Keine Panik trotz Rekord-ZahlenKölner Corona-Experten sehen klaren Karnevalseffekt

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Waren am Ende doch in Feierlaune: Die Jecken auf der Zülpicher Straße.

Köln – Es sei absolut logisch, sagt er. Um das zu verstehen, müsse man kein Wissenschaftler sein. „Der Zusammenhang erscheint absolut eindeutig.“ Die Karnevalsfeiern haben sich erkennbar auf das Infektionsgeschehen in Köln ausgewirkt, sagt Michael Hallek, Direktor der Klinik I für Innere Medizin an der Kölner Uniklinik, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Aber: „Für den Gesamtverlauf der Pandemie macht mir der Karnevalseffekt keine ganz großen Sorgen – wenn die jungen Erwachsenen jetzt aufpassen auf ihre älteren oder vulnerablen, also vorerkrankten Angehörigen“, so Hallek weiter. Es sei keine Katastrophe, der Effekt sei zu erwarten gewesen. Bei 30- bis 39-Jährigen ist ein ähnlicher Trend festzustellen.

„Bitte denken Sie also jetzt daran, ein paar Tage mit Besuchen bei vulnerablen Freunden oder Angehörigen zu warten oder sich zu testen. Wir müssen diese Gruppen weiter schützen.“ In Dänemark sehe man, dass eine erhöhte Zahl an Infektionen auf Ältere überschwappe – und die Zahl an Todesfällen leicht ansteigt.

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Kölner Internist Michael Hallek: „Die Welle wird abflachen“

Tatsächlich steigt die Sieben-Tage-Inzidenz bei jungen Erwachsenen in Köln derzeit gegen jeden epidemiologischen Trend massiv an, um mehrere hundert Punkte täglich. Bei 20- bis 29-Jährigen liegt der Wert derzeit bei 2732, eine Verdopplung innerhalb von fünf Tagen. Fast drei Prozent dieser Gruppe sind derzeit bestätigt infiziert. „Wir sehen diese Auswirkungen auch bei uns in der Uniklinik“, sagt Hallek.

Stand Freitag seien mehr als 600 Mitarbeitende in Quarantäne, davon 126 aus dem ärztlichen Dienst und 164 aus dem Pflegedienst. Dies führe auf einigen Stationen der Uniklinik zu erheblichen Engpässen. „Wir können nicht mehr alle Krankenbetten betreiben“, sagt Hallek.

Infektionen in betimmten Gruppen sei die Gefahr

Hallek mahnte in den vergangenen zwei Jahren stets zu Vorsicht – aber nun mit einem neuen Blick auf das inzwischen veränderte Virus. Nicht mehr die Infektionen sind die große, akute Gefahr, es sind die Infektionen in bestimmten Gruppen: Bei Alten, bei Immungeschwächten, bei Ungeimpften.

„Die Welle wird insgesamt abflachen, in einigen Teilen Deutschlands sehen wir das bereits. Auf dem Weg dahin ist weiter Vorsicht und vor allem Rücksicht angebracht, vor allem wenn das Infektionsgeschehen wieder zunimmt, wie jetzt in Köln“, sagt Hallek. Die Lockerungen seien vertretbar. Entscheidend bleiben aus seiner Sicht die Masken.

Karl Lauterbach: Karnevals-Absagen waren „absolut richtige Entscheidung“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach fordert, es müsse weiter beobachtet werden, wie sich der Karneval ausgewirkt habe. „Definitiv zeigt sich, wie schnell die Zahlen bei vielen Kontakten steigen“, sagt Lauterbach dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Und er warnt weiterhin. „Nach wie vor haben wir 200 Todesfälle am Tag. Und wir haben viele Patienten, die für immer bleibende Schäden behalten werden. Es ist leider noch nicht vorbei. Ich warne vor einem komplett unvorsichtigen Verhalten.“

Er danke den Veranstaltern des Vereinskarnevals, die Feiern abgesagt zu haben. „Das war die absolut richtige Entscheidung. Ohnehin fällt es mir mit Blick auf die bestürzenden Umstände in der Ukraine schwer, zu erkennen, was es gerade zu feiern geben soll“, so Lauterbach weiter. Leider habe es viele gegeben, die in unverantwortlicher Weise gefeiert hätten, auch die kommerziellen Veranstaltungen waren „sicher keine gute Idee“, sagt der Bundesgesundheitsminister.

Dass die Clubs trotz des sich andeutenden Karnevalseffekts nun wieder öffnen, hält er dennoch für richtig. „Die beschlossenen Lockerungen sind maßvoll und es ist berücksichtigt, dass wir dann wieder mehr Kontakte haben werden“, sagt Lauterbach. Wichtig sei es, „mitzudenken“, dass die neue Omikron-Variante BA.2 ansteckender sei als die bislang dominante Variante.

Seine Stimme klang im Lauf der vergangenen Jahre zumeist wesentlich sorgenvoller, wenn er über Corona-Infektionen sprach. Jetzt sorgen ihn vor allem noch die Infektionen, die Ungeschützte treffen: „Wer noch ungeimpft ist, sollte dringend die Gelegenheit wahrzunehmen, sich noch impfen zu lassen“, sagt Lauterbach.

Stadt Köln verweist auf hohe Testzahlen an den Karnevalstagen

Auch Horst Kierdorf, Direktor der Städtischen Kliniken, sieht einen Karnevalseffekt. „Die sprunghaft gestiegene Inzidenz bei jungen Erwachsenen spricht dafür, dass einige Betroffene intensiv Karneval in einer Gruppe gefeiert haben“, sagt Kierdorf dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er hoffe auf einen hohen Impfstatus der Erkrankten und darauf, dass diese jüngere Altersgruppen weniger schwere Verläufe entwickeln werden.

„Wichtig ist jedoch jetzt, dass die Betroffenen strikt ihre Quarantäne einhalten, sich konsequent testen und dringend Kontakte meiden“, so Kierdorf. „Diejenigen, die gefeiert haben und noch negativ sind, sollten besser das Wochenende zu Hause verbringen, auch wenn die Clubs nun wieder öffnen dürfen.“

Stadt Köln interpretiert Corona-Fallzahlen zurückhaltend

Weiterhin gehe es darum, die vulnerablen Gruppen zu schützen. Die Stadt interpretiert die Zahlen weiterhin eher zurückhaltend. So könne der Anstieg bei 20- bis 29-Jährigen ein Anzeichen für häufigere Ansteckungen im Zusammenhang mit Karneval sein.

„Eine ursächliche Erklärung des Inzidenzanstiegs durch den Karneval ist aber nicht sicher beurteilbar, auch aufgrund der inzwischen erheblich zurückgefahrenen Kontaktnachverfolgung“, hieß es am Freitag auf Anfrage. Zudem verweist die Stadt auf ein erhöhtes Testaufkommen rund um die Karnevalstage. An Karnevalsfreitag etwa wurden demnach 130.416 Bürgertests in Köln durchgeführt.

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Endgültige Gewissheit darüber, wie stark die Karnevalsfeiern das Infektionsgeschehen wirklich beeinflusst haben, werden wohl erst die kommenden Wochen bringen. Die Stadt betont jedoch, die Auslastung der Kliniken mit Covid-Patienten sei weiterhin moderat, „sowohl auf den Allgemein- als auch auf den Intensivstationen“.

327 Covid-Patienten meldeten die Krankenhäuser am Freitag, 60 davon auf Intensivstationen. Aus Sicht der Stadt „kann die Lage derzeit als nicht dramatisch bezeichnet werden“. Die Sorgen der Experten also bleiben, allein an den Infektionszahlen aber lässt sich längst nicht mehr ablesen, wie es der Stadt mit dem Virus ergeht. Und wie gut sich eine Karnevalssession mit der Restpandemie verträgt. 

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