es aus Sicht der Grünen?

Als Grüne gestalten wir das Wachstum mit, indem wir uns für eine Balance zwischen bebauter und unbebauter Fläche aussprechen. Die Neuversiegelung von Flächen ist für die Grünen im Grunde genommen ein Tabu. Wir brauchen das Grün in der Stadt, wegen des Klimaschutzes und auch wegen der Aufenthaltsqualität.

Umweltdezernent Harald Rau, der auf Vorschlag der Grünen gewählt worden ist, hält Fahrverbote für Autos für unvermeidbar, die Oberbürgermeisterin will das unbedingt vermeiden. Wie ist Ihre Position?

Schwierige Frage. Denn es spielen viele Faktoren eine Rolle.

Aber das ist doch ein Kernthema der Grünen, da müssten Sie schon eine Meinung haben.

Fahrverbote sind im Zusammenhang mit der Luftreinhaltung ein Mittel, das am Ende einer Kette von vielen Maßnahmen steht, vielleicht auch unvermeidbar ist – dann aber auch gut organisiert und begleitet werden muss. Ich bin dafür, dass man möglichst schnell eine autofreie Innenstadt hinbekommt, dass das Radwege- sowie das Bus- und Schienennetz ausgebaut wird.

Fahren Sie selber Auto?

Wir haben einen VW-Bus. Für die meisten Wege nutze ich das Fahrrad, die KVB und die Bahn, seit Jahrzehnten schon.

Was halten Sie von einer City-Maut?

Darüber muss man in Köln unbedingt diskutieren.

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Ihr persönlicher Schwerpunkt ist die Kulturpolitik. Was liegt Ihnen da besonders am Herzen?

Neben der Umsetzung des Kulturentwicklungsplanes besonders der Kulturraumschutz.

Was ist das?

Es geht darum, die Räume, in denen eine kulturelle Nutzung stattfindet, Ateliers, Proberäume, Clubs, in denen Konzerte stattfinden, zu schützen. Derzeit treten mehr und mehr Konflikte auf, durch hohe Lärmschutzauflagen beispielsweise, oder durch eine neue Bebauung in der Nachbarschaft.

Was kann die Stadt gegen die Verdrängung tun?

Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten. Wir müssen die Interessen der Kultur bereits in der Stadtplanung stärker berücksichtigen. Der Rat hat im Haushalt Geld bewilligt, um entsprechende Konzepte zu entwickeln. Darüber hinaus steht Geld für Lärmschutzmaßnahmen zu Verfügung.

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